Hans Pürstner
Reich ins Heim
arm ins Grab
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Inhaltsverzeichnis
Titel Hans Pürstner Reich ins Heim arm ins Grab Dieses ebook wurde erstellt bei
1.Kapitel
2.Kapitel
3.Kapitel
4.Kapitel
5.Kapitel
6.Kapitel
7.Kapitel
8.Kapitel
9.Kapitel
10.Kapitel
11.Kapitel
12.Kapitel
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20.Kapitel
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29.Kapitel
30.Kapitel
31.Kapitel
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Impressum neobooks
“Graz Hauptbahnhof, alles aussteigen, bitte! Sie haben Anschluss an den Personenzug nach Fehring, Abfahrt um 18:32 auf Bahnsteig 1 B. Hinweis an die Besucher der Grazer Herbstmesse 1971: Benutzen Sie bitte die Einschubwagen der Straßenbahn vor der Bahnhofshalle!“
Krächzend klang die Stimme aus den alten Lautsprechern des Bahnsteiges, nachdem die Lokomotive des Oostende Express mit lautem Quietschen der Bremsen gestoppt hatte.
Endlich da , murmelte Albert Worthington leise vor sich hin. Dankbar über die Chance, sich endlich wieder etwas bewegen zu können, streckte er sich nach der Gepäckablage und hob seinen neuen Samsonite Koffer herunter.
Gerade rechtzeitig fiel ihm noch ein, der älteren Dame auf dem Nebensitz galant seine Hilfe anzubieten. Also wuchtete er erst mal die große Reisetasche, einen kleinen Lederkoffer, ein prall gefülltes Einkaufsnetz, sowie noch einen riesigen Schirm von der Ablage, nicht ohne zu erwähnen, dass er ihr die Sachen selbstverständlich bis auf den Bahnsteig bringen werde.
Hoffentlich lehnt sie mein Angebot ab , dachte er im Stillen, Ich weiß wirklich nicht, wofür eine alte Dame so viele Sachen mit sich herum schleppt. Na ja, letztendlich findet sich immer ein gutmütiger Kavalier der alten Schule wie ich, der sich dann damit abplagt.
Unnötig zu erwähnen, dass sich seine Hoffnung nicht erfüllte. Nachdem er schweißgebadet die Gepäckstücke der Dame bis auf den Bahnsteig hinausgereicht hatte, musste er sich beeilen, auch seine eigenen Koffer zu holen, bevor der Oostende Express aufs Abstellgleis verschoben wurde.
Da stand er nun etwas ratlos an den Gleisen, es war derselbe Bahnsteig, von dem er seinerzeit im Mai 1950 in den Armee Zug Richtung Heimat gestiegen war. Auf den ersten Blick hatte sich kaum etwas verändert, auch wenn er beim Blick auf den Ausgang das neue Bahnhofsgebäude entdeckte, an derselben Stelle wo damals nur eine Bombenruine geblieben war.
Die alte Dame aus dem Zug winkte ihm noch mal freundlich zu, bevor sie mit einem älteren Herrn zum Ausgang ging.
Das wird wohl ihr Bruder sein, von dem sie während der Fahrt dauernd erzählt hatte. Nun kann sich der eben mit den schweren Sachen abschleppen , schoss es Albert durch den Kopf, ehe auch er zur Unterführung ging, die den Bahnsteig mit der Haupthalle verband.
Während der langen Reise, von Bournemouth, dem zwar mondänen, aber langsam aus der Mode kommenden Badeort an der Südküste Englands, über London nach Dover, mit der Fähre über den Kanal nach Oostende und von dort in einem Kurswagen bis Graz hatte er Zeit genug gehabt, sich an das Jahr 1947 zu erinnern. Er war damals froh gewesen, dass sein ehemaliger Bataillonskommandant ihm die Möglichkeit gegeben hatte, in der Stadtkommandantur von Graz, dessen Leiter dieser geworden war, als Verbindungsoffizier zu arbeiten.
Worthingtons Großtante lebte in Hamburg, war mit dem inzwischen verstorbenen Bruder seines Vaters verheiratet und bei einigen Besuchen gegenseitig hatte er ganz passabel Deutsch gelernt. Eine Sprache, die ihm im Gegensatz zu den meisten seiner Landsleute offensichtlich zu liegen schien.
Das war der Grund gewesen, warum man ihm die Aufgabe zugetragen hatte, die Wünsche und Anweisungen der Besatzungsmacht an die jeweiligen Stellen in der Stadtverwaltung weiterzugeben.
Diese Tätigkeit war eine gute Gelegenheit gewesen, viele Leute kennen zu lernen, ganz besonders gerne erinnerte er sich an Ingrid, seine ganz spezielle Soldatenliebe.
Bei ihr hatte er zur Untermiete gewohnt, bis sich daraus eine heftige Beziehung entwickelte, die danach aber etwas abrupt zu Ende gegangen war.
All dies ging ihm durch den Kopf, während er auf den Bahnhofsvorplatz trat und sich nach einem Taxi umsah.
Die sind ja alle schwarz, genau wie in London,
sinnierte er vor sich hin.
Nur handelte es sich überwiegend um Modelle von Mercedes, die zwar moderner als die typischen Londoner Taxis, aber wohl gewiss nicht so praktisch sein würden.
Als er zuletzt hier gewesen war, wurde das Transportproblem noch fast ausschließlich von britischen Militärfahrzeugen gelöst, während die Einwohner der Stadt zu Fuß oder per Fahrrad unterwegs waren. Und jetzt war da die Straßenbahn, moderne Triebwagen, nicht mehr diese klapprigen Waggons, die den Krieg überlebt hatten und so aussahen, als wären sie in ihrer Anfangszeit noch von zwei Pferden gezogen worden.
Worthington verspürte große Lust, statt in ein Taxi in die Trambahn zu steigen, aber da er nicht wusste, wie er ins Parkhotel kommen sollte, in dem er sich ein Zimmer hatte reservieren lassen, stieg er doch lieber in eine der bereitstehenden Droschken. Er nannte dem Fahrer das Ziel Parkhotel, lehnte sich entspannt zurück und schaute durch das Fenster nach draußen, begierig darauf, irgendetwas zu entdecken, was den Hort seiner Erinnerungen noch nicht verlassen hatte. Sooft er ein neues Gebäude erspähte, beugte er sich nach vorne, um den Fahrer danach zu fragen.
Natürlich probierte er sogleich seine alten Deutschkenntnisse aus, schon um dem Fahrer zu zeigen, dass er sich hier auskannte. Denn die alte Dame im Zug hatte ihm erzählt, dass englisch sprechende Touristen automatisch als Amerikaner und damit als Millionäre eingestuft würden, die es auszunehmen galt.
“Na, Mister, kumman´s aus England oder Amerika?” antwortete der Taxifahrer nichtsdestotrotz, Worthingtons Akzent ließ sich eben doch nicht so ganz verbergen.
Leise seufzend stillte er dessen Wissensdurst, worauf der Taxifahrer meinte:
“Eure Fußballer gefallen mir, besonders der Georgie Best von Manchester United, mei, wenn wir nur auch solche Burschen hätten!”
Etwas verschämt gestand er ihm, dass er von Fußball nicht allzu viel Ahnung hatte und seine Lieblingssportart Kricket wäre, was wiederum bei dem Fahrer nur ein mitleidiges Kopfschütteln auslöste.
Bald hatten sie auch das Parkhotel erreicht und nachdem Worthington das Taxi bezahlt hatte, schnappte er sich den Koffer und ging an die Rezeption, während der Taxifahrer, enttäuscht über das ungewohnt magere Trinkgeld missbilligend den Kopf schüttelnd davonfuhr.
Der erste Tag in Graz begann mit einem ausgiebigen Frühstück in dem kleinen gemütlichen Speisesaal des Hotels. Eine junge Serviererin führte ihn freundlich lächelnd an seinen Tisch, an dem noch ein älteres Ehepaar aus Wien saß.
Nachdem Worthington sich vorgestellt hatte, begann der Mann sofort, die kümmerlichen Reste seiner Schulenglischkenntnisse hervorzukramen und verwickelte ihn in ein Gespräch. Die Schulzeit des Herrn lag aber offensichtlich schon einige Zeit zurück, demnach war die Unterhaltung naturgemäß etwas anstrengend.
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