„Warte ... nicht so schnell. Lass mich nur kurz duschen. Dann bin ich für dich da ...! Die ganze Nacht lang.“
Ich ging ins Bad und schloss die Tür hinter mir. Nachdem ich mich meiner Kleider entledigt hatte, wollte ich duschen und zog den Vorhang beiseite. Mir stockte der Atem bei dem, was ich sah. Als ich aus meiner Starre erwachte, stieg das Grauen in mir auf. Panik hatte mich fest in der Hand. Ich stieß einen lauten Schrei aus. Nur raus aus dem Zimmer, dachte ich bei mir und wollte fluchtartig den Raum verlassen. Doch dazu kam ich nicht mehr, denn wie aus dem Nichts stand Betty hinter mir.
„Was schreist du denn so?“
„Weshalb ich schreie? Bist du blind? In der Dusche hängt eine riesige Spinne von der Decke!“, stammelte ich.
„Ich weiß nicht, was du hast? Da ist nichts …“, erwiderte Betty nüchtern.
„Du hast sie doch nicht mehr alle! Sie hängt mitten in der Dusche!“, brüllte ich sie an.
Langsam drehte ich mich um und konnte nicht glauben, was ich nun sah.
Nichts! Rein gar nichts. Da war weder eine Spinne noch ein Netz.
„Aber ich kann mich doch nicht so getäuscht haben. Die Spinne war da.“
„Komm mit ins Bett, Schatz. Es ist spät und die Fahrt hat dich zu sehr angestrengt.“
„Keine Ahnung … doch irgendetwas ist da gewesen.“
„Da ist aber keine Spinne. Hier gibt es auch keine Schwarzen Witwen. Wenn du jetzt mit ins Bett kommst, verspreche ich dir, dass du diese Nacht nicht vergessen wirst“, umgarnte mich Betty.
Dabei fasste sie mir direkt in den Schritt und ihre smaragdgrünen Augen funkelten mich wieder an. Das wollte ich mir unter keinen Umständen entgehen lassen und duschte rasch, trotz eines mulmigen Gefühls in der Magengegend. In dieser Nacht war ich nicht so ganz bei der Sache. Immer wieder waren Bilder dieser Spinne in meinem Kopf. Mit jedem Traum wurde sie größer und größer, bis ich schließlich schweißgebadet aufwachte. Betty lag schlafend neben mir. Alles war, wie es sein sollte ...
Nach einem ausgiebigen Frühstück am Morgen machten wir uns wieder auf den Weg zu der Hütte ihrer Eltern in den Rocky Mountains. Mehr als die Hälfte der Strecke war bereits geschafft. Die restliche Zeit der Fahrt über herrschte Schweigen. Irgendwie wollte dieser Vorfall nicht aus meinem Kopf. Nach gut fünf Stunden waren wir fast am Ziel.
„Schatz, ich werde noch mal kurz tanken, bevor wir zur Hütte fahren.“
„Kannst du das nicht ein anderes Mal machen?“, forderte mich Betty auf.
„Nein. Außerdem muss ich mir kurz meine Beine vertreten“, gab ich zur Antwort.
Betty schien der Gedanke, kurz zu halten, nicht zu gefallen, aber sie sagte nichts weiter dazu. Bevor wir die Bergstraße zur Hütte hinauffuhren, hielt ich an einer kleinen Tankstelle an. Der Tankwart saß auf einer Bank vor seinem Geschäft und wartete auf Kundschaft. Ich stoppte den Wagen an einer Zapfsäule und stieg aus. „Hallo! Könnten Sie bitte einmal volltanken?“, fragte ich ihn.
„Kein Problem, Sir.“
Sogleich machte sich der Tankwart ans Werk. Innerhalb kürzester Zeit hatte er den Wagen getankt und säuberte noch die Scheiben. Nachdem er einen Blick in den Wagen geworfen hatte, wurde er kreidebleich und ging zurück ins Geschäft. Ich folgte ihm, um zu bezahlen.
„Wie viel kriegen Sie?“, wollte ich wissen.
„Das macht dann genau fünfundvierzig Dollar.“
„Bitte sehr, der Rest ist für Sie.“
„Danke. Warten Sie, ich gebe Ihnen noch die Quittung.“
Nachdem mir der Tankwart einen kleinen, weißen Zettel ausgehändigt hatte, war ich im Begriff das Geschäft zu verlassen. Im Hinausgehen las ich den handschriftlichen Text auf der Rückseite. „… fahren Sie zurück … verlassen Sie diese Frau … Gefahr!"
Ich hielt es für einen makabren Scherz und ging zurück zum Auto.
„Hat der Tankwart noch etwas zu dir gesagt?“, wollte Betty jetzt wissen.
„Nein, wie kommst du darauf? Er wollte nur sein Geld fürs Tanken. Dabei verschwieg ich ihr den Zettel, den er mir gegeben hatte.
„Ach, nur so.“
Und wieder war da dieses Funkeln in ihren Augen. Nach einer halben Stunde hatten wir die Hütte endlich erreicht. Schnell brachte ich die Koffer rein. Geschlaucht von der Autofahrt und dem Erlebten, hatte ich nur noch zwei Wünsche: eine heiße Dusche und ein warmes, kuschliges Bett.
„Pete, ich gehe kurz in den Wald ein paar Pilze sammeln. Heute Abend gibt es meine spezielle Pilz-Soße.“
„Dann dusche ich kurz und hau mich eine Stunde aufs Ohr.“
„Nach meiner Rückkehr wecke ich dich“, sagte Betty zu mir. Dann schloss sie die Haustür hinter sich.
Meine Anziehsachen legte ich bereits im Schlafzimmer auf eine Kommode. Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend betrat ich das Bad. Ich befürchtete wieder die Begegnung mit einer Spinne. Im ersten Moment sah alles normal aus. Gegenüber der Badezimmertür befand sich ein großer Spiegel mit einem darunterliegenden Waschbecken. Rechts war eine Dusche, deren Vorhang glücklicherweise aufgezogen war und links stand eine kleine Toilette.
Vorm Duschen wollte ich mir die Zähne putzen. Ich beugte mich nach vorne, um die Zahnpaste auszuspucken, und meinen Mund zu spülen. In dem Moment, als ich wieder hochkam, blickte ich in den Spiegel und mir stockte der Atem …
Mein Herz verkrampfte und ich schrie laut auf. Im Spiegel sah ich, wie sich Hunderte Spinnen hinter mir von der Decke herabgelassen hatten. Mit einem Ruck drehte ich mich um und …
Nichts! Da war rein gar nichts. Keine Spinnen, keine Netze. Aber ich hatte sie doch gesehen. Sie waren alle im Spiegel. Vorsichtig schaute ich noch einmal hinein. Nur mein Spiegelbild sah mich an. Die Lust zu duschen war mir gehörig vergangen. Ich wollte nur schnell ins Bett und schlafen.
Erneut plagten mich diese Albträume. Eine Schar von Spinnen griff mich an. Dann landete ich in dem riesigen Spinnennetz einer Schwarzen Witwe. Meine Arme und Beine wurden von Spinnenfäden umschlungen. Unaufhaltsam näherte sich ein Schatten. Es war ein überdimensional großes Insekt. Die schwarzen Fangzähne blitzen und ihre smaragdgrünen Augen funkelten mich an. Schweißgebadet wachte ich erneut auf. Was hatte das alles zu bedeuten? Das Erlebnis in dem Motel, die Warnung des Tankwartes, die Sache hier im Bad und zu guter Letzt die Albträume. Was stimmte hier nicht? Oder stimmte mit mir etwas nicht? Ich war ratlos und wusste nicht, was ich weiter machen sollte.
Betty kam von ihrem Waldspaziergang zurück. Ich ging zu ihr und begrüßte sie mit einem Kuss.
„Schatz! Schön, dass du wieder zurück bist. Hast du viele Pilze gefunden?“
„Oh … ja äh … ich habe leider keine gefunden.“
„Dabei hatte ich mich schon so auf deine Pilz-Soße gefreut.“
„Im Moment habe ich keinen Hunger. Lass uns später essen. Ich habe jetzt Lust auf was völlig anderes …“, lächelte mich Betty an.
Ich wusste genau, was damit gemeint war. Wer konnte da schon nein sagen? Betty war einfach der Wahnsinn, aber meine Albträume wurden immer schlimmer. Erzählen konnte, beziehungsweise wollte ich es nicht. Sie hätte mich für verrückt erklärt. Vielleicht war ich auch verrückt, denn diese Visionen kamen auch jetzt tagsüber immer häufiger.
Eines Abends kam Betty ins Wohnzimmer, um mir eine freudige Nachricht zu überbringen.
„Schatz, ich habe hier etwas für dich“, sagte Betty und hielt mir einen Schwangerschaftstest entgegen. In dem kleinen Fenster waren zwei rote Striche zu sehen.
„Soll das heißen, wir bekommen ein Kind?“, fragte ich freudestrahlend.
„Ja, mein Liebling. Das ist doch ein Grund zum Feiern.“
„Na, auf jeden Fall.“
„Kannst du nicht vielleicht in den Keller gehen und uns eine Flasche Wein holen?“
„Meinst du nicht, du solltest jetzt auf Alkohol verzichten?“
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