Aber Vaters Worte verhallten wie ein Echo im Wald, während Mutters Worte in ihrem Herzen immerzu grünten und präsent blieben, vermutlich hatten sie schon Wurzeln geschlagen in ihren blutjungen Jahren.
Ihr Vater, der schon kränkelte, beobachtete seine heranwachsende jüngste Tochter weiterhin kritisch und argwöhnisch, wenn er erschöpft und geschwächt auf dem Sofa lag und ihr zusah. Aber er starb bald bei einem Jagdunfall im Brandenburger Wald, zu dem ihn seine Kumpanen eingeladen hatten.
Ihre zwei älteren Schwestern heirateten schon früh und lebten in armen, aber glücklichen Verhältnissen. Corinna blieb in der Mietwohnung bei ihrer Mutter wohnen, wo sich beide gerade noch mit der Witwenrente der Mutter über Wasser halten konnten. Mehr als jemals zuvor vervollständigte die Mutter ihr Werk nun an der jetzt 19-jährigen Tochter, die gerade ihr Abitur machte, indem sie ihr stets einbläute: Lass dich nicht ein mit gleichaltrigen Burschen, die sind noch nichts und haben noch nichts. Dein Los aber ist es, einmal reich zu werden, denke immer daran!
Ihre Mutter stellte sich als geldgieriger Drache heraus. Darum war sie für ihre heranwachsende Tochter kein gutes Vorbild. Infolgedessen wuchs Corinna im Haushalt und in der Gemeinschaft mit ihrer verwitweten Mutter in überheblicher Weise heran, und wenn sie in Kontakt mit gleichaltrigen Burschen geriet, die sich um das schöne Mädchen bemühten, wies sie diese nach dem Ratschlag der Mutter schnöde und abrupt ab. Darum lernte sie in ihrer Jugend die Liebe, das Wunderbarste, was es jemals im Leben des jungen Menschen gibt, nicht kennen. Sie war sich dessen allerdings nicht bewusst.
Nach dem Abitur studierte Corinna Fremdsprachen: Vier Semester in Berlin, zwei Semester in London und zwei Semester in Paris. Den Auslandsaufenthalt zahlte ihr ein reicher Onkel, der Bruder ihres verstorbenen Vaters, denn Corinna selbst hätte sich ein Studium im Ausland nie im Leben leisten können. Anschließend kehrte sie als Übersetzerin nach Westberlin zurück, wo sie in einem Buchverlag eine Anstellung erhielt.
Eines Tages nahm sie der reiche Onkel, der ein großer Literaturliebhaber war, mit zur Frankfurter Buchmesse, denn Corinna interessierte sich ebenfalls in leidenschaftlicher Weise für Literatur. In Frankfurt am Main wurde sie eines Tages von einem noch relativ jungen Millionär angesprochen und um ein Stelldichein gebeten. Meine Stunde schlägt, dachte sie in heller Freude, und zeigte sich sofort mit einem Rendezvous einverstanden. Aufgeregt teilte sie diesen freudigen Umstand und Entschluss ihrem Onkel und ihrer Mutter mit. Es dauerte nicht lange, da hielten Corinna und der Millionär eine pompöse Hochzeit mit allem Drum und Dran, wie es sich für reiche Leute gehört. Scheinwerfer wurden von aufdringlichen Pressefotografen auf das Hochzeitspaar gerichtet, als es umjubelt aus dem Dom trat und sich der Menge zeigte, die über Corinnas ungewöhnlicher Schönheit staunte. Die Flitterwochen verbrachte das frisch gebackene Ehepaar atemlos vor lauter Staunen auf einem Luxusschiff, das sie rund um die Welt führte. Wieder zuhause, lebten sie in Saus und Braus. Im Schloss, wo sie wohnten, brauchte sie keine Hände zu rühren und wurde von einer Dienerschaft verwöhnt. Sie fühlte sich wie im siebenten Himmel, obgleich sie ihren Ehemann nicht liebte. Immerzu zerstreute man sich, ging laufend in Gesellschaft, auf Bälle und Hochzeiten, in Opern und Konzerte, wo ihr Ehemann immer mächtig mit seiner schönen jungen Ehefrau angab, die alle Schönheiten der Welt überträfe, so wie er glaubte. Ihre arme Mutter, die vom Glück ihrer Tochter hörte, fuhr voller Hoffnung zum Schloss, um sich Geld zu erbetteln und mit einigen 1000 DM beschenkt, fuhr sie mit Freudentränen in den Augen wieder nachhause zurück.
Die schönste Zeit ihres Lebens glaubte nun Corinna zu genießen. Sie nahm täglich die Pille, denn Kinder wollte sie keine bekommen. Ihr Ehemann aber trachtete aufrichtig auf einen Erben. Ihr Verhältnis verdüsterte sich deshalb zusehends nach zwei Jahren Ehe. So blieb es nicht aus, dass ihre Ehe wieder geschieden werden musste. Es fiel ihr weiter nicht schwer, denn mit der Zeit hatte sie ihren ungeliebten und steinreichen Mann, der immer nach seinen Jagdhunden roch, überbekommen.
Der Millionär überreichte ihr zum Trost bei der Scheidung noch einen Scheck von einigen Millionen als Abfindung. Damit gab sich Corinna recht zufrieden. Allerdings fand auf Seiten der Mutter jetzt eine große Enttäuschung statt, die nun behauptete: Tochter, du wirst noch arm werden, arm und elend!
Ihre Mutter, die auf großem Fuße leben und immer Geld von ihrer Tochter erpressen wollte, war nun, versteht sich, sehr enttäuscht.
Als Corinna geschieden war, ging sie wieder in ihren Beruf, um Übersetzungen zu machen. Ein Westberliner Buchverlag, der sie schon kannte, gab ihr wieder ein Buch zum Übersetzen. Manchmal wurde es ihr unvorstellbar langweilig, dann musste sie sich zerstreuen. Wie benommen rannte sie durch die Straßen und verschwand in den Kaufhäusern, um wieder etwas zu stehlen. Dies gab ihr wieder eine Zeitlang Aufwind und Auftrieb. Der Lauf der Dinge und ihr Schicksal eben, das sich so schrecklich ankündigte. Wie früher als armes Mädchen nahm sie wieder die Kaufhäuser unter die Lupe, fuhr Rolltreppen auf und nieder, jetzt jedoch getarnt als reiche, wohlhabende Dame mit toller Ausstattung, eleganter Kleidung, Schuhe mit Pfennigabsätzen und teuerstem Schmuck. Warum stahl sie bei ihrem Reichtum jetzt immer noch? Das kam ihr selber komisch vor. Etwas ganz Paradoxes spielte sich ab. Vermutlich war es eine Regression, ein Rückfall in frühere Verhaltensmuster, wo sie sich aus bloßer Armut nach Strich und Faden Waren in Kaufhäusern zusammen stahl. Dieser Hang zum Stehlen war ihr offenbar geblieben, was völlig unverständlich war.
Manchmal wurde sie unterwegs von Räubern überfallen und beraubt. Gedemütigt und niedergeschlagen kam sie dann zuhause an, so wie heute wieder. Sie besah sich im Spiegel und sagte enttäuscht: Ach, auch meine Perlenkette, mein teures, edles Glanzstück haben sie mir abgenommen! Sie ließ minutenlang traurig Kopf und Arme hängen und beweinte ihr tristes Schicksal. Und wie sie übertrieb: Arm bin ich geworden, die Schönheit halb verloren!
Bald darauf aber sagte sie aufmunternd zu sich selber: Ich muss mir wieder einen reichen Sonnyboy anlachen wie vormals schon; ich besitze doch noch Reiz genug, bin noch jung genug. Dann wischte sie sich energisch die Tränen fort, trat wieder vor dem Spiegel und sagte sich: Meine Figur ist noch tadellos, die Haut jung, glatt und frisch wie Morgenrot, das Haar wie edles Gold so blank und so voller Glanz, dass es jeden blendet, die Stirn sehr steil, was mich klug aussehen lässt, um von meinen schönen dunkelblauen Augen ganz zu schweigen. Oh, ich bin noch reizvoll genug für einen reichen edlen Mann, der Augen im Kopf hat!
Und so geschah es denn auch. Sie nahm jetzt den ersten reichen Mann, den Millionär Alvin Süß, der sie im Foyer der Oper ansprach und rundheraus fragte: Edle Dame, wollen Sie mit mir auf Weltreise gehen?
Er war sichtlich gerührt und verliebt auf den ersten Blick. Aber sie nicht. Sie wusste bis dato noch immer nicht, was wahre Liebe ist. Trotzdem sagte sie sofort zu, indem sie behauptete: Eine Weltreise habe ich schon immer angestrebt. Sehr gerne reise ich mit Ihnen mit.
Auf einem Luxusschiff genossen sie dann die endlose Fahrt übers Meer rund um die Welt. Endlich kehrten sie wieder zurück. Sie gab vor, Alvin Süß zu lieben, doch es war eine Lüge. Zuhause feierten sie mit all dem aufwendigen Pomp ihre Hochzeit. Aber trotz all dem Positiven, dem Luxus, dem Reichtum, was ihr vom neuen Ehemann kam, war sie nicht recht zufrieden mit ihm und wartete die Möglichkeit ab, sich wieder von ihm zu trennen, was nicht ausblieb; denn auch er sagte schließlich nach zwei Jahren Ehe so wie schon vorher der erste Ehemann: Du wirst nicht schwanger, Corinna, ich jedoch brauche Erben für meine Millionen, also müssen wir uns scheiden lassen. Bist du einverstanden? Ich werde dich abfinden mit 3 Millionen.
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