Was ihm allerdings nicht einleuchtete, aber er musste es ohne wenn und aber hinnehmen und akzeptieren. Corinna stellte für ihn allmählich eine Autoritätsperson dar, die ihren eigenen Kopf besaß.
Sie dachte bei sich: Gelegenheit macht Diebe, führt allerdings auch in Versuchung. Ich lasse mich nicht unterkriegen. Da könnte ja jeder daherkommen und mich ansprechen. Wo käme man da hin? Mir ist Sex unwichtig. Ich bin keine solche. Ich habe ein Rückgrat in solchen Dingen. Ich bin nicht haltlos. Wenn es sein muss, dass er mir zu sehr zusetzt, kann ich auf Liebe ganz verzichten, so wie ich bisher Verzicht leisten und Opfer bringen musste, weil ich die Männer, die ich aus Profitgier heiratete, nicht liebte. Im Grunde gefiel mir keiner der drei Ehemänner so richtig. Alle ließen mich im Grunde kalt. Ich schauspielerte ihnen nur etwas vor, auch im Bett, so wie in einem Film sozusagen, was ja auch Bände spricht, dass ich für die Schauspielerei geboren bin.
Trotzdem sagte sie sich auch: Nach diesem Film werde ich mich wieder vom Filmgeschäft zurückziehen und meiner eigenen Wege gehen, denn die ganze Sache liegt mir doch nicht, sagt mir im Grunde nicht zu. Man hat offenbar bei dieser Filmkunst mit allmächtigen Regisseuren zu tun, die einem als Frau etwas anhaben wollen. Ich habe erfahren, es wird mir auf Dauer nicht behagen. Nur die große Neugierde trieb mich hin zu dieser Filmkunst. Jetzt allerdings bin ich geradezu entsetzt, wie mich alles um das Filmen herum langweilt. Mir tun die armen Leute, die in diesem Geschäft arbeiten müssen, total leid. Ich bewundere sie, dass sie es auf Dauer aushalten können.
Sie fuhr nach einem Stadtbummel zurück in ihr kleines Häuschen, das sie sich mit viel Fantasie nach ihrem Geschmack eingerichtet hatte. Alles dort atmete Wohlstand und Bequemlichkeit, wenn auch Einsamkeit.
Als der Film endlich fertiggestellt war und auch die Tonaufnahmen ruhten, wurde der Film durch Schnitte vervollständigt und fertiggestellt. Zwei Monate lang war man damit beschäftigt, bis er im kleinen Kino im Filmstudio erstmals uraufgeführt und auch Corinna Bromberg eingeladen wurde. Der Film begeisterte alle Anwesenden. Befriedigt feierte man den Erfolg bis tief in die Nacht hinein.
Bevor sich die Gesellschaft auflöste und Corinna das Filmstudio verließ, trat ihr noch der Regisseur in den Weg und sprach sie an: Corinna Bromberg, ich möchte Ihnen danken für Ihre Mitwirkung, Sie haben Ausgezeichnetes geleistet. Ein toller Film ist uns gelungen. Alle sind von Ihrer schauspielerischen Darstellungsweise und Leistung begeistert. Möchten Sie nicht wieder einmal mitspielen? Soll ich mich bei Ihnen melden, wenn ich wieder ein Filmprojekt ins Auge fasse? Bitte sagen Sie ja, ich verliere Sie ungern.
Nein, sagte sie, das möchte ich lieber nicht mehr.
Schade, meinte er. Aber darf ich Sie dann wenigstens hin und wieder treffen?, fragte Rudolph fast flehentlich. Corinna sah ihm seine große Enttäuschung an.
Das schon, sagte sie nach einer kurzen Pause, ich habe nichts dagegen.
Das freut mich sehr, brach es aus ihm heraus. Also werde ich Sie gelegentlich anrufen; dann können wir etwas ausmachen; denn ich möchte Sie nicht ganz aus den Augen verlieren. Ich glaube nämlich, wenn mich nicht alles täuscht, ich habe mich bereits in Sie verliebt.
Corinna lächelte bloß, aber sagte sonst nichts dazu.
Er hatte vermutlich schon längst gemerkt, dass auch sie Feuer gefangen hat.
Dann begleitete er sie noch außer Haus, wo sie sich hinter einem Baum zum ersten Mal küssten, bis ein Taxi kam und Corinna mitnahm.
Eine Liebschaft begann zwischen beiden, die erste in Corinnas Leben. Sie hatte ihre Zurückhaltung plötzlich aufgegeben, da sie annahm, mit dem Ende der Filmaufnahmen wäre nun auch die Liebe am Ende und das durfte einfach nicht sein. Dies wäre ewig schade gewesen, denn man liebt nur einmal im Leben, war ihre Auffassung. Aber vorläufig wollte sie mit ihm noch nicht intim werden, nein, das wirklich nicht, sondern das Intime möglichst lange hinauszögern, um ihn zuvor richtig kennenzulernen.
Vor dem Einschlafen dachte sie noch scharf nach: Wenn er hört, dass ich schon ein paarmal verheiratet gewesen bin, ist das schlecht. Ich tue gut daran, es ihm zu verschweigen. Ich brauche es doch nicht an die große Glocke zu hängen. Wer schreibt mir das vor? Verschwiegenheit ist sowieso eine Tugend. Außerdem muss er nicht alles wissen. Also beruhige dich und habe kein schlechtes Gewissen! Es wäre ja ein Verrat an mir selber. Auch dass ich reich bin, geht ihn im Grunde nichts an. Corinna stifte kein Unheil, sagte sie zu sich selber, Geldgier erwacht sonst bei ihm. Wurde nicht die weiße Dame von ihrem geldgierigen Ehemann erstochen, so nimmt man wenigstens an. Nein, das darf er nie erfahren; der Gedanke ans Geld verdirbt jeden Menschen, auch die sonst guten Leute. Lieber als reich, will ich vor ihm ärmlich erscheinen. Vielleicht führt meine allzu elegante Aufmachung, mein teurer Schmuck ihn auf den Gedanken, ich müsste eine Millionärin gar sein? Kann sein. Wie recht er dabei hätte. Er sieht überaus schlau aus. Vielleicht ist er ein Kaltblut. Wer weiß? Die Verstellungskunst mancher Menschen kann riesengroß sein, habe ich mit den Jahren im Umgang mit Menschen erfahren. Oh, wie können Menschen schmeichlerisch tun! Derweil stecken sie bis zum Hals voll Abneigung und Hass. Oh, ich kenne die Menschen! Man glaubt das nicht, man kann gleichzeitig so süß daherreden und doch ganz ohne Sympathie und innere Beteiligung, sprich Empathie, sein, so wie es zwischen mir und meinen Ehemännern auch der Fall war. Ich spielte denen bloß etwas vor. Eine große Heuchelei lief zwischen uns ab. Aber Rudolph ist auch schwer einzuschätzen in dieser Hinsicht. Ob er mir auch bloß etwas vormacht? Ob er mir Glück bringen wird? Misstrauisch ihm gegenüber bin ich schon. Leider kann ich ihm nur schwer widerstehen. Ich könnte mich in seiner Gegenwart ganz vergessen, was allerdings nicht sein darf. Ich habe beim Filmen schon gemerkt, dass er hinter jeder Schauspielerin her ist und ihr den Hof macht. Ich habe doch Augen im Kopf und merke das sofort. Für einen treuen Ehemann eignet er sich absolut nicht, also lasse ich lieber die Finger von ihm oder ich suche bei ihm nur ein befristetes Glück von heute auf morgen sozusagen. Oder ein gelegentliches, wo man sich nur hin und wieder trifft, denn heiraten will ich nie wieder. Männer verraten nichts und ziehen vor dem Rendezvous den Ehering vom Finger. Manche Männer, wie ich hörte, lassen sich sogar im Ehevertrag das Recht auf das Fremdgehen von der verblödeten Ehefrau bestätigen. Nie würde ich dergleichen unterschreiben. Ja, wird dann der Bräutigam zur Braut sagen, wenn sie sich weigert, du hast doch dann das gleiche Recht wie ich. Doch die Frau - Ausnahmen sind die Regel - ist anders gepolt als der Mann, dessen Vaterrolle meist recht vage und schwach ist. Der Frau liegen die Kinder viel mehr am Herzen und auch dem Mann will sie unbedingt treu sein. Außerdem fände sie für sich gar keine Zeit zum Fremdgehen oder sie brächte es nicht übers Herz. Ganz anders ist es aber gewöhnlich oder wenigstens häufig beim Mann und Vater, der eiskalt seinem Begehren nachgeht und überhaupt nicht an Frau und Kinder denkt. Auch sein Gewissen plagt ihn nicht. Seine Seele und sein Herz lässt er außen vor. Der Frau bleibt bei Unzufriedenheit gottlob noch die Scheidung, was ihr schwer fallen muss, wenn sie Kinder hat und dann ein elendes armes Leben vor ihr liegt. Keine Mutter will eine Rabenmutter sein. Darum auch werde ich von vorne herein keine Kinder bekommen wollen von einem Don Juan und so bin ich auch in der Vergangenheit vorgegangen.
Es dauerte Wochen, bis der Regisseur Corinna anrief und fragte: Wann haben Sie Zeit? Geht es heute vielleicht?
Ja, heute geht es, sagte sie.
Ich hole Sie in einer Viertelstunde ab, sind Sie damit einverstanden?
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