Ja, sagte sie, ich bin einverstanden, Alvin.
All das Verwöhnen, das Schweben im Schönen war wieder verebbt und Corinna, obgleich wieder abgefunden mit Millionen, stakste nun einsam durch Westberlin und wusste nichts Rechtes mit sich anzufangen vor lauter Ödnis und unbestimmtem Verlangen. Schlecht gelaunt, besann sie sich wieder auf ihren Beruf, ging zu ihrem Buchverlag und übersetzte Bücher aus fremden Sprachen ins Deutsche. Ihr Buchverlag war höchst verblüfft darüber, wie schnell und präzise, ganz ohne Fehler, ihr die Übersetzungen gelangen. Wegen Ihrer großen Kompetenz im Übersetzen, Frau Bromberg, sagte ihr Chef, verdienten Sie eine Auszeichnung.
Corinna machte anschließend, nachdem sie einige Bücher übersetzt hatte, Urlaub, besuchte verschiedene Großstädte, reiste nach Paris, flog nach London, wo sie sich längere Zeit aufhielt. Immer zogen sie die Metropolen an. Dies war schon immer so. Als sie einmal im Londoner Hyde Park spazieren ging, um nichts zu suchen, das war ihr Sinn, da entriss ihr plötzlich ganz unerwartet in Sekundenschnelle eine Bande routinierter Taschendiebe all ihre Habseligkeiten, die sie mit sich führte. Sie erleichterten sie sehr. Leicht wie ein Vogel fühlte sie sich hinterher. Wie die das nur machen?, wunderte sie sich. In England, dachte sie, sind Räuber und Diebe zuhause, denkt man nur an Oliver Twist oder Robin Hood. Aber vielleicht ist meine vorschnelle Meinung ein bloßes Vorurteil, denn Menschen sind doch überall gleich.
Sie war froh darüber, dass sie wenigstens ihre Bankkarte in ihrem Büstenhalter versenkt hatte. Aber London gefiel ihr plötzlich nicht mehr. Zu viel Gesindel an allen Ecken und Enden und keine Millionäre, sagte sie sich, also, fort von hier. Lieber flog sie direkt nach Rom, wo sie sich um eine Privataudienz beim Papst bemühen wollte. Sie glaubte, alles und alle stünden ihr, der Schönen, zur Verfügung. Aber es kam ganz anders. Im selben Flugzeug, mit dem sie von London aus nach Rom flog, befand sich ein orientalischer Prinz, der sie in Englisch ansprach, sich vorstellte als Omar und sie dringend um ein Stelldichein bat, als sie nebeneinander in Rom den Flughafen verließen. Sie willigte ohne Umschweife ein, denn sie wollte wieder verheiratet sein, um sich erneut als richtige Ehefrau zu fühlen, der ein Ehemann zu Füßen liegt und sie anbetet. Und es kam genauso wie gewünscht. Sie dachte dabei: So ein arabischer Ölscheich hat sicher noch mehr Geld als deutsche Millionäre, denn Ölscheiche besitzen neben unsäglichen Millionen auch noch unerschöpfliche Ölfelder, so wie man heutzutage von überall her hören kann. Es ist mir recht! Den angle ich mir jetzt.
Er nahm sie tatsächlich gleich mit in seine kürzlich erst gekaufte Villa. Sie war nicht sein einziges Weib, musste sie leider gleich feststellen. Viele schöne Frauen gingen hier in der feudalen Villa aus und ein, die den Scheich mit zurückgeworfenem Schleier und einem Kuss begrüßten, wenn sie ihm begegneten. Um ihre Situation zu klären, da sie ihn fragend anschaute, sagte er zu ihr: Corinna, du sollst meine Hauptfrau sein, denn du bist das blondeste und schönste Weib unter allen meinen Haremsdamen. Also kannst du recht zufrieden sein.
Gleich nach der Ankunft führte er sie ins Bad, das nach orientalischen Essenzen duftete. Sie befragte ihn wieder: Bist du wirklich ein Prinz, Omar, oder tust du nur so als ob?
Jawohl, ich bin ein Prinz, gestand er ihr mit Nachdruck, da liegst du ganz richtig.
Die vielen Nebenfrauen reagierten sauer, weil Omar sich eine Hauptfrau angeschafft hatte. Die obskure Situation mit dem Harem befremdete Corinna sehr. Auf so etwas Fremdartiges war sie wirklich nicht gefasst gewesen, und nur schlecht konnte sie sich damit abfinden. Aber auch den Omar liebte sie nicht. Daher hielt sich ihre Eifersucht auf die andern Haremsdamen in Grenzen. Überhaupt wusste sie bis dato noch immer nicht, was wahre Liebe ist, von der sie so viel gehört, geträumt und in Romanen gelesen hatte, eine Tatsache, die sie mitunter beunruhigte und fassungslos machte. Eines Tages bat sie Omar: Fliegen wir doch nach Westberlin, dort ist mein Zuhause, ich will dich endlich meiner Mutter vorstellen. Sie erwartet unseren Besuch.
Gut, sagte Omar, fliegen wir nach Westberlin.
Corinna gefiel dem Scheich über alle Maßen, darum wollte er nur noch mit ihr verkehren und vernachlässigte total seinen Harem in Rom, was ihm seine Haremsdamen natürlich verübelten. Er sagte zu ihr: Jetzt brauche ich keinen Harem mehr, Corinna, seit ich dich kenne, du allein genügst mir vollkommen. Oder er sagte: Für dich könnte ich mich zerreißen und monogam leben wie die abendländischen Herren. Weder Komplimente noch seine Schönheit ließen bei Corinna Liebe aufkommen. Omar war nämlich ein schöner Mann mit kohlschwarzen Augen und rabenschwarzem Haar, ein eleganter Herr von Kopf bis Fuß, der immer weiße Anzüge und einen extravaganten bunten Turban trug, der an einen Papagei erinnerte. Seine langen gepflegten Fingernägel glänzten wie Elfenbein so prächtig.
In Westberlin angekommen, verlor der Scheich Omar fast die Kontrolle über sich, als er feststellen musste, wie die vielen hübschen Berliner Mannsbilder hinter seiner koketten, vollbusigen Corinna her waren. Darum wich er keine Sekunde mehr von ihrer Seite. Grenzenlose Eifersucht ergriff ihn hier. Entsetzt sagte er zu Corinna: Es ist wahr, dass einem eine schöne Frau nicht alleine gehört. Mir fällt dies sehr auf hier in Westberlin.
Er musste sich daran gewöhnen, mit ihr in der Öffentlichkeit aufzutreten, weil dies Corinna von ihm forderte. In seiner aufgeflammten Eifersucht umarmte und küsste er sie jetzt oft in Gegenwart der umstehenden Berliner Herren, was Corinna beinahe empörte. Omar sagte zu ihr: Die Berliner Herren sollen sehen, dass du mir gehörst. Das musst du verstehen, Corinna.
Sei nicht so eifersüchtig, Omar, das ist doch kindisch, ich laufe dir nicht davon, beruhigte sie ihn, während sie einem schönen Berliner Herrn, ihr gegenüber, heimlich zuzwinkerte. Oder sie sagte: Ich weiß doch, was ich an dir habe, Omar! Du bist Gold wert für mich!, und dann lachte sie plötzlich hell auf, denn Omar benahm sich wirklich lächerlich in ihren Augen.
Sie beklagte es sehr, noch immer nicht die wahre Liebe kennengelernt zu haben. Was ist nur mit mir los? Auch meinen schönen Omar, der in Liebe zu mir entbrannt ist wie sonst keiner, kann ich nicht lieben. Vielleicht ist die Liebe nur ein Märchen oder eine bloße Worthülse.
Ihre Mutter hegte gegenüber ihrer Tochter schon wieder den leisen Verdacht, sie könnte sich schon wieder scheiden lassen und warnte sie inständig davor: Bei dir Corinna folgen Scheidungen Schlag auf Schlag. Gib Acht! Dies ist nicht normal. Bleibe nun bei Omar, denn er ist reich, besitzt riesige Ölfelder und Ölquellen und ist dir ganz ergeben, so weit ich das sehe.
Und wieder bestätigte ihr der Scheich: Wenn man dich hat, Schatz, braucht man als Mann wirklich keinen Harem mehr; ich werde ihn demnächst in Rom auflösen.
Vielleicht aber ist Omars Liebe nur ein Strohfeuer. Mal sehen.
Schließlich reisten sie weiter nach Paris, wo sie in einem Luxushotel für mehrere Wochen wohnen blieben. Omar gab viel Geld aus für Corinnas mannigfaltige Wünsche, wobei er seinen großen Geldkoffer bei sich trug und alles bezahlte.
Sie unternahmen viel in Paris, aber im Grunde langweilten sie sich entsetzlich. Nachdem sie vom Eiffelturm aus einen letzten Blick über das steinerne Häusermeer Großparis geworfen hatten, setzten sie ihre Reise fort in Richtung Mittelmeerküste, um dort Ruhe und Erholung zu suchen.
Allerdings fühlte Corinna in ihrem flauen Herzen, dass Omar sie entsetzlich zu langweilen anfing. Darum überlegte sie ganz verzweifelt, wie sie es anstellen könnte, ihm zu entkommen. Er aß nämlich hier im Süden Frankreichs rohen Knoblauch und auch rohe Zwiebeln en masse, was ihr den stinkenden Mann jetzt ganz widerwärtig machte. Sie hielt den Knoblauchgeruch einfach nicht mehr aus; es würgte sie stets in seiner Nähe und jedesmal, wenn er zum Küssen ansetzte, drehte sie schnell ihren Kopf von ihm weg. Wie nur, dachte sie, geht es weiter mit uns? Man musste baldmöglichst eine Lösung finden, und die kam gottlob von Omar selber. Er sagte ihr nämlich eines Abends im Dämmerlicht und mit abgewandtem Gesicht, ohne ihr in die Augen zu sehen: Corinna, meine Geldgeschäfte rufen mich leider zurück nach Rom, du verstehst schon. Fliege du inzwischen zu deiner Mutter nach Westberlin, bis alles geregelt ist, denn ich habe keine Zeit zu verlieren.
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