Harke de Roos
Der andere Beethoven
Das Rätselmetronom oder Die dunklen Tränen
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Inhaltsverzeichnis
Titel Harke de Roos Der andere Beethoven Das Rätselmetronom oder Die dunklen Tränen Dieses ebook wurde erstellt bei
Trugstart Trugstart Es war einmal ein Seher, der nicht sehen konnte und vor fast drei Jahrtausenden auf unserer Erde lebte. Dieser Anfang, liebe Leser, ist das Gegenstück von dem, was wir Musiker einen Trugschluss nennen. Ein Trugschluss ist ein spannungsgeladener Akkord, der gelegentlich in der Musik anstelle eines erwarteten Abschlusses auftritt. Der gewünschte Effekt beim Zuhören ist eine gewisse Freude darüber, dass das simulierte Ende nicht das wirkliche Ende der Musik ist und dass das Genießen weiter gehen darf. Das Gegenstück müsste demnach eine Genugtuung darüber auslösen, dass der Beginn nicht der wirkliche Beginn ist, sondern dass die Musik schon spielt. Mein Anfangssatz ist nämlich gar kein regulärer Beginn, denn vom blinden Seher Teiresias sollte gar nicht die Rede sein und noch viel weniger wollte ich Ihnen ein Märchen erzählen. Der griechische Prophet hat aber einen seelischen Verwandten, der vor zwei Jahrhunderten lebte. Von diesem nun, von jenem Tonschöpfer, der keine Töne hören konnte, ist in unserer Geschichte hauptsächlich die Rede. Sein Name: Ludwig van Beethoven, in jungen Jahren vornehmlich Louis van Beethoven, für intime Freunde auch einfach Luigi. Zur Sicherung der Strecke, die etliche Klippen und Spalten aufweist, stelle ich Ihnen einen Wegbegleiter zur Seite, der selbst nicht richtig gehen kann. Sein Name: Rätselmetronom. Das Rätselmetronom ist das genaue Gegenstück eines normalen Metronoms. Deshalb ist es ratsam, sorgfältig zwischen Metronom und Rätselmetronom zu unterscheiden und die beiden nicht durcheinander zu bringen. Ein Rätselmetronom ist eigentlich gar nichts. Es ist fast weniger als eine Null. Niemand außer Beethoven käme auf die Idee, ihm irgendeine Aufgabe anzuvertrauen. Nur ist Beethoven kein Niemand. Seine Kunst, aus knappsten Motiven die größtmögliche Fülle hervorzuzaubern, möge unser Leitstern sein beim Versuch, das Rätselmetronom in den unterschiedlichsten Erscheinungsformen auftreten zu lassen. Ich glaube, in Beethovens Sinne zu sprechen, wenn ich sage, gerade durch sein Hinken und Wanken wird das Rätselmetronom uns auf den geraden Weg führen.
Beethovens Zusammenarbeit mit Mälzel
Beethovens Streit mit Mälzel
Beethovens Künstlerehre in Gefahr
Beethovens Gegenwehr
Zweiteilung oder Zerschlagung
Beethovens Verhältnis zur Obrigkeit
Beethovens Todestraurigkeit
Beethovens Bekenntnis zum Irrweg
Das Rätselmetronom als Beethovens Ausweg
Das Rätselmetronom als Apfel Schneewittchens
Beethovens Kindheit
Beethovens Verknüpfung mit Mozart
Beethovens Schuldverstrickung
Beethovens Gewissensnot
Prometheus als Richter seiner Geschöpfe
Das Gehörorgan als Sühneopfer
Die Vertreibung aus dem Paradies
Der verschlungene Weg zum Himmel
Beethoven als Don Juan
Die Eroica als Heldendenkmal eines Musikers
Ferdinand Ries als verhinderter Parsifal
Beethoven bekommt sein Kind
Die Neunte als Sühneangebot
Der Spitzel als Biograph
Die symbolische Rücknahme der Neunten
Beethovens heimlicher Weg zum Himmel
Epilog
Impressum neobooks
Es war einmal ein Seher, der nicht sehen konnte und vor fast drei Jahrtausenden auf unserer Erde lebte.
Dieser Anfang, liebe Leser, ist das Gegenstück von dem, was wir Musiker einen Trugschluss nennen. Ein Trugschluss ist ein spannungsgeladener Akkord, der gelegentlich in der Musik anstelle eines erwarteten Abschlusses auftritt. Der gewünschte Effekt beim Zuhören ist eine gewisse Freude darüber, dass das simulierte Ende nicht das wirkliche Ende der Musik ist und dass das Genießen weiter gehen darf. Das Gegenstück müsste demnach eine Genugtuung darüber auslösen, dass der Beginn nicht der wirkliche Beginn ist, sondern dass die Musik schon spielt. Mein Anfangssatz ist nämlich gar kein regulärer Beginn, denn vom blinden Seher Teiresias sollte gar nicht die Rede sein und noch viel weniger wollte ich Ihnen ein Märchen erzählen.
Der griechische Prophet hat aber einen seelischen Verwandten, der vor zwei Jahrhunderten lebte. Von diesem nun, von jenem Tonschöpfer, der keine Töne hören konnte, ist in unserer Geschichte hauptsächlich die Rede. Sein Name: Ludwig van Beethoven, in jungen Jahren vornehmlich Louis van Beethoven, für intime Freunde auch einfach Luigi.
Zur Sicherung der Strecke, die etliche Klippen und Spalten aufweist, stelle ich Ihnen einen Wegbegleiter zur Seite, der selbst nicht richtig gehen kann. Sein Name: Rätselmetronom. Das Rätselmetronom ist das genaue Gegenstück eines normalen Metronoms. Deshalb ist es ratsam, sorgfältig zwischen Metronom und Rätselmetronom zu unterscheiden und die beiden nicht durcheinander zu bringen.
Ein Rätselmetronom ist eigentlich gar nichts. Es ist fast weniger als eine Null. Niemand außer Beethoven käme auf die Idee, ihm irgendeine Aufgabe anzuvertrauen. Nur ist Beethoven kein Niemand. Seine Kunst, aus knappsten Motiven die größtmögliche Fülle hervorzuzaubern, möge unser Leitstern sein beim Versuch, das Rätselmetronom in den unterschiedlichsten Erscheinungsformen auftreten zu lassen. Ich glaube, in Beethovens Sinne zu sprechen, wenn ich sage, gerade durch sein Hinken und Wanken wird das Rätselmetronom uns auf den geraden Weg führen.
Beethovens Zusammenarbeit mit Mälzel
Metronom und Rätselmetronom erschienen beide im zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts. Damals wurde das Metronom auch Zeitmesser genannt. Es handelte sich demnach um ein mechanisches Hilfsmittel, mit dem die musikalische Zeit gemessen wurde. Als Erfinder gilt Johann Nepomuk Mälzel, Schöpfer seines rätselhaften Gegenstücks war Ludwig van Beethoven höchstpersönlich.
Zum Zeitpunkt des Erscheinens hatten Beethoven und Mälzel ihren vierzigsten Geburtstag einige Jahre hinter sich und kannten sich gut. Sie waren beide im Jahr 1792 nach Wien gezogen. Beethoven aus Bonn, Mälzel aus Regensburg. Bis Anfang 1814 wohnten Komponist und Mechaniker gemeinsam in der Donaumetropole, danach verließ Mälzel die Stadt auf immer.
Zunächst einmal werfen wir die Frage auf, wer oder was Mälzel dazu veranlasst haben mag, ein Metronom zu konstruieren. Die Musik war nicht sein Spezialgebiet, die Zeit auch nicht. Ebenso wenig hatte Beethoven ein derartiges Gerät bei ihm bestellt. Die musikalische Zeitmessung war um 1810 aber fällig. Sie lag irgendwie in der Luft. Und Mälzel hatte ein ausgezeichnetes Gespür für den Geist der Zeit. Aktualität war sein Metier.
Mälzels Vater, Orgelbauer und Mechaniker von Beruf, hat seine Söhne Johann und Leonhard sowohl an den Tasten als in der Mechanik ausgebildet. Von ihm lernte Johann sein Handwerk aufs beste. Darüber hinaus schien sich gerade in seiner Person ein Genius zu regen, der eindeutig zu früh auf die Welt gekommen war. Mit einem selbst fahrenden Fahrzeug, einer Gasmaske für Feuerwehrleute, einem selbst spielenden Orchester, einem Schachroboter und mit Puppen, die „Mama“ sagen und die Augen aufschlagen konnten, um nur einen Teil seiner Projekte anzudeuten, macht Mälzel auf uns im 21. Jahrhundert den Eindruck, ein verhinderter Vertreter unserer eigenen Epoche zu sein. Man könnte glauben, er sei durch eine Laune des Schicksals durch den Boden der Gegenwart in die Vergangenheit gestürzt und zwei Jahrhunderte früher stecken geblieben.
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