Hans Pürstner
Wenn die Liesl reden könnte
Kindheit in der Nachkriegszeit
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel Hans Pürstner Wenn die Liesl reden könnte Kindheit in der Nachkriegszeit Dieses ebook wurde erstellt bei
Vorwort Vorwort Wenn sie denn reden könnte, da hätte sie so einiges zu erzählen, die „L i e s l“. Majestätisch erhaben steht sie auf dem Grazer Schlossberg, Unser Glockenturm, erbaut im Mittelalter. Stumm schaut sie herab, auf das beschauliche Städtchen Graz und seine großen und kleinen Bewohner. Wie auch auf das alte Mietshaus in der Neubaugasse 76 in der Nachkriegszeit. Ein Haus, das als Neubau zu bezeichnen doch etwas vermessen gewesen wäre. Doch für uns Kinder war es unser Reich, und der Obstgarten war die große Welt, die freie Natur. Hier sind wir aufgewachsen, erlebten spannende Abenteuer, die vier Jahreszeiten, das Leben und Sterben von Tieren und Insekten und vieles andere. All dies habe ich in kleine und vergnügliche Geschichten gefasst, erzählt aus der Sicht eines kleinen Buben. Wohl jeder Leser hat solche oder ähnliche Dinge in seiner Kindheit erlebt. Dieses Büchlein bringt ihn vielleicht dazu, sich wieder daran zu erinnern und mit Vergnügen und auch leiser Wehmut noch einmal nachzuempfinden.
Der Indianer mit Schlag
Der Osterhase
Das Fetzenlaberl
Der Tag, an dem die Knödel vom Himmel fielen
Mein erster Anzug
Opel Dreigang
Heiße Würstel
Weihnachten
Es lebe der Sport
Der Käfer
Der Kaufmann
Der Lokomotivführer
Handyfreie Zone
Der Ribiselkuchen
Als die Eislutscher auf die Tribüne flogen
Der Kochlehrling
Bella Italia
Die Forelle
Das Lachen
Das alte Mietshaus
Impressum neobooks
Wenn sie denn reden könnte, da hätte sie so einiges zu erzählen, die „L i e s l“.
Majestätisch erhaben steht sie auf dem Grazer Schlossberg,
Unser Glockenturm, erbaut im Mittelalter. Stumm schaut sie herab, auf das beschauliche Städtchen Graz und seine großen und kleinen Bewohner. Wie auch auf das alte Mietshaus in der Neubaugasse 76 in der Nachkriegszeit.
Ein Haus, das als Neubau zu bezeichnen doch etwas vermessen gewesen wäre.
Doch für uns Kinder war es unser Reich, und der Obstgarten war die große Welt, die freie Natur. Hier sind wir aufgewachsen, erlebten spannende Abenteuer, die vier Jahreszeiten, das Leben und Sterben von Tieren und Insekten und vieles andere.
All dies habe ich in kleine und vergnügliche Geschichten gefasst, erzählt aus der Sicht eines kleinen Buben.
Wohl jeder Leser hat solche oder ähnliche Dinge in seiner Kindheit erlebt. Dieses Büchlein bringt ihn vielleicht dazu, sich wieder daran zu erinnern und mit Vergnügen und auch leiser Wehmut noch einmal nachzuempfinden.
Jeden Sonntag frühmorgens um acht musste ich zur Kirche gehen. So gerne wäre ich noch im warmen Bett geblieben! Nicht um länger zu schlafen, nein, einfach nur unter der Bettdecke verkriechen, dösen, träumen. Träumen von der großen Welt. Von Amerika, wo die Indianer leben. Von Winnetou, von Iltschi, seinem Pferd, und Nscho-tschi, seiner Schwester.
Aber nein, wir mussten ja in die Kirche. Zum Gottesdienst. Da wo es so eigenartig riecht, wo man sich dauernd hinknien muss, auf so ´ne harte Bank.
Bei den Indianern muss sich bestimmt keiner hinknien. Dort sitzt man am Lagerfeuer und brät sich einen Vogel. Einen, den man selbst geschossen hat, mit Pfeil und Bogen. Mensch, muss der gut schmecken!
Aber, was soll´s, gehen wir eben in die Kirche. Da kommen wir bei der Konditorei vorbei! Wo es so leckeren Kuchen gibt. Nusskipferl, Punschkrapferl. Und Indianer mit Schlag. Indianer sind das Größte. Weicher Kuchenteig, mit dunkler Schokoglasur. Und gefüllt mit Schlagobers. Mmhh!
Weiter geht’s. „Nun geh schon, Hansi, wir kommen zu spät in die Kirche!“.
Die Indianer brauchen bestimmt nicht in die Kirche zu gehen. Die haben ja ihren Manitu, hinter den Bergen.
Oh je, jetzt kommt uns auch noch die Tante entgegen.
„Ja Hansi, was bist du groß geworden! Gehst schon in die Schule? Was willst du denn einmal werden?“
Ich will gar nichts werden. Ich will ein Indianer sein. Am Lagerfeuer sitzen. Die Indianer brauchen nichts werden, Die sind schon was. Tapfere Krieger, gute Jäger.
Was soll’s. Jetzt sind wir endlich da. In der Kirche kann ich mich wenigstens hinsetzen.
„Komm Hansi, steh schön auf für die Dame!“ Nichts ist´s mit dem hinsetzen.
Wenigstens muss ich mich dann nicht hinknien auf diese harten Bänke. Mein Gott, das riecht hier wieder komisch. Mir wird ganz schlecht. Schlecht vor Hunger. Auf einen Indianer. Mit Schlag.
Die Messe nimmt wieder kein Ende. Aber jetzt ist endlich Schluss.
Dank sei Gott dem Herrn, beten die Leute.
Gott sei Dank, denke ich mir. Auf geht’s, zurück nach Hause. Bei der Konditorei vorbei.
Ich möchte so gerne einen Indianer. Mit Schlag.
„Aber Hansi, du kannst doch jetzt keinen Kuchen essen! Dann hast du wieder keinen Appetit zum Mittagessen. Und wenn du nicht brav isst, wirst du nie groß und stark!“
Tja, wieder bei der Konditorei gewesen, wieder kein Indianer. Mit Schlag.
Heute bin ich groß und stark. Indianer mit Schlag könnte ich essen, so viele ich möchte. Aber ich esse keine Schlagsahne mehr. Die macht dick.
Und bei den Indianern in Amerika war ich auch schon.
Die sitzen gar nicht am Lagerfeuer, die sitzen im Wirtshaus. Und saufen. Bei den Indianern hab ich auch einen kleinen Jungen gesehen. Der musste zur Kirche gehen! Mit seiner Mutter!
Ich weiß nicht, ob es eine Konditorei gibt, in Amerika. Aber bestimmt durfte der Junge auch nichts essen. Damit er Appetit hat.
Auf sein Mittagessen!
Ich bin in einem Haus mit einem großen Obstgarten aufgewachsen. Immer wenn der Winter zu Ende ging und die letzten Schneeflecken abtauten, erwachte der Garten zu neuem Leben. Das Gras wurde wieder richtig grün, die ersten Krokusse brachen durch die Erde und so trauerten wir nicht lange den Schneeballschlachten und dem Schlittenfahren nach. Der Frühling war da und damit Ostern nicht mehr weit. Und mit ihm der Osterhase.
Meine Oma hatte einen richtigen Hasen, das heißt ein Kaninchen. Doch für uns Kinder war es der Osterhase. Täglich führte uns der erste Weg nach der Schule zu seinem Stall. Auf dem Weg dahin pflückten wir noch rasch etwas frischen Löwenzahn als Mitbringsel.
Da freute sich der Hase und guckte uns alle ganz dankbar an. Essen war schließlich seine Lieblingsbeschäftigung.
Meine nicht unbedingt, aber eines mochte ich gerne. Ein Backhendl. Das heißt für Nichtösterreicher ein paniertes und frittiertes Hähnchen. Das war etwas ganz besonderes. So was Leckeres gab es höchstens ein, zweimal im Jahr. So wenig ich sonst auch essen mochte, für ein Backhendl ließ ich alles andere stehen.
Eines Tages, es war Sonntag, der einzige Tag an dem bei uns groß gekocht wurde, führte mich mein Weg wieder in den Garten zum Hasenstall. Aber da war niemand.
„Er wird sich halt selber was zum fressen suchen“ dachte ich und ging nach oben, wo meine Oma schon zum Mittagessen gerufen hatte. Auf dem Herd stand die große Eisenpfanne mit siedendem Fett und darin brutzelten appetitliche panierte Fleischstücke.
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