Noch ehe sich Mora per Bildfunk bei dem inzwischen verstärkten Einsatztrupp meldete, sagte er: „Die Cryo-Tanks stehen im ersten Raum im linken Teil des Kellergeschosses – Major Ries ist sich sicher, dass er deren Energieemissionen genau dort angemessen und lokalisiert hat.“
„Worauf warten wir dann noch?“, fragte Alex eher rhetorisch, als er sich schon mit General Lange und den beiden Kommandotrupps in der gleichen Formation der Sicherungskräfte, wie zuvor, über die Treppe nach unten in Bewegung setzte.
„Wir folgen mit etwas Abstand“, nickte Oskar 1 den beiden Ärzten, seinen medizinischen Androidenkollegen und den wartenden Technikern zu, ehe er mit ihnen zusammen nach rund zehn Minuten ebenfalls den Abstieg in die Tiefe der ehemaligen Raumhafenzentrale begann.
Als der vorausgeeilte Kommandotrupp auf der im Plan bezeichneten Kelleretage eintraf, öffneten sich auch dort die Schleusentüren wie von Geisterhand. „Wir haben den Raum gefunden“, meldete sich Alex sofort. „Hier stehen fünf Sarkophage, die mit Kabeln und Schläuchen mit einer technischen Anlage im Nebenraum verbunden zu sein scheinen. Wir gehen jetzt rein.“
Erst nach einiger Zeit meldete sich Alex mit seinem Kommandotrupp wieder per Bildfunk bei Mora. „Es tut mir leid, euch das berichten zu müssen, aber wie es scheint, sind mindestens drei der fünf Überlebenden inzwischen tot. Die Cryo-Kapseln, in denen sie sich derzeit noch befinden, scheinen leider nicht korrekt funktioniert zu haben.
Wir sehen hier aber – neben den drei Skeletten, die merkwürdigerweise noch immer ihre Uniform tragen – zwei unversehrte Tanks, in denen eine unbekleidete Frau und ein ebenfalls unbekleideter Mann liegen. Und wenn ihr mich fragt, ist der Mann unser aus dem Holovideo schon bekannte Admiral.“
„So, wie es aussieht, hatten die drei Verstorbenen – aus welchem Grund auch immer – keine Zeit mehr, sich ihrer Bekleidung zu entledigen und der Einfriervorgang hat bei ihnen deshalb scheinbar nicht richtig geklappt“, meinte Oskar 1 jetzt nachdenklich. „Wir sollten deshalb beim Reanimieren der beiden Überlebenden sehr bedachtsam vorgehen und alles tun, um eventuelle Gefahren auszuschließen – immerhin ist diese Anlage seit vielen Millionen Jahren nur mit den angeschlossenen Atombatteriebänken in Betrieb.“
„Stellt sich die Frage, ob wir das hier vor Ort machen können, oder ob wir die Tanks ausbauen und an Bord der KUNTUR bringen müssen?“, ließ sich Alex vernehmen.
„Transport kommt nicht in Frage“, entgegnete Oskar 1 sofort. „Wenn wir diese beiden Cryo-Tanks von ihren Versorgungseinheiten trennen, kann niemand garantieren, dass die beiden Eingefrorenen das überleben werden. Wir haben ja nichts dabei, an das wir die beiden Tanks bei einer Verlegung in die KUNTUR anschließen könnten.“
„Also gut, dann müssen wir das Öffnen der Tanks hier bewerkstelligen“, erwiderte Alex sofort. „Lassen wir also jetzt mal unsere Ärzte und Medizintechniker ihre Arbeit tun. Der von dir entschlüsselte Plan scheint dabei ja durchaus hilfreich zu sein.“
Es dauerte gleichwohl noch etliche Stunden, ehe Professor Steiner und Dr. Herbert Schmidt, zusammen mit den Medizintechnikern unter der Leitung von Mara 1 und Mara 7 endlich die Tanks mit den inzwischen aufgetauten Körpern der beiden Unglücklichen von PHAETON öffnen konnten.
Unverzüglich schlossen sie deren ausgemergelte Körper nach dem Aufbau eines mit Feldschirmen abgeschotteten Sauerstoffzelts an ein mitgebrachtes Lebenserhaltungssystem an und versetzten die beiden Überlebenden in ein künstliches Koma.
„Puls und Herzschlag sind jetzt einigermaßen stabil“, meldete sich Mara 1 rund sechs Stunden, nachdem die Mediziner auf CERES abgesetzt und die unterernährten Patienten aus ihren Eissärgen befreit worden waren. „Die beiden sind jetzt hinreichend transportfähig, um sie in Raumanzüge zu stecken und auf unser Schiff zu bringen“, ergänzte Professor Steiner die Rede seiner Kollegin.
„Besatzung der KUNTUR-5, die beiden Überlebenden bergen und dann fertigmachen zum Abrücken“, befahl Alex daraufhin sofort. „Und wir anderen suchen jetzt noch im oberen Stockwerk nach den vom Raumhafenkommandanten erwähnten Datengeräten, die damals den Angriff der Insektoiden und die darauffolgende Katastrophe aufgezeichnet haben.“
„Ihr habt‘s gehört. Auf geht’s!“, befahl General Lange gleich darauf seinen beiden Kommandotrupps. Als das ursprüngliche Erkundungskommando zusammen mit Oskar 1 wieder in der großen Einsatzzentrale des ehemaligen Raumhafens angekommen war, ging die Fahndung nach den gesuchten Datenspeichern weiter.
„Ich glaube, dass die kastenförmigen Metallbehälter im Nachbarraum dieser Halle gar keine Schränke sind“, meinte David Barton, der Führer des 2. Kommandotrupps nachdenklich, sobald die Mitglieder des Erkundungskommandos die ehemalige Raumhafenzentrale wieder betreten hatten.
„Wie kommst du darauf?“, fragte Alex umgehend. „Na ja, mir sind halt bei der Suche vorhin die vielen nicht mehr funktionierenden Signallampen an deren Vorderseite aufgefallen“, meinte Oberleutnant Barton direkt. „Sehen wie ausgebrannte LEDs 12aus. Rot, gelb, grün und blau“, ergänzte er gleich darauf.
„Komm mit – wir sehen uns das mal genauer an“, erwiderte Alex als er den Führer des 2. Kommandotrupps beim Arm packte und sich von ihm in den bezeichneten Nebenraum der großen Halle dirigieren ließ.
Dort angekommen, sah Alex die Diagnose von Oberleutnant Barton bestätigt. „Oskar 1, bitte hierher zu mir – ich glaube, wir haben den gesuchten Speicherblock gefunden“, rief er gleich anschließend in sein am Kragen befestigtes Mikro. Nur Sekunden später scannte der herbeigeeilte Oskar 1 das von David Barton entdeckte Metallgebilde.
„David hat Recht, das sind keine Schränke, sondern vielmehr so etwas, was ihr auf der Erde als Datenserver bezeichnen würdet. Und soweit ich das an dieser von mir gerade freigelegten Schnittstelle sehe, hängen diese Speicher an einem nicht mehr funktionierenden Notstromnetz. Das heißt, die Daten und Bilder von damals sind noch immer vorhanden. Ich schließe jetzt Batterien an, damit ich die Speicherinhalte kopieren und an die KUNTUR übertragen kann. Das Ganze wird aber einige Minuten in Anspruch nehmen.“
„Klasse Oskar, was wären wir nur ohne deine besonderen Fähigkeiten“, erwiderte Alex lächelnd. „Da wir beide und die Kommandotrupps von General Lange die Letzten auf CERES sind, sollten wir uns dennoch beeilen, sonst fliegt unsere KUNTUR noch ohne uns ab.“
Kaum war der letzte Shuttle wieder eingeschleust, nahm die KUNTUR auf Moras Befehl hin erneut Fahrt in Richtung des außerplanetarischen Raums auf.
In der medizinischen Abteilung des Schiffs herrschte unterdessen Hochbetrieb. Professor Steiner und seine medizinischen Assistenten sowie die Medizinandroiden unter der Leitung von Mara 1 bemühten sich mit allen verfügbaren Mitteln, um das Leben der beiden geborgenen Überlebenden der PHAETON-Katastrophe zu retten.
In den folgenden Stunden des Flugs hatte die KUNTUR nicht nur den mit CERES und VESTA unmittelbar vor dem Schiff stehenden Asteroidengürtel unterflogen, sondern auch den weitestgehend aus Eisbrocken bestehenden Kuiper-Ring passiert. Auf den Frontbildschirmen zeichnete sich jetzt bereits in einiger Distanz die bislang weitgehend unerforschte Kugelstruktur der sogenannten Oortschen Wolke ab.
„Verbindung zur Erde ist soeben abgerissen – aber die auf CERES sichergestellten Daten konnte ich noch komplett an unsere Einsatzbasis auf der Erde übermitteln“, meldete Oskar 1 gerade aus der Funkzentrale, als sich das Schiff mit herabgesetzter Geschwindigkeit vorsichtig den Eisgebilden näherte, die das gesamte Sol-System umgaben.
„Okay Oskar, dann haben Hans Huber, Viktor, Susanne und dein Kumpel Oskar 3 ja jetzt genügend Stoff, um das Projekt CERES nach Auswertung der neuen Erkenntnisse voranzutreiben. Und das die Kommunikation mit der Erde am Rand unseres Sonnensystems zusammenbricht, war ja zu erwarten“, meinte Mora mit einem zufriedenen Lächeln.
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