Saxon nickte mit einem glücklichen Seufzer.
»Ach, Sie glückliches, süßes, schönes Geschöpfchen. Ich könnte Sie beinahe hassen – so beneide ich sie. Alle Männer werden sich mit Freuden um Ihren kleinen Finger wickeln lassen. Und dabei machen Sie nicht einmal Ihr Kapital zinstragend. Das tut niemand, ehe es zu spät ist.«
Saxon war verwirrt und verlegen, antwortete aber schnell:
»O doch, ich weiß wohl, wie glücklich ich bin. Ich habe den besten Mann von der Welt.«
Mercedes Higgins seufzte wieder und wechselte den Gegenstand. Nickend wies sie auf die Wäsche.
»Sie legen Wert auf schöne Dinge, sehe ich. Das ist sehr vernünftig für eine junge Frau. So etwas ist Köder für die Männer – eine große Waffe im Kampf zwischen den zwei Geschlechtern. Die Männer werden dadurch gewonnen und festgehalten –« Sie brach plötzlich ab und sagte fast herausfordernd: »Und Sie, Sie wollen Ihren Mann festhalten? Immer, immer – wenn Sie können?«
»Das will ich. Ich will alles tun, damit er mich liebt. Immer, immer.«
Saxon hielt inne, verwirrt und erstaunt, daß sie plötzlich mit einer Fremden so intim geworden war.
»Die Liebe der Männer ist etwas Komisches«, sagte Mercedes. »Und es ist der Fehler aller Frauen, daß sie glauben, die Männer zu kennen wie ein Buch. Und die meisten von ihnen sterben daher am gebrochenen Herzen, sterben, weil sie nichts von den Männern wissen und doch töricht genug sind zu glauben, sie kennten sie so gut. Oh, lala, die kleinen Dummköpfe. So sagen nun auch Sie kleine jungverheiratete Frau, Sie wollen alles tun, daß Ihr Mann Sie immer liebt – nicht wahr? Und so sagen sie alle und bilden sich ein, die Menschen und die Irrgänge der Liebe zu kennen. Es ist viel leichter, das große Los in der Lotterie zu gewinnen. Aber das weiß das kleine jungverheiratete Frauchen erst, wenn es zu spät ist. Aber Sie haben am richtigen Ende angefangen. Halten Sie sich nur weiter fein und schön. Wie Sie Ihren Mann gewonnen haben, so bleiben Sie, um ihn zu halten. Aber das ist nicht alles. Wir beide müssen einmal richtig miteinander reden, und dann werde ich Sie lehren, was wenige Frauen wissen wollen, was wenige Frauen zu wissen bekommen. – Saxon! – ein starker und schöner Name für eine Frau. Aber er paßt nicht zu Ihnen. O ja, ich habe Sie beobachtet. Französisch sind Sie, französisch. Darüber ist nicht zu streiten. Grüßen Sie Ihren Gatten und machen Sie ihm mein Kompliment für seinen guten Geschmack.«
Sie schwieg und blieb mit der Hand auf dem Türgriff stehen.
»Und besuchen Sie mich hin und wieder. Sie werden es nicht bereuen. Ich kann Sie vieles lehren. Kommen Sie nachmittags. Mein Mann ist Nachtwächter und schläft den ganzen Vormittag. Augenblicklich schläft er.«
Verwirrt und grübelnd ging Saxon hinein. Sie war so anders als andere Frauen, diese magere, dunkelhäutige Frau mit dem welken Gesicht, das aussah, als wäre es im Feuer gewesen, und den großen schwarzen Augen, die wie von einem nie erlöschenden inneren Brand funkelten und flammten. Alt mußte sie sein – Saxon schätzte sie auf zwischen fünfzig und siebzig. In ihrem Haar, das einmal ganz schwarz gewesen sein mußte, waren breite graue Streifen. Namentlich fiel Saxon ihre Sprache auf. Sie sprach Englisch, und ein besseres Englisch, als Saxon sonst zu hören gewohnt war, und doch war sie keine Amerikanerin. Aber sie sprach auch nicht mit Akzent; es war nur etwas Fremdes in ihrer Art zu sprechen, aber so unbestimmbar, daß Saxon nicht wußte, wo sie es hinbringen sollte.
»Oho«, sagte Billy, als Saxon ihm am Abend die Ereignisse des Tages berichtete. »So, das ist die Frau von Higgins. Er ist Nachtwächter. Und er hat nur einen Arm. Der alte Higgins und sie, das ist ein komisches Paar. Die Leute haben Angst vor ihr, oder doch jedenfalls manche. Die Italiener und manche von den alten Irländerinnen halten sie für eine Hexe. Sie wollen nichts mit ihr zu tun haben. Das hat mir Bert erzählt. Einer von meinen Kameraden im Stall – Henderson, weißt du – sagt, sie sei reif fürs Tollhaus.«
»Ach, ich weiß nicht«, antwortete Saxon, die sich getrieben fühlte, ihre neue Bekanntschaft zu verteidigen. »Sie ist vielleicht etwas komisch, aber sie sagt eigentlich dasselbe wie du. Sie sagt, meine Figur sei nicht amerikanisch, sondern französisch.«
»Dann ziehe ich den Hut vor ihr«, antwortete Billy. »Sie kann nicht so verrückt sein, wenn sie das sagt. Sie ist ein kluges altes Huhn, das kannst du ihr von mir bestellen.«
»Sie bat mich, dich zu grüßen und dir zu deinem guten Geschmack zu gratulieren«, lachte Saxon.
»Wirklich? Dann grüß sie herzlich von mir wieder. Ich weiß sie zu schätzen. Sie weiß, was gut ist. Aber sie sollte auch dir zu deinem guten Geschmack gratulieren, den du bewiesen hast, als du mich heiratetest.«
Ein paar Tage später nickte Mercedes wieder halb Saxon und halb der feinen Wäsche zu, die Saxon gerade zum Trocknen aufhängte.
»Ich ärgere mich über Ihre Wäsche, Sie kleines Frauchen«, sagte sie als Einleitung zu ihrem Gespräch.
»Ich bin doch viele Jahre lang in einer Wäscherei gewesen«, antwortete Saxon schnell.
Mercedes lachte höhnisch.
»Dampfwäsche, ja, danke schön. Das ist ein Geschäft, und ein dummes. Nur gewöhnliche Sachen soll man in eine Dampfwäscherei schicken – das ist die Strafe dafür, daß sie gewöhnlich sind. Aber die guten Sachen, Zeug, so fein wie Spinngewebe – la la, mein Kind, das zu waschen ist eine Kunst. Das erfordert Verstand, Talent und eine Behutsamkeit, so fein wie die Dinge selbst. Ich werde Ihnen ein Rezept für selbstgemachte Seife geben. Sie macht das Zeug nicht hart, sondern weiß, weich und lebendig. Sie können es lange tragen, und feine weiße Wäsche ist etwas, das einen froh machen kann. Ja, feine Wäsche ist ein Raffinement, eine Kunst. Es ist, wie wenn ein Künstler mit Begeisterung und Liebe ein Bild malt oder ein Gedicht schreibt. Es ist ein Sakrament der Schönheit.
Ich will Sie die Kunst lehren, mein liebes Kind, eine Kunst, die ihr Yankees nicht kennt.« Sie nickte in der Richtung der Leine mit Saxons feiner Wäsche.
»Sie machen kleine Spitzen, sehe ich. Ich kenne alle Arten Spitzen – Malteser, Mechelner – ach, viele, viele Arten herrlicher Spitzen. Ich will Sie einige von den leichten Mustern lehren, so daß Sie sie selbst für sich und ihren hübschen Mann machen können, den Sie immer, immer lieben wollen.«
Bei ihrem ersten Besuch bei Mercedes Higgins bekam Saxon das Rezept für die selbstgemachte Seife, und sie verließ sie, den Kopf voll von minutiösen Regeln für die Kunst, feines Leinen zu waschen. Die wunderliche alte Frau erzählte ihr alles Neue und Sonderbare, was sie wußte, und es war, als brächte sie ihr Botschaft von einem weiteren Horizont und neuen, unbekannten Himmelsstrichen.
»Sie sind Spanierin?« fragte Saxon vorsichtig.
»Nein und ja. Mein Vater war Irländer, meine Mutter spanische Peruanerin, ihr gleiche ich in Farbe und Aussehen. In vielem andern gleiche ich meinem Vater, dem blauäugigen Kelten mit dem Gesang auf den Lippen und dem heißen Blut, das ihn ruhelos von Ort zu Ort trieb. Dasselbe heiße Blut hat mich ebenso weit und noch weiter getrieben, als er je kam.«
»Ach«, rief Saxon, »da sind Sie Südamerikanerin.«
Mercedes zuckte die Achseln.
»Irgendwo muß man ja geboren werden. Es war eine große Viehranch, die meiner Mutter gehörte. Ganz Oakland könnte auf einer von ihren Weiden Platz finden.«
Mercedes Higgins seufzte zufrieden und verlor sich in Erinnerungen. Saxon wollte gern mehr von dieser merkwürdigen Frau hören, deren Leben in vielem an das der spanischen Kalifornier in alten Tagen erinnern mußte.
»Sie haben eine gute Erziehung genossen«, wagte sie sich vor. »Sie sprechen ein so schönes Englisch.«
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