Langsam ließ der Markgraf die letzten Tage nochmals an sich vorüberziehen. Hier konnte er sich nicht verstecken. Der Abt schien ihm nicht wohlgesonnen. Doch um dieses Problem konnte er sich später kümmern. Zunächst galt es, seine Macht in Meißen wieder zu festigen. Danach würde er den Bischof darum bitten, in Altzelle einem anderen Mann der Kirche das Amt des Abtes zu übertragen.
Mit zwei großen Schritten eilte Albrecht zur Tür, öffnete sie trotz seiner Schwäche mit einem großen Schwung und rief nach seinem Leibdiener Hugold.
Dieser schien in unmittelbarer Nähe gewartet zu haben. Albrecht erspähte ihn im Halbdunkel. Dass er ein wenig erschrocken war, da der Diener so unvermittelt vor ihm stand, ließ er sich nicht anmerken. „Gehe zum Abt und teile diesem mit, dass ich noch heute Morgen aufbrechen werde. Ich brauche Proviant für mehrere Tage. Richte ihm aus, er soll alles vorbereiten. Und er soll sich sputen, ich habe keine Zeit zu verlieren. Danach komme wieder und packe meine Truhe. Und schicke mir Henzo!“, rief er dem davoneilenden Diener nach.
Albrecht hatte einen Entschluss gefasst. Er wollte unvermittelt nach Freiberg aufbrechen. In der dortigen Burg des Stadtvogtes konnte er in Ruhe überlegen, wie er weiter vorgehen sollte. Er wollte einen Brief an seinen Verbündeten, Ottokar Premysl schicken. Die gerade erst verstorbene Markgräfin Sophie war eine Nichte Ottokars und seine Schwester Adela die Gemahlin des Böhmen. Auch war dieser gar nicht gut auf den Kaiser zu sprechen, da Heinrich ihm die böhmische Herzogswürde im letzten Jahr wieder entzogen hatte. Zu offen bekundete Ottokar seine Sympathie für die Welfen. Lediglich das Markgrafentum Mähren war ihm gelassen worden. Ottokar schuldete ihm also Loyalität. Albrecht wollte sich auf die nahen verwandtschaftlichen Beziehungen berufen, auch wenn er diesen böhmischen Schwager auf den Tod nicht ausstehen konnte.
Kurze Zeit später klopfte es an die Tür und ohne die Antwort des Markgrafen abzuwarten, kam Hugold herein, um die Sachen Albrechts zusammenzupacken. Albrecht hatte immer noch Magenbeschwerden, das Mittel des Arztes schien doch nicht recht gewirkt zu haben. „Hugold, gehe noch einmal zu Meister Ambrosius und bitte ihn um einen Vorrat des Pulvers, dass er mir verabreicht hat. Ich werde es brauchen, wenn wir nach Freiberg reisen.“
Der Diener nickte und fuhr schweigend fort, die Sachen seines Herrn in die Truhe zu legen. Als er fertig war, wies Albrecht ihn an, das Gepäck auf einem Wagen zu verstauen. Es klopfte und auf Albrechts Aufforderung hin betrat der Abt die Kammer.
„Wo werdet Ihr Euch hinbegeben, Euer Durchlaucht? Gibt es irgendetwas, womit ich Euch dienen kann?“, fragte er. Albrecht hielt das für pure Scheinheiligkeit, äußerte sich allerdings nicht dahingehend.
„Ich reise nach Freiberg, um dort einige Geschäfte zu erledigen. Ich hoffe, ich erhalte von Euch bald gute Nachricht über das Grabgelege meiner Frau. Ich möchte, dass die besten Steinmetze der Bauhütten für sie eine Grabplatte herstellen, die ihre Größe und ihre Schönheit wieder auferstehen lassen. Mehr kann ich nicht für sie tun. Und jetzt, wo der Schatz sich wieder in Euren Händen befindet, sollte das nötige Geld wohl vorhanden sein.“
„Ich werde mich darum kümmern, Euer Durchlaucht“, antwortete Matthäus, sichtlich verstimmt darüber, dass Albrecht die Kosten für das Grab dem Kloster auferlegte. Und so konnte er sich den Spott in seinen nächsten Worten nicht ganz verkneifen. „Die Markgräfin war eine sehr fromme Frau. Sie hat es wahrlich verdient, dass man ihr ein Andenken setzt.“ Der Abt verbeugte sich vor dem Markgrafen, der die Ironie in der Antwort des Abtes gar nicht zu bemerken schien und verließ langsam den Raum.
Albrecht wandte sich zur Tür. Da fiel ihm wieder ein, dass er den Abt eigentlich fragen wollte, was dieser mit seinem Ritter zu besprechen gehabt hatte. Nun gut, musste er eben Henzo selbst fragen.
Der Morgen war schon weit fortgeschritten, die Sonne stand bereits hoch am Himmel und versprach wieder einen heißen Tag. Die Ritter und Waffenknechte stöhnten unter der Last ihrer Kettenhemden und fürchteten den weiten Ritt in der Mittagsglut. Im Verlaufe des Vormittages verschlechterte sich der Zustand Albrechts. Seine Magenbeschwerden wurden schlimmer und es musste immer wieder eine Rast eingelegt werden. Mehrmals ließ er sich von Hugold einen Trank reichen, der mit dem Pulver des Arztes versetzt war. Doch wollte es ihm keine Linderung verschaffen. Im Gegenteil, irgendwie schien sich das Brennen in seinen Eingeweiden zu verschlimmern. Erst spät am Abend erreichte der Trupp die Burg von Freiberg. Der Markgraf begab sich sofort in die für ihn vorbereiteten Gemächer, ohne noch ein Wort mit einem seiner Ritter gesprochen zu haben. Nur Falk von Schellenberg begleitete ihn, um die Dienste eines Knappen zu verrichten. Falk half ihm aus dem Kettenpanzer und der Kotte, wusch ihm Gesicht und Hände mit dafür bereitgelegten Tüchern und hüllte ihn in ein weiches wollenes Gewand. Ächzend sank der Graf auf sein Lager, das reich mit weichen Kissen bedeckt war.
„Ich danke dir, Junge. Ich habe wahrlich nicht sehr viele Menschen hier, denen ich vertrauen kann und die sich um mein Wohl scheren“, sagte Albrecht in vertraulichem Ton. Eine fahle Blässe überzog sein Gesicht, Schweißtropfen hatten sich auf seiner Stirn gebildet und ein eigentümlicher Geruch ging von seinem Körper aus.
Falk war Albrecht bereits in Meißen aufgefallen. Oft sah er, dass dieser sich bei den Übungen unter Tizo sehr geschickt anstellte. Nicht selten beobachtete er von seinem Fenster im Söller wehmütig die jungen Kämpen, wenn sie mit den Waffen übten. Das Schicksal verhinderte, dass er Söhne bekam. Die Ehe mit Sophie hatte nicht zum Besten gestanden und nur selten suchte er in den neun Jahren ihrer Ehe ihr Bett auf.
Doch nun war es zu spät. Vielleicht würde er sich, nach dem Sieg gegen seinen Bruder, ein neues Eheweib suchen.
„Es ist gut, du kannst gehen“, sagte er zu Falk. „Aber halte dich in der Nähe, falls ich in der Nacht etwas brauche. Ich traue meinem Diener nicht. Den ganzen Tag schon schlich er um mich herum und hat mich lauernd beobachtet.“
„Wie Ihr befehlt, Herr“, sagte Falk bescheiden und zog sich mit einer Verbeugung zurück. Er konnte sein Glück kaum fassen, dass der Markgraf ihn seinem Leibdiener vorzog. Vielleicht konnte er für immer in der Umgebung Albrechts bleiben und würde von diesem selbst sogar zum Ritter geschlagen.
Gegen zwei Uhr morgens verschlechterte sich der Zustand Albrechts derart, dass man sein Stöhnen auch auf dem Gang vor der Kammer hören konnte. Er befahl Falk, ihm noch mal einen Trunk zu bringen. Gegen morgen wies er ihn an, alles für seinen sofortigen Aufbruch nach Meißen vorzubereiten. Eine böse Vorahnung beschlich Albrecht. Hatte man ihm gar Gift verabreicht? Oder litt er in der Tat unter einer Krankheit? Vielleicht hatte er nur etwas Verdorbenes gegessen oder sich eine Erkältung zugezogen? An diese Möglichkeit klammerte sich Albrecht mit aller Inbrunst. Er wollte doch lieber nach Meißen zurück, um seine Geschicke in die richtigen Bahnen lenken zu können. Jetzt durfte er keine Schwäche zeigen. Von Meißen aus wollte er ein Heer sammeln und gegen seinen Bruder und dessen Schwiegervater ziehen. Er würde Weißenfels diesmal einnehmen und dem Erdboden gleichmachen. Und sollten die Feinde ihn zu arg bedrängen, bestand sein Plan darin, auch in Meißen verbrannte Erde zurücklassen. Was bedeuteten schon ein paar Häuser oder Felder. Hier ging es um mehr, galt es, die Macht zu erhalten.
„Hilf mir auf, ich schaffe es nicht allein.“ Falk versuchte, Albrecht auf das Pferd zu hieven, aber der Markgraf war einfach zu schwach und konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten.
„Vielleicht wäre es für Euer Durchlaucht bequemer, in einer Kutsche zu reisen?“, fragte er vorsichtig. „Bestimmt geht es Euch morgen besser und ihr könnt wieder reiten.“
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