Als wir ein Stück auf einem Waldweg gelaufen sind, entferne ich mich von Rudi und durchstöbere das Unterholz. Plötzlich sehe ich direkt vor mir ein großes Wildschwein mit vielen kleinen, gestreiften Frischlingen. Die Bache findet mich überhaupt nicht nett und schaut mich mit starren Augen durchbohrend an. Sofort bleibe ich stehen, knurre sie an und stelle mein Fell zu einer Borste auf, um sie zu beeindrucken. Leider ist mit der Bache überhaupt nicht zu scherzen, denn plötzlich rennt sie mit voller Geschwindigkeit auf mich zu. Da sie wesentlich größer ist als ich, entscheide ich mich kurzfristig für eine sofortige Flucht. Rudi befindet sich nachwievor auf dem Waldweg und ahnt nichts Böses. Um ihn nicht zu gefährden, renne ich zunächst in den Wald, aber die Bache sprintet mir im vollen Galopp hinterher. Dann wechsele ich mehrfach meine Fluchtrichtung, indem ich mehrere Haken schlage, aber dadurch kann ich sie leider auch nicht abschütteln. Da mich langsam die Angst packt, renne ich jetzt zu Rudi, der meine missliche Lage bemerkt hat und sich inzwischen mit einem Holzknüppel bewaffnet hat. Als ich Rudi auf dem Waldweg erreicht habe, stoppe ich und stelle mich böse knurrend in Richtung des kurz bevorstehenden Frontalangriffs schauend neben ihn. Die Bache denkt nicht daran stehen zu bleiben und rast weiter auf uns zu. Rudi schreit wie ein Neandertaler und schwenkt dabei drohend seinen dicken Holzknüppel. Kurz vor uns, stoppt dieses wildgewordene Schwein mit einer Vollbremsung und starrt uns dabei böse an. In meinem weiteren Leben werde ich ihren Blick wohl niemals vergessen. Gott sei Dank dreht sich die Bache plötzlich um und rennt zurück zu ihren Nachkommen. Mir fällt ein Stein vom Herzen!
„Mein lieber Herr Gesangsverein, das war wirklich eine Scheißsituation! Ich habe mir fast vor Angst in die Hose geschissen“, sagt Rudi entsetzt mit einem kreideweißen Gesicht. „Scheinbar haben wir die wütende Bache mit deiner Drohgebärde und meinem Gebrüll einschließlich Knüppel doch beeindruckt. Ich bin richtig stolz auf dich“, meint er und streichelt mir anerkennend meinen Kopf.
Natürlich konnte ich mir wegen meiner Angst nicht in die Hose scheißen, weil ich keine trage. Aber ich hätte fast auf den Waldweg geschissen, als ich verteidigungsbereit neben Rudi stand. Mit der Bache war partout nicht zu spaßen, die hatte überhaupt keinen Humor. Oh je, ich muss jetzt wesentlich mehr aufpassen, als zuvor. Mein Erregungspegel befindet sich immer noch am obersten Level. Als wir weiter durch den Wald gehen, schaue ich häufig ins Unterholz, ob uns nicht noch ein weiteres Wildschwein oder ein anderes böses Ungeheuer auflauert.
Nachdem wir eine große Runde im Grunewald gelaufen sind, erreichen wir zum Glück ohne weitere Zwischenfälle unseren Bus. Als Rudi die Schiebetür geöffnet hat, steige ich ein und setzte mich auf den Beifahrersitz. Wenig später fahren wir quer durch die Stadt direkt nach Kreuzberg zu Rudis Dachwohnung.
Rudi parkt unsern Bus in der kleinen Nebenstraße nicht weit von unserer Wohnung. Ich bin froh, wieder in meinem bekannten Terrain zu sein, wo ich fast alle Hundemarken kenne. In Franzis neuem Kiez, bin ich noch relativ unsicher, weil ich dort noch vollkommen unbekannt bin. Wie schnell kann man in so einem fremden Revier von einer anderen, dominanten Hündin angegriffen werden!
Wenig später betreten wir unsere Wohnung, die nach Franzis Auszug etwas leerer ist. Aber ich fühle mich trotzdem sehr wohl hier, weil es für mich mein zu Hause ist. Rudi beginnt zu kochen, während ich mich erwartungsvoll in die Küche lege. Vielleicht fällt doch irgendetwas Essbares für mich ab. Mal sehen! Als er mit der Zubereitung fertig ist, stellt er seinen Teller auf den Tresen und setzt sich auf den Barhocker. Natürlich lege ich mich neben ihn und schaue ihm aufmerksam bei der Nahrungsaufnahme zu. Zum Glück lässt er mir einige Reste auf dem Teller, die er mir nach Beendigung seiner Mahlzeit herunterreicht. Sofort fresse ich alles hastig auf. Vielleicht überlegt er es sich nochmal anders und nimmt mir vorzeitig den Teller weg. Man kann ja nie wissen! Beim Fressen kenne ich überhaupt keinen Spaß!
Nach dieser kleinen Vorspeise richtet Rudi mir meine normale Hundemahlzeit, eine Hälfte sehr gutes Dosenfutter (Rinti), die andere exzellentes, amerikanisches Trockenfutter mit etwas Wasser angereichert. Rudi gibt mir keinen Zucker oder sonstige süße Leckereien, da es quasi Gift für uns Hunde ist. Sobald er den Fressnapf auf den Boden gestellt hat, stürze ich mich drauf und schlinge alles schnell wie ein Wolf herunter. Als Dessert bekomme ich noch einen Kauknochen aus getrockneter Rinderhaut, der das menschliche Zähneputzen ersetzen soll. Nachdem ich noch einen Schluck Wasser getrunken habe, lege ich mich mit meinem Knochen ins Wohnzimmer auf den Teppich und kaue ihn so lange, bis er weich und problemlos herunterzuschlucken ist.
Rudi setzt sich auf die Couch und schaltet den Fernseher an. Heute sehen wir gemeinsam einen interessanten Tierfilm, der in Afrika spielt. Wenn ich diese fremden Tiere höre, brumme ich gefährlich, damit keiner es wagt aus dem Fernseher zu springen. Rudi scheint die Geschichte mit Franzi ganz gut verdaut zu haben. Meines Erachtens geht es ihm besser, seitdem die dumme Kuh fort ist.
Am Abend laufen wir noch eine Runde durch den Kiez. Leider regnet es in Strömen, sodass mein Fell schnell klitschnass ist. Als wir wieder in der Wohnung sind, trocknet mich Rudi im Flur mit meinem Hunde-Handtuch gründlich ab. Es gefällt mir bei ihm wesentlich besser, als bei Franzi. Am liebsten würde ich für immer bei ihm bleiben!
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