Zum ersten mal in meinem Leben wünsche ich mir, blind zu sein ! Aber ich sehe
ausgezeichnet. – Ich sehe die Wolle auf seinem kugelrunden Kopf und in seinem Gesicht.
Soll ich meinem Grundsatz zur Ehrlichkeit gegenüber meinen Freunden untreu werden und
gegen besseres Wissen behaupten,Zimmermann habe keinerlei Ähnlichkeit mit einer Kokosnuss - oder soll ich dauernde Feindschaft mit ihm in Kauf nehmen ?
Zimmermann wartet...
Ich versuche, einen Scherz zu machen und sage,dass ich ganz verrückt auf Kokosnüsse sei –
und ja auch nicht wisse, welche ganz bestimmte Kokosnuss der Flüchtige gemeint habe..
Zimmermann verzieht keine Miene.
Ich winde mich. Ich will mir eine Zigarette holen, doch die sind in der Küche und Zimmermann steht vor der Türe.
Ich erblicke Zimmermann, angetan mit einem Lendenschurz, auf einem Berg von
Kokosnüssen sitzend. - Er sitzt da und wartet. - Er wird warten bis in alle Ewigkeit.
Ja, sage ich, ja, er habe Ähnlichkeit mit einer Kokosnuss. -
Ich wiederhole es. Ich werde laut. Ich schreie es ihm ins Gesicht!
Er sähe aus wie der Urgroßvater aller Kokosnüsse!
Erschöpft halte ich inne.
Eisiges Schweigen im Raum.
Ich zittere.
Dann endlich - nach einer Ewigkeit, - dreht er sich um und verlässt die Wohnung.
Langsam finde ich wieder zu mir.
Was habe ich getan ?
Wie konnte ich so Etwas sagen? Zu ihm! Zu Zimmermann! !
Sein Leben lang wird er das nicht vergessen . Ich muss von Sinnen gewesen sein! Ich habe
mir Zimmermann zum Todfeind gemacht. Noch seine Enkelkinder werden mit den Fingern
auf mich zeigen und mich verfluchen für die Schmach, die ich ihm - Zimmermann -
bereitet habe ....!
In der Nacht habe ich Albträume.
Tausende von Kokosnüssen stehen vor mir, auf kurzen, krummen Beinchen und klagen
mich an....
Schweißgebadet erwache ich.
Mein Leben ist verpfuscht.
Ich habe keine Zukunft mehr. Zimmermann wird meine Entschuldigung niemals annehmen.
Er hat mich in der Hand...
Am Vormittag klingelt das Telefon. Ich nehme den Hörer ab und erstarre....
Es überläuft mich eiskalt !
- Es ist Zimmermann !!
Nun wird er beginnen, mich langsam, Stück für Stück, zu vernichten......
Doch Zimmermann teilt mir nur freundlich mit, dass er jetzt gleich zum Friseur gehen wird.
Ich bleibe misstrauisch, gehe den ganzen Tag nicht aus dem Haus. Es geschieht nichts....
Am nächsten Tag wage ich es, ihn anzurufen. Er unterhält sich gutgelaunt mit mir --
hat die Sache schon vergessen.
Ich atme auf - kann meinen Flug nach Alaska stornieren und meine Koffer wieder auspacken.
Zwei Tage später taucht Zimmermann bei mir auf. Er ist wütend. Ein weitläufiger
Verwandter hat ihn verunglimpft.
Er hat behauptet, Zimmermann sähe aus wie ein Igelkaktus !
Nun will er meine Meinung hören.
..... Ich höre noch meinen wilden Schrei und das Zersplittern einer Vase, bevor ich in
Ohnmacht falle ....
DER SPINNER
Zimmermann hat einen Affen. - Einen echten, Keinen sogenannten.
Er hat tatsächlich und wahrhaftig einen richtigen, lebenden Affen!
Bei sich zu Hause. Genauer gesagt, in seinem neuen Heim. –
Gewisse Freunde sagen, es sei eine Spinnerei, doch Zimmermann hat mir glaubhaft versichert, dass dies nicht der Fall sei. - Es war eine Notwendigkeit!
Ich bin, nach gründlicher Überprüfung der vorausgegangenen Ereignisse, gezwungen,ihm zuzustimmen. - Es ist tatsächlich keine Spinnerei ......
Alles fing, laut Zimmermann, damit an, dass ihm irgendein entfernterer Verwandter
in seiner Bosheit – testamentarisch und notariell beglaubigt – ein Häuschen im Grünen vermachte.
Was sollte man dagegen tun? Die Sache war hieb – und wasserfest! Keine gefälschte Unterschrift, keine weiteren, neidischen Erben, Niemand, der Zimmermann der Erbschleicherei beschuldigte. Ergo : Zimmermann musste einziehen!
Und, ehrlich gesagt – wie er sagt - zog er sogar gerne ein. Anfangs! Ohne jede Kenntnis des auf ihn Zukommenden.
In seinem Übermute gab Zimmermann sogar eine Party, an welcher ich selbst allerdings nicht teilnahm, da ich mich zu besagtem Zeitpunkte auf Reisen befand.
Nach Zimmermanns Bekunden begann das Übel bereits am Tage der Einweihungsfeierlichkeit.
Die Gäste fanden keine Zeit, lästig zu werden. Alle verließen die Festlichkeit bereits vor dem Abend, denn etwas Anderes war ungemein lästig ..... Die Fliegen !
Zimmermann unterstellt mir ( mir ! ), ich könne mir keine Vorstellung vom Ausmaße dieser
Fliegenplage machen. -- Keine Phantasie reiche aus – auch nicht im Traum, wie er behauptet, sich die Massen der Fliegen vorzustellen, die sich ausgehungert und wie rasend ( Originalton Zimmermann ) auf die Lebensmittel und sogar auf ihn selbst ( !! ) und seine unschuldigen Gäste stürzten!
Was Wunder, dass die ( vielleicht nun ehemaligen ! ) Freunde und Bekannten fluchtartig diesen Ort des grausigen Geschehens verließen. Die Fliegen aber blieben - und mit ihnen – oder, treffender gesagt, mittendrin .... blieb Zimmermann. Hilflos und verzweifelt um sich schlagend.
Empört sieht er mich an, als ich an diesem Punkt der Erzählung - ich bin, wie wir Alle, auch nur ein Mensch; mit einem kleinen Fünkchen Boshaftigkeit - kurz
Selbstredend vergeht mir das Lachen sofort und ich schaue gequält und mitleidend drein, wie es sich gehört.
Zimmermann fährt fort mit der Schilderung seiner persönlichen Apokalypse.
Ich kann ihm ein gewisses Maß an Bewunderung nicht versagen, als ich höre, wie er,stark wie ein Fels in der Brandung, trotz der Widrigkeiten, das neue Heim nicht verlässt, sondern standhaft seinen Platz behauptet. Für mindestens weitere fünf schreckensvolle Minuten!
Dann siegt der Verstand...
Zimmermann verlässt die garstige Stätte und zieht für zwei Tage -- seine alte Wohnung hat er ja vorschnell aufgelöst – in ein Hotel.
In diesen zwei Tagen zermartert er sein Hirn und vollbringt wahre Meisterleistungen der
technischen Planung, um einen Weg zu finden, der lästigen Fliegen und somit seines eigenen
- Nach Hunderten von erdachten und verworfenen Plänen schält sich die einzig mögliche und
geradezu genial erdachte Lösung des Problems heraus. –
Zimmermann ist selbst von sich begeistert!
Wer anders als er selbst könnte auf solch einen Gedanken kommen? Wer anders als
Zimmermann diesen geradezu diabolischen Plan entwerfen?!
- Im Geiste sehe ich ihn, weiß bekleidet, ein Reagenzglas in der Hand, einen hinkenden
Pferdefuß hinter sich her schleppend, zwischen lodernden Feuern umherwandern. –
Zimmermanns Nonplusultra sind Spinnen !
Kleine (zuweilen auch etwas größere ) niedliche Tierchen mit zierlichen Beinchen. –
Man setzt sie in der Wohnung aus, so Zimmermanns komplizierter Gedankengang -
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