In einer Gegenüberstellung der NNT für unterschiedliche Therapieoptionen zeigte sich, dass Therapieerfolge:
durch die Einnahme von Statinen bei KHK-Patienten immerhin bei 165,
bei Gabe eines Betablockers bei 83,
bei einer Raucherentwöhnung schon bei 62 liegen kann.
Die Reduktion der mentalen Stressbelastungen führte jedoch zu einer NNT von nur 25. Dies bedeutet, dass nur 25 Patienten behandelt werden müssten, um bereits ein Ereignis zu verhindern (Kolenka KD., 2005).
Um sich einen Überblick über die vielen Hundert relevanten Studiendaten im Bereich der Stressmedizin zu verschaffen, lohnt die Sichtung der großen Übersichtsartikel, die als Review-Artikel er-schienen sind. Besonders umfassende und erschöpfende Darstellungen liefern Roszanski & Blumenthal (1999) und Dimsdale, J. E. (2008).
Fazit: Recherchen belegen, dass für die Zusammenhänge zwischen Wirkungen und Folgen von Stressbelastungen auf die Gesundheit von Menschen evidenz-basierte Studiendaten vorliegen. Diese schließen sowohl klinische Studien, Metaanalysen, Reviews sowie Daten aus der Grundlagenforschung ein. Darüber hinaus zeigen die Daten ebenfalls erste erfolgreiche Umsetzungen von Stress-Management-Therapien in Studien und deren positive Ergebnisse auf Erkrankungen.
4 Neuromentale Medizin Krankheit beginnt im Kopf - Gesundheit auch
4.1 Was belastet uns im Alltag? - Definitionen
Einerseits gibt es die allseits bekannten Belastungen: Leistungsdruck, Wettbewerb, Ärger, Konflikte mit anderen, Sorgen, Probleme, selbst gemachter Druck, negative Einstellungen, Scheidung, unsichere Zukunft, Verlust des Arbeitsplatzes, Krankheiten, Schicksalsschläge, usw. Andererseits stellt sich die Frage: Ist Belastung individuell? Empfindet jeder Mensch Belastungen subjektiv anders?
Natürlich empfindet jeder Mensch Belastungen unterschiedlich. Das liegt daran, dass jeder unterschiedliche Bewertungen und Einstellungen benutzt. So können zwei junge Familienväter in ähnlicher Situation die Unsicherheit ihres Arbeitsplatzes ganz unterschiedlich bewerten. Je nach Einstellung und Sichtweise erlebt der eine die Situation negativ, macht sich viele Sorgen und leidet darunter, während der andere eher gelassen und selbstbewusst damit umgeht.
Prinzip 1: Die erlebte Intensität der Belastung hängt größtenteils von persönlichen Einstellungen und Bewertungen, also von mentalen Fähigkeiten ab. Sie ist immer individuell.
Prinzip 2: Allgemeine Behauptungen, wie zum Beispiel „Ständige Veränderungen im Beruf belasten und machen krank“, sind nur teilweise zutreffend und wissenschaftlich unzulässig. Für Menschen, die Veränderungen gedanklich negativ bewerten, entsteht eine Belastung. Wer Veränderungen gedanklich als Herausforderung und interessant bewertet, sucht sie vielleicht sogar. Je nach Wahl der Einstellungen können Veränderungen motivieren oder belasten.
Prinzip 3: Um eine Medizin der Ursachen von Belastungs- und Stresserkrankungen zu entwickeln, ist es von entscheidender Bedeutung, sich auf die Messung und Analyse der subjektiven, individuellen Belastung zu konzentrieren, statt Umstände und äußere Einflüsse in den Mittelpunkt zu stellen. Sie allein ist die Messgröße für die Belastungen und Schädigungen im Körper, die später krank machen können. Viel zu lange hat die Stressforschung den Fehler gemacht, äußere Einflüsse und Belastungsfaktoren in den Mittelpunkt der Studien zu stellen, ohne die direkte Wirkung auf den einzelnen Menschen und seine individuelle Belastung zu erfassen.
4.1.1 Ein Test der persönlichen Belastung - DRT
Dieser einfache Test (Daily Risk Test) erfasst einen größeren Teil der alltäglichen Risikofaktoren, die wir eher für normal halten und in ihrer nachteiligen Wirkung unterschätzen. Messungen zeigen erhöhte Belastungen. Das gilt vor allem, weil hinter diesen Faktoren Verhaltensmuster liegen. Sie erzeugen oft und dauerhaft Belastungen im Körper.
Bei mehr als drei Kreuzen empfehlen wir, aktiv etwas für das persönliche Stressmanagement zu lernen.
4.1.2 Die gefühlte Belastung und die große Täuschung
Würde man Menschen im Alltag fragen, wie sehr die oben beschriebenen Dinge wie Druck, stressende Umstände und Erlebnisse sie belasten, bekämen wir häufig die Antworten: „Das macht mir nicht viel aus.“ „Ab und zu rege ich mich auf, aber das geht schnell vorbei."
Eines der wichtigsten Ergebnisse der Stressmedizin ist, dass wir aus verschiedenen Gründen die wahre Belastung völlig unterschätzen. Während im Körper schädigende Reaktionen ablaufen, spüren wir nur einen ganz kleinen Teil davon. Auch ein Raucher fühlt sich in der Regel gut, während der Körper bis hin zum Lungenkrebs geschädigt wird.
Bezogen auf den Stressmechanismus bedeutet das, dass wir die Ausschüttung der Stresshormone, den erhöhten Blutdruck und Puls, die Schwächung des Immunsystems, die Vermehrung der freien Radikale, die Ablagerungen an den Gefäßwänden und viele andere nachteilige Reaktionen im Körper in der Regel nicht und meist nur bei extremen Stressbelastungen als Gefühl spüren.
Genauso wie Raucher kein spürbares und erlebbares Negativgefühl haben, im Gegenteil oft sogar ein gutes, verhält es sich im Prinzip auch bei den meisten belastenden und stressenden Situationen im Alltag. Auch dabei haben wir in vielen Belastungssituationen eher ein gutes Gefühl, wenn wir zum Beispiel Dampf ablassen, jemandem die Meinung sagen, Probleme und Ärgernisse schildern, usw. Wir fühlen uns beispielsweise erleichtert.
Unser Gefühl täuscht uns also gewaltig. Zwischen der erlebten Belastung und der im Körper messbaren und krankmachenden Belastung besteht ein ganz geringer und oft kein Zusammenhang.
Eine 2001 im Manager Magazin veröffentlichte Studie, zeigt: Mehr als 2/3 einer Gruppe von Managern über 45 Jahren hat vegetative Störungen. Mehr als 3/4 der Mitglieder dieser Gruppe denkt, dass ihnen das nichts ausmacht.
4.1.3 Fazit: Glaube also keinesfalls deinem Gefühl
Die wahre Belastung ist um ein x-faches größer als die gefühlte.
Subjektive Einschätzungen der persönlichen Belastung sind weitgehend ungeeignet, um das Risiko für eine Erkrankung durch Belastungen und Stress zu erfassen. Auch scheinbar harmlose Verhaltensweisen wie ein Problemgespräch, sich kurz ärgern oder aufregen, Vorwürfe, schlechte Laune und - wie die neueste Messungen zeigen - sogar einzelne Gedanken an Ärgernisse müssen von nun an ganz anders bewertet werden, nämlich als Risiko für die Gesundheit.
4.1.4 Die messbare Belastung oder die wahre Belastung
Die messbare Belastung ist für eine Ursachenmedizin von größter Bedeutung. Sie zeigt uns die Belastung und Schädigung, die während einer Stresssituation im Körper abläuft. Dabei messen wir heute mit validen Methoden die Reaktion des Körpers auf Stressauslöser wie Ärger, Streiten und viele andere mehr.
Mit neu entwickelten Messverfahren können wir heute für jede Belastung und jede Stresssituation einen Messwert mit einer Zahl ermitteln. Das bedeutet beispielsweise: Der Gedanke an einen Vorwurf belastet den Körper mit einem Wert von 65 Punkten. Wir können diese Messungen jederzeit individuell und in verschiedenen Situationen wiederholen. Das bedeutet auch, dass wir nach einem StressmanagementTraining zeigen können, dass jemand auf diesen Vorwurf nur noch mit fünf Punkten oder gar nicht mehr negativ reagiert. Die Trainingserfolge sind in Zukunft einfach messbar. Auf das Messverfahren gehen wir in einem späteren Kapitel noch genauer ein.
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