„Rhode?“, meinte er fragend. „Ich dachte Klingmann!“
„Klingmann?“ Wessen Kekse hatte ich da gegessen? „Ähm, ich bin...“
„Sie sind nicht wegen der Stelle des stellvertretenden Direktors hier?“
Er sah mich von oben bis unten an und entschied für sich, dass ich es nicht war.
„Ich fürchte nicht“, bestätigte ich ihm seinen Verdacht.
„Wer sind Sie dann?“
„Harry Rhode. Ich komme wegen einer weniger erfreulichen Angelegenheit.“
„Oh, ich finde, dass Direktor Heckmann zur Konkurrenz gewechselt hat, ist unerfreulich genug.“
„ Noch unerfreulicher! Sagt Ihnen der Name Maximilian Glich etwas?“
„Glich?“ Sein Blick klärte sich. „Wir hatten mal einen Angestellten namens Glich.“ Er sah mich direkt an. „Er wurde verdächtigt, eine nicht unbeträchtliche Summe Geldes veruntreut zu haben.“
„Genau den meine ich.“
„Wenn ich mich recht erinnere, ist er damals untergetaucht.“
„Im wahrsten Sinne des Wortes. Und inzwischen ist er wieder aufgetaucht. Man fand seine Leiche im Baggersee.“
„Wie unschön. Ja, Glich. Ich habe nie verstanden, warum er verschwunden ist. Das könnte eine Erklärung sein.“
„Warum haben Sie das nie verstanden? Lag es denn nicht auf der Hand, dass er wegen der Veruntreuung untergetaucht ist?“
Endor schüttelte den Kopf und lächelte. „Das habe ich nie angenommen. Glich hatte gar nicht die Möglichkeit dazu. Und die Direktion hat damals alles unternommen, um den Fall schnell unter den Teppich zu kehren.“
„Aha.“
Sein Blick fiel auf denn leeren Teller.
„Haben Ihnen meine Plätzchen geschmeckt?“
„Hmmm!“ Ich nickte.
„Können Sie mir verraten, was ich jetzt Herrn Klingmann anbieten soll?“
„Einen guten Job!“
Duffy war nicht zu Hause. Niemand war zu Hause, nicht einmal ich. Erst als ich zu Hause ankam. Ich ließ mich in meinen Sessel fallen, überlegte, ob ich vielleicht jemand anderen anrufen und ihm die Ohren voll säuseln sollte, aber noch bevor ich mich zu irgendetwas entschließen konnte, klingelte das Telefon. Es war, welche Überraschung, Duffy.
„Duffy“, seufzte ich, „ich gebe mich geschlagen. Es bist jetzt eindeutig du, der mich anruft.“
„Harry, ich habe da ein Problem.“
„Dann geh ihm aus dem Weg.“
„Es ist ein bisschen komplexer.“
„Mach es nicht spannend. Jetzt kommt der Spruch: ‚Ich bin auf dem Polizeipräsidium!‘ Und dann frage ich: ‚Aha, hat einer dein Auto geklaut?‘ Und dann sagst du: ‚Ich stehe unter Mordverdacht!‘“
„Ich bin auf dem Polizeipräsidium...“
„Duffy, das ist langweilig! Wen hast du umgebracht?“
„Meinen Direktor.“
„Ich komme!“
Duffy hatte nicht übertrieben, die Sache war etwas komplexer. Offensichtlich hatte jemand seinen Direktor umgelegt und offensichtlich wollte dieser Jemand nicht selbst dafür geradestehen, sondern die Schuld lieber Duffy in die Gesundheitsschuhe schieben. Da sich seine Schule im Bereich Köln befand und nicht im Bonner Raum, war die hiesige Polizei zuständig – was mir ein paar lange Wege ersparte!
„Duffy, das ist nun wirklich die mieseste Art zu improvisieren, die ich je gesehen habe.“
„Ich habe ihn nicht umgebracht. Jemand muss mitbekommen haben, dass wir uns gestritten haben und hat das ausgenutzt.“
„Tja, offensichtlich. Ich traue dir nämlich eigentlich nicht zu, dass du ihn umgelegt hast, zu Tode gelangweilt ja, aber kaltblütig ermordet. Gut, erzähl mir was.“
Duffy stützte den Kopf auf seine Hand. „Also, jemand hat meinen Schulleiter umgebracht.“
„So weit habe ich es mir bisher auch zusammenreimen können.“
„Aber ich war es nicht!“
„Tja, das weißt du und ich... naja, ich nehme es jedenfalls an. Wie sieht es mit so profanen Dingen aus wie, sagen wir mal, einem Alibi?“
Er schüttelte den Kopf.
„Naja, das beweist nichts.“
„Man hat meine Fingerabdrücke auf der Mordwaffe gefunden!“
„Hmmmm, dafür kann es eine Erklärung geben.“
„Und man hat sein Blut auf meiner Jacke gefunden!“
„Wäre es möglich, dass du ihn vielleicht doch umgelegt hast? Nein, hmmm, aber ich würde mal sagen gegen Lee Harvey Oswald hat es damals weniger Beweise gegeben. Hmmm, lass uns das ganze mal rekonstruieren. Also du hast dich im Schulbuchlager versteckt... Nein, Quatsch! Dein Schulleiter, wie hat er denn den Löffel gereicht?“
„Harry, verdammt, ich habe ihn nicht umgebracht, also frag mich das nicht.“
„Ich vergaß. Gut, ich werd mir den Polizeibericht besorgen. Aber du weißt ja, ich bin nicht billig! Nein, spar dir deine nächste Bemerkung. Okay, ich werd mal sehen, was ich tun kann, obwohl ich ja eigentlich noch Urlaub machen wollte...“ Er sah mich wenig glücklich an. „Hey, Duffy, nimm‘s locker! Das ist das erste mal, dass man dich wegen Mordes anklagt, genieß es! Beim nächsten Mal wird’s schon weniger witzig und wenn sie dich dann wegen Amoklaufs einkassieren, gewöhnst du dich langsam dran.“
„Du hast wirklich ein Faible dafür, immer das Falsche zu sagen, oder?“
„Tja, wir müssen unsere Talente eben weiterentwickeln! Ach ja, wer könnte von eurem Streit gewusst haben?“
„Die ganze Schule.“
„Das ist ja... glorreich! Warum nicht gleich die ganze Stadt? Vielleicht hättest du einen Aushang machen sollen?“
„Was soll ich nur tun?“
„Plädiere auf unzurechnungsfähig! Wo fand die mörderische Tat statt?“
„In der Schule.“
„Auf dem Schulhof?“
„In seinem Zimmer.“
„Prachtvoll. Kannst du mir sagen wie das Blut an deine Jacke gekommen ist?“
„Ich hatte meine Jacke in seinem Zimmer vergessen. Heute Morgen hatten wir wieder eine... Unterredung. Und weil es so heiß war habe ich meine Jacke ausgezogen und über den Stuhl gehängt.“
„Und als du dann gegangen bist hast du sie vergessen, so wie du früher immer deine Seife in der Dusche vergessen hast.“
„Fängst du jetzt wieder damit an?“
„Hey, das zeigt doch, dass du es gar nicht gewesen sein kannst! Oder es wirft ein schlechtes Licht auf dein Gedächtnis. Wieauchimmer, du vergisst deine Seife... Jacke , er wird ermordet und jetzt ist sein Blut drauf und das lässt dich natürlich ziemlich verdächtig dastehen. Was uns zu den Fingerabdrücken auf der Mordwaffe bringt.“
„Ich glaube, er wurde erstochen. Man hat mir seinen Brieföffner gezeigt und gesagt, das wäre die Mordwaffe und darauf würden sich meine Fingerabdrücke befinden.“
„Und wie können die da wohl hingekommen sein?“
„Ich habe ein bisschen mit dem Teil rumgespielt. Du kennst das doch...“
„Ja, stimmt, du spielst ja immer mit irgendwas von fremderleuts Schreibtischen herum. Was war da noch mal mit dem Alibi?“
„Ich befand mich zu der Zeit im Kartenraum.“
„Beim Kartenspielen also?“
„Ich habe da eine Karte für meinen Unterricht gesucht.“
„Und es war dort natürlich niemand sonst, ja? Tja, hast du eine Idee, wo ich anfangen soll?“
„Ich denke, du bist der Detektiv.“
„Das sagen alle. Okay, ich werd mal sehen, was ich rausbekommen kann. Lass dir die Zeit im Knast nicht zu lang werden. Ach ja, ein Tipp noch.“ Er sah mich fragend an. „Heb niemals, wirklich niemals die Seife auf!“
Glücklicherweise war es nicht Prosser, der den Fall bearbeitete. Es war mein alter Kollege Lohmann, von dem ich mich wunderte, dass er noch immer bei der Polizei war. Er war fast erfreut mich zu sehen, besonders, als ich ihm den Grund meiner Anwesenheit erklärte.
„Ich darf Ihnen nichts über den Fall sagen.“
„Das müssen Sie sogar, da es sich bei dem Tatverdächtigen um meinen Klienten handelt und wenn Sie mir keine Auskunft geben, werde ich einen richterlichen Beschluss erwirken, der Ihnen die weiteren Ermittlungen untersagt!“ Ich erzählte immer irgendetwas in dieser Richtung und immer ließen sie sich dadurch einschüchtern. „Würden Sie mir jetzt bitte etwas über den Tathergang erzählen?“
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