Dass mein Chef ein Schlitzohr war und nur einen Dummen suchte, welcher den Umzug fährt, war mir bewusst. Ich mochte ihn aber dennoch sehr gerne, denn er war ein liebenswertes Schlitzohr. Außerdem wusste ich, dass er es auch nicht einfach hatte. In diesem Gewebe herrscht ein großer Kampf und so musste auch er mit jedem Euro rechnen. Er gab mir noch ein recht ordentliches Spesengeld und wir waren uns einig.
Am Sonntag darauf saß ich zu Hause beim Frühstück. Es war ein schöner warmer Tag. Ich hatte es mir gemütlich gemacht, Musik aufgelegt und nachgedacht, wie ich wohl meinen Tag verbringen werde? Wie so oft, dachte ich an Maria und nach langem überlegen, beschloss ich, sie zu besuchen. Es gab nur zwei Möglichkeiten. Entweder sie ist bereits wieder in ihre Heimat zurückgekehrt oder sie würde arbeiten, denn es war Sonntag. Ich hoffte, dass sie arbeiten und dabei sein würde, Salate für das Mittagsgeschäft zu fertigen.
Also zog ich mir eine Jeans an, ein weißes Hemd darüber, krempelte die Ärmel halb nach oben und schlüpfte in meine Biker-Boots. Meine Lieblingsschuhe – gefertigt aus Büffelleder mit flacher Spitze.
Schon auf dem Hinweg versuchte ich, mir zurecht zu legen, was ich denn sagen werde? Irgendwie wollte mir jedoch keine plausible Erklärung einfallen, warum ich nach so vielen Wochen plötzlich auftauchte. Also musste es eben ohne Plan gehen.
Ich fuhr in das Lokal und fand sie tatsächlich in der Salatküche. Vollkommen überrascht blickte sie mich mit großen Augen an.
>>Hi Tom, was machst denn Du hier, ich dachte, Du arbeitest hier nicht mehr?<<
Ich wusste nicht, wie ich beginnen sollte? Also sagte ich nur.
>>Ach weißt du, ich habe gerade an dich gedacht und wollte dich einfach einmal besuchen kommen<<
Eine ganze Weile unterhielten wir uns über ihre und meine Arbeit und wie es uns in den letzten Wochen ergangen war. Mit zögerlicher Stimme fing ich dann an, mit der Sprache herauszurücken.
>>Ich fahre in zwei Wochen nach Neapel, hast du Lust mit zu kommen?<<
Peng, es war raus. Von hier ab gab es kein zurück mehr.
>>Was? - was soll ich denn in Neapel,<< fragte Maria mit gehobener Stimme?
>>Naja, mit mir mitfahren und Dir ein paar schöne Tage machen. Ich muss nur etwas abliefern und habe dann drei Tage frei. Wir könnten uns das Land ansehen<<
>>Ich kann doch nicht mit einem fremden Mann nach Italien fahren, außerdem glaube ich nicht, dass ich frei bekomme<<
Ich druckste herum und überlegte, welches Argument ich denn hervorbringen konnte, um sie zu überreden?
>>Wenn du ja sagst, gehe ich zu deinem Chef und regle deinen Urlaub, OK?<<
>>Du bist verrückt, dass habe ich schon immer gesagt<< meinte Maria und lachte.
Mit dieser Antwort wollte ich mich allerdings nicht zufrieden geben und hakte nach.
>>Und, was sagst du nun zu meinem Vorschlag?<<
Ich konnte nicht erkennen, ob es Verlegenheit oder gar Angst war. Maria sagte, dass sie es sich überlegen wolle.
Ich war nun schon soweit gegangen, da setzte ich alles auf eine Karte und bat noch um ihre Handynummer. Da ich ja nun als Fernfahrer arbeitete, war ich selten zu Hause und brauchte selbstverständlich ihre Nummer.
Um so mehr verwundert war ich, als sie mir ihre Nummer sofort bereitwillig gab.
In diesem Augenblick kam der Chef um die Ecke, meckerte wie immer an ihr herum und ermahnte sie, schneller zu arbeiten. Natürlich hatte er auch für mich ein paar freundliche Worte übrig – warum ich gerade jetzt während der Arbeitszeit komme und andere von der Arbeit abhalte?
>>Er hat sich kein Stück verändert, seit ich hier weg bin<< sagte ich leise zu Maria, als er wieder verschwunden war.
Was für eine Aussage er da auch machte. Marias Arbeitszeit war zu Ende, wenn das Lokal geschlossen hatte und alles wieder sauber war. Also, gegen halb zwei in der Nacht. Sollte ich vielleicht um diese Uhrzeit kommen und klingeln?
Ich verabschiedete mich rasch von Maria und machte mich wieder auf den Heimweg.
Ein Kribbeln im Bauch begleitete Tom, als er zu seinem Wagen ging. Es ist schwer zu sagen, was er dabei fühlte, doch insgeheim zog ihn bereits seit seiner ersten Begegnung mit Maria, etwas zu ihr hin.
Nur traute er sich nie, ihr auf diese Weise näher zu kommen. Schließlich war er elf Jahre älter als sie. Was sollte eine so wunderschöne Frau mit einem so alten Kerl wie ihm anfangen?
Außerdem war sie ja Slowakin und würde irgendwann wieder zurück in ihre Heimat gehen wollen. Denn die Saison würde nicht ewig dauern.
In den Wochen während Toms Abwesenheit, gab es zwei Kellner an Marias Arbeitsplatz, welche ihr ebenfalls den Hof machten. Sie verstand die Welt nicht mehr. Nun kam sie bereits seit zwei Jahren hierher um zu arbeiten, doch niemand interessierte sich für sie. Und auf einmal, sind drei Männer gleichzeitig hinter ihr her.
Maria wusste nicht, wie sich verhalten sollte? Tom war immer nur ein guter Arbeitskollege für sie, nichts weiter. Wie kam er gerade jetzt auf die Idee, sie anzusprechen? Maria war nicht bereit für eine Beziehung und schon gar nicht hier in Deutschland.
Ich sollte meine Entscheidung nicht bereuen, als ich am darauf folgenden Tag eine SMS mit dem Text bekam.
>>Hi Tom, soll ich wirklich mitfahren?<<
Ich war gerade auf dem Weg zu einer Spedition um meinen LKW zu beladen und schrieb zurück:
>>Du sollst nicht, ich bitte dich darum<<
Nach quälenden Minuten des Wartens, kam dann die ersehnte Antwort.
>>OK, ich fahre mit. Aber ich rede selbst mit meinem Chef<<
Im ersten Augenblick wusste ich gar nicht, wie mir geschieht? Es dauerte etwas, bis ich es verarbeitet hatte. Zwar wäre es mein größter Wunsch gewesen, doch insgeheim glaubte ich nicht daran, dass Maria mitfahren würde. Ich musste still vor mich hin grinsen und hätte am liebsten die ganze Welt umarmt.
Denn in punkto Frauen, hatte ich nie ein glückliches Händchen. So hatte ich bereits eine gescheiterte Ehe und diverse kurze Liebeleien hinter mir.
Bei Maria jedoch war ich mir sicher, dass sie die Richtige sein könnte. Es ist schwer zu sagen, warum ich so dachte. Es war mehr ein Bauchgefühl. Eva war eine wunderhübsche und fleißige Frau und nie kam ein böses Wort über ihre Lippen.
Ich hatte nichts eiligeres zu tun, als mir ein Wörterbuch für slowakisch-deutsch zu kaufen und mit dem Lernen der Sprache zu beginnen. So gingen die darauf folgenden Tage dahin wie im Flug.
Während der Fahrten in meinem LKW schrieb ich SMS in slowakisch und blätterte gleichzeitig auch noch im Wörterbuch um die richtigen Worte herauszukramen.
Manch einer, der hinter mir fuhr, musste denken ich sei betrunken. Denn die Schlangenlinien welche ich dabei fuhr, ließen mich manches Mal selbst erschrecken. Nicht nur einmal entkam ich knapp dem Straßengraben.
So passierte es des öfteren, dass wir uns bis in die Morgenstunden schrieben, bis Maria vor Erschöpfung wegen dem vergangenen Tag einfach einschlief. Ich bemerkte es immer, wenn plötzlich keine Antwort mehr von ihr kam.
Wir verhielten uns wie Teenager. Es wurde über belanglose Dinge geschrieben, Hauptsache wir konnten uns irgendwie unterhalten. Obwohl es bis dahin nicht meine Art war, wurde mein Handy zu meinem ständigen Begleiter.
Je näher der Tag unseres Ausflugs rückte, desto aufgeregter wurde ich. Die Kabine meines LKWs wurde auf Hochglanz gebracht, die Schlafkabine gerichtet und das Bett neu bezogen. Zwar war auch vorher immer alles sauber, aber ich wollte auf Nummer sicher gehen.
Ich hatte wieder ein Ziel vor Augen und wusste nun wieder, warum ich jeden Morgen aufstand.
Ich schrieb Maria, dass sie bitte auch für alle Fälle, einen Bikini mitnehmen solle.
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