Schelmisch wog sie den Kopf hin und her. „Na, na. Für mich sieht es aus, als hätte dich diese plumpe Anmache ganz schön durcheinandergebracht.“
„Unsinn“, dementierte ich das aufs Schärfste.
„Sag, ob er dich echt kennt? Manchmal beruht eine Anmache ja auf Wahrheit.“
Ich wollte nichts mehr davon hören. Trotzdem fing es im tiefsten Winkel meiner Seele zu sprudeln an. Was mich ärgerte, mir außerdem unbegreiflich war, der Mann war mir unbekannt. An ihn zu denken und gleichzeitig zu fühlen, wie ein Teenager vor dem ersten Date, kam mir drastisch albern vor. Grund genug, mir jeden weiteren Gedanken darüber zu verbieten. Auf mich wartete die Karriereleiter. Täglich umschwirrten mich Umsatzzahlen, Mankozahlen und Kundenbewertungszahlen. Dazu passte keine Liebesromanze.
Bedauernd, dass unser Gespräch in eine Richtung dementiert war, die sich so gar nicht als hilfreich erwies, hinsichtlich Simbas Problems, sagte ich: „Haben wir schon mal darüber gesprochen, dass jeder in unserem Universum das magnetisch anzieht, was er denkt und das, was er denkt, lebt?“
Unmutig zog Simba ihre Stirn in Falten. „Vorträge über esoterische Lebensweisheiten sind mir ein Gräuel, das weißt du. Noch mehr, bei dieser Kälte.“
Durch die Winter-Minusgrade zitternd stellte sie ihren Kragen auf. „Aber wie ich dich kenne, hält dich das auch nicht ab, mich zu bekehren.“
„Keine Angst, auf offener Straße ist mir das bei dieser Jahreszeit zu ungemütlich.“
Wir lachten. Danach erfüllte mich eine gewisse Ernsthaftigkeit. „Dachte, du bist meine Freundin.“
Simba wirkte eingeschnappt. „Bin ich auch.“
„Dann müsstest du wissen, dass mir alle Männer gestohlen bleiben können ...“, mit dem Daumen zeigte ich zum Restaurant zurück, „... und dieser Schönling nicht für mich bestimmt ist, weil ich das so will.“
„Okay, okay. Warum steigerst du dich in die Sache überhaupt so hinein?“
Ich stutzte. Tat ich das? Ein paar denkwürdige Sekunden folgten, bevor meine verwirrten Sinne es wieder zuließen, meine Gedanken auszusprechen. „Wir reden abends darüber, okay?“
Simba zuckte die Schultern. „Vielleicht. Kommt darauf an, wie lange Erik bleibt.“
„Meldest du dich?“
„Mach ich.“
Das Frostwetter ließ ihre Nase schon rot werden. Dennoch musste noch Zeit sein, meine Hand freundschaftlich auf ihren Arm zu legen und ihr Problem nochmals anzusprechen: „Hör auf dein Herz, Kleine. Es sitzt am richtigen Fleck und weiß, was gut für dich ist.“
Kaum ausgesprochen überkam mich das Gefühl, mit diesen Worten zu tief in den Schmalztegel gegriffen zu haben. Oder? Doch nicht. Denn Simba nickte gerührt, ein lang gedehntes „hmm“ von sich gebend.
„Tschüss, meine Liebe.“
Nach einer kurzen Umarmung war das Thema Beziehungen gottlob erst mal erstarrt.
Einen Fuß voran gesetzt, um zur nächsten berufsmäßigen Herausforderung zu eilen, dudelte mein Handy in der Handtasche. Ich wühlte, suchte, fand und drückte schließlich auf den Verbindungsknopf, ohne nachzusehen, wer dran war, was sich als bedeutender Fehler herausstellte. Am anderen Ende der Leitung meldete sich ein Spuk aus einem längst vergangenen Leben, der mit regelmäßiger Sicherheit immer wieder auftauchte. Nur das Gefilde der Seligen wusste, wann sich der leidige Geist endlich in nichts auflöste. Kurt, mein Ex-Mann. Ich wünschte ihm nichts, was er sich nicht selbst wünschte, jedoch stieg mit jedem Telefonat, das ich mit ihm führte, der Wunsch in mir, dass er sich endgültig und besiegelt ins Land der Bananen verpissen würde.
„He Baby, gut, dich zu erreichen.“
Diese Leier war mir bekannt. Schon überlegte ich, ob ich diesmal vorsichtshalber einen Psychiater oder die Lebenshilfe zu Rate zu ziehen sollte. Bei aller „Liebe“ aber auch mir gingen irgendwann die Sprüche aus, die in höhere Schwingungen stimulierten. Noch deutlicher zeigte sich dieses Phänomen, wenn die Sprüche für Kurt gedacht sein sollten.
„Ist es wieder so weit?“
„Die blöde Kuh hat mich ausgesperrt.“
War zu erwarten. Gott, bitte, lass ihn nicht sagen, was ich denke, dass er sagen will.
„Kann ich heute bei dir pennen?“
Er hat es gesagt. Gott scheint auf Mittag zu sein, wie ich.
Ja, natürlich, ginge locker. Nur kam es nicht in Frage. Zu gut war mir sein letztes Bei-mir-Pennen in Erinnerung, wo er mir abverlangte ihn nach Tagen gewaltsam vor die Tür zu setzen, um seine Kletten von mir wieder loszuschweißen.
Trotzdem um Verträglichkeit bemüht stellte ich klar: „Diese Woche ist Full House bei mir, Kurt, nur mehr die Badewanne ist frei.“ Das war leicht dahin gesprochen. Leider ohne zu überlegen. Froh, dass mir in der Schnelle überhaupt was eingefallen war, was nicht auf Anhieb nach Ausrede klang, war ich überzeugt, ihn damit abgewimmelt zu haben.
„Prima, passt für mich. Bis heute Abend, Baby.“
Aufgelegt. „Verflixt!“ Geschah mir ganz recht. Wieso gelang es mir nicht einmal, ein schlichtes „Nein“ zu sagen, wenn ich „nein“ meinte. Zurückzurufen, um abzusagen, brachte nichts. Kurt würde nicht abheben. Der Gedanke, mit ihm die Nacht zu verbringen, ließ mich erschaudern. Eine Idee, wie sich dieses Horrorszenario abwenden ließ, stellte sich nicht ein.
„Monika!“, rief eine Passantin hinter meinem Rücken. Scheinbar hatten sich Bekannte getroffen. Trotzdem ich den fremden Stimmen, sowie dem anschließenden Begrüßungsgeschehen nicht länger als nötig meine Aufmerksamkeit schenkte, hinkte mein Denken dem gerufenen Namen „Monika“ hinterher. Dabei schoss mir Monika Kilius, meine esoterisch interessierte Seminarfreundin ein. Na ja - Freundin war zu viel gesagt. Bekannte traf es besser. Vielleicht lebte sie noch solo? Meiner Meinung nach kam dieser gnädige Fingerzeig von meinen himmlischen Helfern. Ein gehauchtes „Danke“ ans Universum für diesen grandiosen Einfall war somit fällig.
Schon drückte ich die Tasten meines Handys. Nach den ersten Signaltönen erfasste mich eine gewisse Unruhe. Umso inbrünstiger vereinnahmte mich der Wunsch, dass Monika abheben würde. Nach drei weiteren Rufzeichen erfüllte mich die Befürchtung, dass es das gewesen war, als unerwartet dann doch ihre erfreute Stimme erklang: „Hallo Rena, schön, dass du anrufst. Hast du das Buch von Angerbauer und Kilian „Befreiung von negativen Wesen“ schon gelesen?“
In Anbetracht der Zurechtlegungen meiner weiblichen List, die bezüglich Kurt einzusetzen vonnöten war und die mich noch voll in Anspruch nahmen, kam ich nicht gleich darauf, was sie meinte. Darum wiederholte ich ihre Worte leise. Befreiung von negativen Wesen? Was für ein Zufall, wegen so eines Wesens rief ich an.
„Wenn nicht, leihst du es mir trotzdem?“
Die Götter hatten ein Einsehen.
„Kurt bringt es dir heute noch vorbei.“
„Kurt? Wer ist Kurt?“
„Ein selten lieber Kerl.“ Das Universum möge mir diese Lüge verzeihen.
„Was Ernstes?“
„Nein, nur ein Freund, nichts weiter. Es trifft sich gut, er wollte dich ohnehin kennen lernen.“ Dass er das wirklich wollte, brachte ich ihm schon noch bei - irgendwie. Nebenher schickte ich ein Stoßgebet ins All, um nun nicht hören zu müssen, dass sie fest vergeben sei.
„Ach ja? Okay. Ab acht bin ich zu Hause.“
Ich atmete auf.
„Wieso hast du eigentlich angerufen?“
Heiß. Kalt. Mir stockte der Atem. „Äh ... ja ... warte ... das ... Seminar, ... ja genau, wegen des nächsten Seminars, wie heißt es noch?“
„Die Erde und ihr spiralenförmiger Aufstieg ins Wassermannzeitalter.“
„Richtig. Wann sagtest du ist der Vortrag?“
„Kommenden Samstag 18 Uhr im Weidingerhof.“
„Alles klar.“
„Vergiss nicht, mir das Buch vorbeizuschicken. Ich brauche dringend Lesestoff.“
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