Sogar die anderen anwesenden Gäste und selbst das Personal waren begeistert. Lag der Fehler vielleicht ausschließlich bei mir? War ich zu streng mit meinen Maßstäben ?
Wie auch immer, ich beschloss, Zimmermann vorerst nicht mehr zu seinen künstlerischen Darbietungen zu begleiten, sondern ihn für eine Weile zu beobachten.
Die nächste Gelegenheit ergab sich rasch.
Ich saß mit einem Bekannten bei angeregter Unterhaltung in einem italienischen Restaurant,
als sich an einem der Nebentische unvermittelt ein Aufruhr erhob.
Gäste, die neugierig jenen Tisch umringten, um das dortige Geschehen verfolgen zu können,
versperrten uns die Sicht.
Auch mein Bekannter erhob sich, um festzustellen, was der Grund für die offensichtliche
Begeisterung der Menge sei.
Ich kannte den Grund..... trotzdem näherte auch ich mich vorsichtig dem Geschehen, um, gedeckt durch die anderen Anwesenden, Zimmermanns neue Darbietung beobachten zu können:
Dieser saß da, hantierte mit südländischer Eleganz mit seinen Wunderstäbchen, mit deren
Hilfe er mit asiatischer Gleichmütigkeit eine Portion Spaghetti-Bolognese verspeiste!
Damit nicht genug. Durch die Begeisterungsstürme der Zuschauer angefeuert, ließ er sich zu immer neuen Höchstleistungen hinreißen!
Er aß Salate, Eiscreme mit Sahne und was weiß ich noch alles. Alles mit seinen Stäbchen !
Auf die Frage meines Begleiters, ob der Künstler nicht mein Freund sei, leugnete ich kaltblütig jegliche Bekanntschaft mit Diesem.
Es war wie im Traum. Zimmermann war in der Lage, die kompliziertesten Speisen mit diesen beiden primitiven Stäbchen aufzunehmen und zum Munde zu führen.
Ich hätte so Etwas niemals für möglich gehalten. Doch als ich hörte, wie er, am Höhepunkt seiner kulinarischen Laufbahn angelangt, jedoch deren Zenit noch nicht überschritten, nach einer Champignon-Creme-Suppe verlangte, ergriff ich die Flucht....
DER INDISCHE GOTT
Mein Freund Zimmermann ist in letzter Zeit sehr schwer erreichbar.
- Fast unabkömmlich. ... er hat einen neuen Freund!
Nicht, dass ich etwa neidisch oder gar eifersüchtig wäre.
Im Gegenteil - ich freue mich darüber, wenn ich auch nicht verstehe, was Zimmermann veranlasst hat, sich von einem tiefsitzenden Vorurteil freizumachen.
Sein neuer Freund ist nämlich Inder!
Ein fremdländischer Mensch also - und Zimmermann hat bisher allem Fremden äußerst
abweisend gegenübergestanden.
Nun also dieser plötzliche Umschwung!
Sooft ich versuche, mich mit Zimmermann zu verabreden, bekomme ich zu hören, dass er
bereits mit seinem indischen Schützling verabredet sei. Entweder in einem Restaurant zum Essen, oder bei sich zu Hause oder gar im Asylantenheim, in dem der neue Freund lebt.
Endlich gelingt es mir doch, einen – wenn auch nur kurzen – Termin gewährt zu bekommen.
Zimmermann führt mich in sein `Indisches Zimmer ́ ( ! ) und setzt sich – nein – lässt sich
würdevoll auf eine am Boden ausgebreitete Matte nieder!
Mit herablassender Geste bedeutet er mir, mich ebenfalls zu setzen; was ich denn auch – mit weniger Würde – tue.
Mit kerzengerade aufgerichtetem Oberkörper sitzt er da und sieht mir starr in die Augen.
Ich versuche, ernst zu bleiben und frage ihn mit unbefangener Miene nach seinem indischen
Mit theatralischen Gesten berichtet Zimmermann nun über sein erstes Zusammentreffen mit
diesem intelligenten, ja geradezu weisen ( ? ! ) jungen Mann:
Er, Zimmermann, sei bei einem Spaziergange in einem Park ( er drückt es so aus: 'in einem Park gelustwandelt' ( !!! ) ...) mit jenem jungen Inder, der wohl in Gedanken versunken gewesen sei, zusammengestoßen.
Der junge Mann sei, nachdem er Zimmermanns’ ansichtig geworden, über die Maßen
erschrocken, ja geradezu entsetzt gewesen ( Gedankenstrich meinerseits ! ) und habe fortwährend ein indisches Wort – einen Namen, wie er, Zimmermann, nun wisse, gestammelt. Nachdem er sich wieder etwas beruhigt hatte, habe er Zimmermann in gebrochenem Deutsch erklärt, er habe Diesen für einen indischen Gott gehalten.
Mir verschlägt es die Sprache. Zimmermann ..... ein indischer Gott !
Zweifelnd blicke ich ihn an; doch Zimmermann macht keine Witze. Trocken erklärt er mir,
dass der Inder sich immer noch nicht ganz sicher sei, ob es sich nicht doch so verhalte, dass
Zimmermann die Re-Inkarnation jenes göttlichen Wesens sei....
Mit scharfer Stimme fügt er hinzu, dass sich die Asiaten der Tatsache der Wiedergeburt wohl bewusst seien – und er außerdem schon immer das Gefühl hatte, anders als die anderen Menschen zu sein. (Dem muss ich nun voll und ganz zustimmen. Zimmermann ist
tatsächlich nicht wie andere Menschen!)
Ich frage ihn, um welchen Gott es sich denn handle, da es deren ja bekanntermaßen eine
Unzahl gäbe. Er ist verblüfft, denn dieser Tatsache war er sich nicht bewusst.
Ich zähle einige Namen auf: Krishna, Shankar, Indra - doch Zimmermann kann sich beim
besten Willen nicht mehr an den Namen, den sein Freund so entgeistert gestammelt hatte,
erinnern. Er ist nun aber selbst interessiert und will sich heute noch danach erkundigen und
in einer Bibliothek Material über jenen Gott – also sich selbst – besorgen.
Damit ist die Audienz beendet und ich werde gnädig entlassen.
Mehrere Tage vergehen, in welchen ich nichts von meinem göttlichen Freund zu hören bekomme.
Mein Freund Zimmermann ist wieder erreichbar. -- Ist wieder abkömmlich.
Mit dem jungen Inder verbindet ihn eine tiefe Feindschaft und allem Fremdländischen
steht er – wie zuvor – abweisend entgegen.
Zimmermann hat den Namen jenes indischen Gottes erfahren und auch Material über ihn bekommen.
Der Name des Gottes ist H a n u m a n - und er ist der indische Affengott ......
NICHTRAUCHER
Es gibt Augenblicke im Leben, in welchen man sich regelrecht wie ein
Heute vormittag eröffnete mir mein Freund Zimmermann telefonisch, dass er höchstselbst uns Beide zu einer Therapie angemeldet habe.
Einer Therapie, die uns im Zeitraume von lächerlichen drei Wochen von unserer schädlichen
Neigung zum Nikotingenuss sicher und dauerhaft befreien solle.
Außerdem teilte er mir – nun mit leicht erhobener Stimme – mit, dass er nicht gewillt sei, sich auf Diskussionen über dieses Thema mit mir einzulassen - er habe sich für diese Sache entschieden
und dabei bleibe es. Ich solle gefälligst keine Schwierigkeiten machen.
Damit war die Verbindung unterbrochen.
Ich dachte nicht im Geringsten daran, Schwierigkeiten zu machen - ich packte meine Koffer....
Leider gelang es mir nicht mehr, den Flughafen zu erreichen, denn im selben Moment,
in welchem ich mich aus dem Haus schleichen wollte, traf mein böser Geist in einem Taxi – ebenfalls mit gepackten Koffern – ein.
Der hellsichtige Zimmermann in seiner Nächstenliebe hatte – um mich vor Schaden an Leib
und Seele zu bewahren – beschlossen, die verbleibenden zwei Tage bis Therapiebeginn sich
bei und mit mir häuslich niederzulassen.
So sitzen wir uns nun in meinem Wohnzimmer gegenüber – ich mit zusammengebissenen
Zähnen - Zimmermann hingegen in höchster Selbstzufriedenheit.
Standhaft verweigere ich jegliche Unterhaltung. – Für circa fünf Minuten. – Schließlich darf
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