Der Arzt sagt, es sei ein „Metabolisches Syndrom“. Noch wären keine Medikamente erforderlich, sie solle jedoch ihre Ernährung umstellen und sich mehr bewegen. Was auch wichtig wäre: Sie solle sich bitte nicht immer so über Kleinigkeiten aufregen.
Es geht ihr doch eigentlich gut, denkt sie. Die Kinder sind versorgt. Sie hat Arbeit. Doch jetzt ist sie auch noch krank, hat hohe Werte. Wer stellt schon jemanden neu ein, der krank ist - und in ihrem Alter?
Der Arzt sagt auch, sie solle möglichst viel Sport treiben, die Gefahr bestehe, dass der Bluthochdruck weiter steigt, sodass Herz und Gefäße dauerhaft Schaden nehmen. Der Arzt sagt, mit der Zeit entsteht dann Diabetes mellitus und damit ist nicht zu spaßen. Nein, denkt Frau K., das hört sich nicht gut an. Wäre sie mal besser nicht zum Arzt gegangen. Vorher war sie doch gesund. Jetzt ist sie krank.
Frau K. denkt: „Der Arzt hat gut reden.“ Wenn das mit der Gesundheit mal so einfach wäre. Wann soll sie das denn alles noch machen? Sport treiben? Der Tag und die Anspannungen verfolgen sie bis in den Abend. Dann ist sie einfach müde und ausgepowert.
Sie hat auch schon viel probiert. Hat mit Joggen angefangen. Die Nordic-Walking-Ausrüstung war auch nicht ganz billig und steht jetzt nur noch herum. Fitness-Studios sind nicht ihr Ding. Hier treffen sich die Jüngeren. Schwimmen hat sie noch nie gemocht.
Das entspannte Treffen mit Freunden in der Kneipe ist am Abend das höchste der Gefühle für sie. Es gibt immer Themen, um sich hier alles, was sonst noch los war, auszutauschen. Es tut gut, darüber zu reden, was die meisten beschäftigt. Danach weiß man, dass es auch noch andere mit den gleichen Themen, Ängsten, Sorgen und Gedanken gibt.
Fazit: Menschen machen sich Sorgen und vor allem negative Gedanken, auch wenn es ihnen von außen betrachtet in ihren Lebensumständen gut gehen müsste. Sie selbst verstehen oft nicht, warum sie Risikofaktoren haben und was in diesem Fall die wahren Ursachen z.B. für ihren hohen Blutdruck sind. Sie fühlen allerdings, dass es mit den täglichen Belastungen und Sorgen zusammenhängt. Sie spüren, dass sie belastet sind, unter Druck stehen und weniger Lebensqualität haben. Menschen glauben, das gehöre einfach zum Leben dazu. Sie würden viel darum geben, wenn es eine Möglichkeit gäbe, die Belastungen im Alltag so zu reduzieren, dass es ihnen wieder besser geht.
Warum ist es so schwer, die notwendigen Veränderungen im Alltag herbeizuführen?
Welchen Anteil haben die täglichen Stressbelastungen an den Erkrankungen? Haben Stress, Angst, Belastungen, Grübeln und Ärger Einfluss auf die Lebensqualität der Menschen und Einfluss auf den Verlauf der metabolischen Veränderungen?
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Bluthochdruck, Metabolischem Syndrom und den alltäglichen Stressbelastungen?
2.4 Was erleben Ärzte im Wartezimmer?
„Wie viel Prozent aller Beschwerden und Erkrankungen der Patienten in Ihrer Praxis sind mit oder hauptsächlich durch Belastungen, Druck und Stress verursacht?“
Wir haben in einer Umfrage mehr als 1000 Ärzten diese Frage gestellt. Die Antworten waren aus unserer Sicht beeindruckend. Die Schätzungen der Ärzte reichen von 30% bis 90% - je nach Fachrichtung.
Wenn diese Einschätzung der Ärzte mit all ihrer Erfahrung im Wesentlichen zutrifft, wenn Stress und Belastung eine so hohe Bedeutung für die Entstehung von Beschwerden und Krankheiten haben, scheinen uns folgende Fragen wichtig:
Warum gibt es nicht grundsätzlich bei den meisten Erkrankungen eine präzise und systematische Analyse und Diagnostik der Belastungen und Stressfaktoren?
Warum verfügen wir bis heute nicht über spezielle Belastungsund Stresstherapien?
Warum hat sich nicht längst eine Kombinationstherapie aus medikamentöser Therapie und Ursachentherapie durchgesetzt?
Wäre das nicht eines der wichtigsten Anliegen einer Medizin des 21. Jahrhunderts, die Gesundheit aktiv herstellen will?
2.5 Belastungserkrankungen
Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen den Krankheitsbildern?
Gibt es einen generellen Mechanismus, der diese verschiedenen Krankheiten und ihre Entstehung möglicherweise unterstützt?
Warum gehen Patienten zu so vielen Ärzten, oft umsonst?
Ist es medizinisch wissenschaftlich sinnvoll, bei den meisten Krankheitsbildern grundsätzlich mit zu untersuchen und zu analysieren, ob Belastungen, Druck, Ärger und negativer Stress aller Art eine der Krankheitsursachen sind? Bis heute ist das nicht ausreichend geschehen. Während die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Stress als die wichtigste Krankheitsursache weltweit definiert, verfügen wir in Arztpraxen noch nicht einmal über eine systematische Stressdiagnostik.
Die Medizin hat einen der essenziellen Krankheitsauslöser, Stressbelastungen in allen Formen, stark unterschätzt und weitgehend ignoriert.
Vielleicht erklärt das auch die oft geringe Effizienz vieler medizinischer Symptomtherapien und die Hilflosigkeit vieler Ärzte bei diesen Themen.
Vielleicht wissen viele Patienten intuitiv auch, dass Medikamente und Tabletten eher eine vorübergehende Lösung sind. Ist es dann nicht konsequent und verständlich, dass viele Patienten eine ausgesprochen geringe Compliance zu ihrer Therapie aufweisen?
Was wäre, wenn wir in Zukunft in aufwändigen wissenschaftlichen Untersuchungen klären würden, inwieweit hinter fast allen bekannten Beschwerden und Erkrankungen, von der Infektion bis zum Krebs, ein universeller Belastungsmechanismus steckt, der Stressmechanismus?
Was wäre, wenn Belastung grundsätzlich krank macht?
Hätten wir dann ein Modell für eine Medizin der Ursachen?
Hätten wir dann ein neues effektives Modell, Gesundheit zu erhalten und wiederherzustellen?
Wäre das bahnbrechend für die Medizin?
Ist eine Medizin der Ursachen eine Chance für Millionen Patienten?
2.5.1 Der Stressinfarkt und andere Belastungserkrankungen
Wenn Belastungen, Druck und negativer Stress aller Art heute, nach neuestem Stand der medizinischen Erkenntnisse, als Auslöser, damit Ursache und wichtiger Risikofaktor mehrerer Krankheitsbilder gesehen werden, wären folgende Begriffe in Zukunft interessant: Wann sprechen Mediziner von
Stress- oder Belastungsblutdruck,
Stress- oder Belastungscholesterin,
Stress- oder Belastungstinnitus,
Belastungsdiabetes oder Stressdiabetes,
Stress- oder Belastungsinfarkt,
Stress- oder Belastungskrebs,
einer Stress- oder Belastungsdepression,
einer Stress- oder Belastungsallergie, u.v.a.?
Wir verfügen heute über valide Messverfahren für die individuelle situative und chronische Belastung, den Vital- oder Stressindex. Für den Fall, dass jemand im Vitalindex hohe Belastungswerte hat und gleichzeitig Risikofaktoren wie hohen Blutdruck oder eine Erkrankung wie z.B. Diabetes, könnten wir von einem engen, kausalen Zusammenhang ausgehen. Natürlich müssen in einer präzisen Diagnostik möglichst viele Ursachen in Betracht gezogen werden. Wichtig erscheint uns allerdings eine Erkenntnis: viel zu oft werden lediglich die bekannten Risikofaktoren wie genetische Disposition, mangelnde Bewegung, falsche Ernährung, Rauchen und Alkohol genannt. Der Risikofaktor Stress wurde in der Vergangenheit sträflich vernachlässigt. Das Fehlen einer validen Diagnostik und präziser Messverfahren war dafür mitverantwortlich. Beides steht seit kurzer Zeit zur Verfügung, z.B. bei speziell ausgebildeten Ärzten. Es ist an der Zeit, mentalen Stress als Ursache und körperlichen Stress mit der Folge von Schädigungen und Erkrankungen als Symptom in die Reihe der Risikofaktoren mit aufzunehmen.
3 Stressmedizin, eine evidenzbasierte Medizin?
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