1 ...7 8 9 11 12 13 ...18 James hatte nicht die Absicht, zu scheitern. Sein Auftrag war klar. Die Highlander mussten vertrieben werden. Was damit gemeint war, dass er die Plätze im Gefängnis nicht beanspruchen sollte, war auch klar. Aber wie ich meinen Auftrag ausführen soll, hat mir niemand befohlen.
Kapitel III
Alan, Clan-Chief der MacLennochs, war noch nicht lange tot. Sein Ableben wurde allgemein bedauert, am meisten von Cremor, dem neuen Laird of Blair Mhor , der einen Freund verloren hatte. Cremor fühlte sich an seine Zusage gegenüber Alan gebunden, Blair Mhor, das von den Engländern zerstört worden war, wieder aufzubauen. Etliche der Offiziere waren beim missglückten Überfall auf Schloss Blackhill umgekommen. Die paar überlebenden Chieftains und Landeigentümer hatten die Köpfe eingezogen, um den siegreichen Engländern nicht aufzufallen. Allzu knapp vor der entscheidenden Schlacht von Culloden war die Loyalitätserklärung von MacLennoch zum herrschenden König George, dem Vater von General Cumberland, überbracht worden.
Die Witwe von Alan, Lady Charlotte, war ratlos und musste um ihr Erbe fürchten. Den Engländern ist nicht zu trauen . Das hatte ihr John Fraser eindringlich dargelegt. Es bräuchte wenig, eine Enteignung auszusprechen. Die Tatsache, dass Alan MacLennoch seine Loyalität erst unter massivem Druck bekundet hat, kann genügen . Damit wäre Schloss Summerset samt Ländereien unter englische Verwaltung gefallen. Es hätte nicht lange gedauert, und ein Auktionshaus in Edinburgh oder London hätte Schloss und Häuser, Wiesen und Wälder dem Meistbietenden zugeschlagen, irgendeinem Spekulanten, oder einen Konsortium von ihnen, alle eingeweiht, verflochten in einem Wechselspiel von Absprachen, Bestechung, Verrat, Provisionen und Drohungen. Alle vereint in der immer mehr Gewissheit werdenden Hoffnung, dass Schafherden mehr Ertrag brachten, als Kleinbauern mit ihren paar Kühen dem Verpächter je abliefern konnten. Charlotte und ihre beiden Töchter wären damit heimatlos geworden und ihr Schicksal wäre das gleiche gewesen wie von jenen, die Prinz Charles Stuart unterstützt hatten: Armut, Deportation — und arbeiten … was sich Charlotte nicht gut vorstellen konnte.
Es kam John Fraser Senior vor, als ob die Tage auf Schloss Summerset immer länger würden. Alles ging langsam und schleppend vor sich. Die Schritte der Bauern waren kürzer geworden. Die Fuhrwerke kamen weniger schnell vorwärts. Jede Arbeit schien doppelt so lange zu dauern. Die Handwerker ließen ihre Werkzeuge liegen und hingen häufiger in der Schenke herum. In den Gärten machte sich Unkraut breit. Früchte vertrockneten an den Bäumen oder verfaulten am Boden. Die lungernden Soldaten vertrieben sich die Zeit mit Würfelspiel und Zechereien.
John machte sich große Sorgen. Seit dem Tod von MacLennoch war Schloss Summerset führungslos. Die wenigen noch lebenden Chieftains und Offiziere kümmerten sich um ihre eigenen Angelegenheiten, kaum einer war noch auf dem Schloss verblieben. Englische Offiziere und ihre Soldaten hatten sich breitgemacht und ihre Zelte aufgeschlagen. Es sei zu ihrer eigenen Sicherheit, hatten sie Lady Charlotte erklärt. Doch sie kamen John eher wie eine Besatzung vor.
Roderick war der einzige Offizier mit langjähriger Erfahrung. Er genoss das Vertrauen von Lady Charlotte, einfach weil er schon lange dabei war, und weil Alan MacLennoch ihm mit der Zeit immer neue Aufgaben zugeteilt hatte. Er war der Kommandant der Soldaten auf dem Schloss, führte die Leibgarde, die keinen Herrscher mehr zu beschützen hatte, und überwachte das Lager einer Hundertschaft von gefangenen Highlandern des feindlichen Clan MacAreagh , die vor dem Debakel auf Schloss Blackhill noch abgeführt worden waren. Mehr noch, als sie an einer Flucht zu hindern, musste er sie vor den englischen Soldaten beschützen, die jede Gelegenheit nutzen würden, sie mit Hohn und Spott zu überschütten oder ihnen an den Kragen zu gehen. Mit dem zehn Jahre jüngeren John Junior verband ihn eine innige Freundschaft und seit John als Clan-Piper auch keinen Clan-Chief mehr zu betreuen hatte, konnte er sich wieder um die Summerset Pipes and Drums kümmern. Doch diese hatten mit dem Tod des Clan-Chiefs auch ihr Publikum verloren. Es gab nichts mehr zu feiern, es fehlten seine pompösen Auftritte, die es zu begleiten gab, und im gleichen Ausmaß, wie der Rebellion die Luft ausgegangen war, fehlte ihnen die Lust die Pfeifen zu blasen und die Trommeln zu rühren.
Zwischen John Fraser Senior, Roderick, und dem kommandierenden Offizier der Engländer gab es regelmäßige Rapporte. Der letzte hatte Fraser die Gewissheit gegeben, dass seine Sorgen berechtigt waren. Der englische Major war mit der Zeit immer selbstbewusster aufgetreten und sein herrischer Auftritt von gestern war die Ankündigung der neuen Gesetze gewesen.
John Fraser Senior war ein Highlander von Blut und Gesinnung, seine Vorfahren waren stets die Clan-Piper der MacLennochs gewesen, so wie sein Sohn die Tradition weiterleben ließ. Daran hatte sich für ihn auch nichts geändert, als sich Alan MacLennoch im letzten Moment auf die Seite der Engländer geschlagen hatte. Doch jetzt war ihm schlagartig klar geworden, dass die Engländer nichts mehr dulden würden, was die Highlander mit ihrer Tradition verband. Jetzt ging es nur noch darum, zu retten, was zu retten war. Es ging schlichtweg um die Zukunft des Clan MacLennoch. Ein neuer Clan-Chief musste her. Solange keiner da war, würden die Engländer nach Belieben mit Lady Charlotte umspringen. John war lange wach geblieben in dieser letzten Nacht. Er würde mit Cremor und Roderick ernsthafte Gespräche führen müssen. Doch vorher musste er sich noch der Unterstützung von Lady Charlotte versichern. Oder genauer: ihr erklären, was für sie, ihre Töchter und Schloss Summerset am besten war. Noch genauer: ihr klar machen, wie ausweglos ihre Situation war … es sei denn, sie hörte auf seinen Rat.
Cremor war sich schmerzlich bewusst gewesen, dass er als Wundarzt allein kaum weiterkommen konnte. Er hatte sich immer wieder gefragt, was ihm wichtiger wäre — sein medizinisches Wissen zu erweitern oder seine Brennerei. Doch die nächste Universität lag weit weg und er hätte es nicht ertragen, wenn plötzlich Margaret aufgetaucht wäre und er nicht da gewesen wäre. Die Universität Aberdeen, wo er als Meister am Seziertisch gegolten, jedoch keine Ausbildung abgeschlossen hatte, war weit weg. Es fehlte ihm an professioneller Anleitung und an Gesprächspartnern. Natürlich war da der Barbier und Bader auf Schloss Summerset, doch der war stets überbeschäftigt mit Haareschneiden und Zähne ziehen oder richtete gebrochene Glieder; wenn es misslang, machte er seine Fertigkeiten als Krückenmacher zu klingender Münze. Von ihm konnte er nicht viel erwarten und noch weniger von den arroganten Leibärzten des Adels, meistens Iren — für die war wiederum er der Quacksalber. Für den größten Teil der Bauern und Soldaten war dies jedoch belanglos. Entweder man betete für Genesung oder beschwor Feen und Dämonen; wenn es nicht half, gab es unzählige Heilkräuter samt Beschwörungen und Zuwendung einer weisen Heilerin. Letzteres half am meisten. Es blieben ihm die Bücher. Und es blieb ihm die Fortsetzung seiner Studien an toten Tieren, wie er sie während seiner Kindheit ausgeübt hatte, in jenem kleinen Dorf, dessen katholischer Pfarrer sein Vater gewesen war, wovon dort niemand etwas wissen durfte. Neben der Tatsache, dass er seinen Sohn verleugnet hatte, gab er ihm etwas auf den Weg, wofür sich Cremor eine gewisse Dankbarkeit abrang: Er hatte ihn Latein gelehrt.
Jedes Jahr fuhr auf Schloss Summerset der Buchhändler mit seinem Karren vor. Er bot Reisegeschichten an, darunter jene eines Seemannes, der auf eine einsame Insel verschlagen wurde, Berichte über ferne Länder und ihre Tiere oder die üppigen Dramen eines Engländers, geschrieben in schwer lesbaren Versen, die keinen Anklang fanden, denn die Leute bevorzugten einfache Prosa. Doch manchmal hatte er ein Buch dabei über Medizin, mit Kupferstichen, entweder auf Italienisch oder auf Latein geschrieben. Cremor kaufte solche Bücher stets und munterte den Händler auf, ihm mehr zu besorgen, doch musste er bis zu Lieferung meistens wieder ein Jahr warten.
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