Wie wenig vermögen diese paar Worte jene Seite des großen Feldherrn zu würdigen; nur wenn man den wunderbaren Ausgang dieses Kampfes sorgfältig ins Auge faßt und den Ursachen nachspürt, die ihn herbeigeführt, wird man von der Überzeugung durchdrungen, daß nur des Königs scharfer Blick ihn durch alle Klippen glücklich geführt hat.
Dies ist die eine Seite, welche wir an diesem großen Feldherrn bewundern, in dem Feldzug von 1760 und in allen anderen, aber in diesem vorzugsweise, weil er in keinem einer so überlegenen feindlichen Macht mit so geringen Opfern das Gleichgewicht gehalten hat.
Die andere Seite trifft die Schwierigkeit der Ausführung. Die Märsche zu einer Umgehung rechts und links sind leicht entworfen; der Gedanke, sein Häuflein immer dicht beisammen zu halten, um dem zerstreuten Feinde überall gewachsen zu sein, sich mit schnellen Bewegungen zu vervielfältigen, ist ebenso leicht gefunden als ausgesprochen; die Erfindung also kann unsere Bewunderung nicht erwecken, und von so einfachen Dingen bleibt nichts übrig, als zu gestehen, daß sie einfach sind.
Aber ein Feldherr versuche es einmal, diese Dinge Friedrich dem Großen nachzutun. Lange hinterher haben Schriftsteller, die Augenzeugen waren, von der Gefahr, ja von der Unvorsichtigkeit gesprochen, welche mit des Königs Lagern verbunden gewesen, und wir dürfen nicht zweifeln, daß im Augenblick, wo er sie nahm, diese Gefahr dreimal so groß erschien als hinterher.
Ebenso war es mit den Märschen unter den Augen, oft unter den Kanonen des feindlichen Heeres. Friedrich der Große nahm jene Lager und tat diese Märsche, weil er in Dauns Verfahrungsweise, in seiner Aufstellungsart, seiner Verantwortlichkeit und seinem Charakter diejenige Sicherung fand, die seine Lager und Märsche gewagt, aber nicht unbesonnen machten. Aber es gehörte des Königs Kühnheit, Entschlossenheit und die Stärke seines Willens dazu, um die Dinge so zu sehen und nicht von der Gefahr, von welcher man 30 Jahre hinterher noch schreiben und sprechen konnte, irre gemacht und abgeschreckt zu werden. Wenige Feldherren würden an Ort und Stelle diese einfachen Mittel der Strategie ausführbar geglaubt haben.
Nun wieder eine andere Schwierigkeit der Ausführung: des Königs Armee ist in diesem Feldzug unaufhörlich in Bewegung. Zweimal zieht sie hinter Daun her und, gefolgt von Lacy, auf schlechten Nebenwegen von der Elbe nach Schlesien (anfangs Juli und anfangs August). Sie muß in jedem Augenblick schlagfertig sein und ihre Märsche mit einer Kunst einrichten, die notwendig eine ebenso große Anstrengung zur Folge hat. Obgleich von Tausenden von Wagen begleitet und aufgehalten, ist ihre Verpflegung doch nur höchst kümmerlich. In Schlesien ist sie bis zur Schlacht von Líegnitz, 8 Tage lang, in beständigen Nachtmärschen verwickelt, immer in Auf- und Niederziehen an der feindlichen Front begriffen; – das kostet gewaltige Anstrengungen, das fordert große Entbehrungen.
Kann man glauben, daß sich das alles zugetragen habe ohne eine starke Friktion in der Maschine? Kann der Geist des Feldherrn solche Bewegungen mit der Leichtigkeit hervorbringen wie die Hand des Feldmessers die Bewegungen seines Abstrolabiums? Durchschneidet nicht der Anblick dieser Mühseligkeiten der armen hungernden und durstenden Kampfgenossen tausendmal das Herz der Führer und des obersten Führers? Kommen nicht die Klagen und Bedenklichkeiten darüber an sein Ohr? Hat ein gewöhnlicher Mensch Mut, dergleichen zu begehren, und werden solche Anstrengungen nicht unvermeidlich den Geist des Heeres herunterbringen, seine Ordnung lösen, kurz seine militärische Tugend untergraben, wenn nicht ein mächtiges Vertrauen zu der Größe und Unfehlbarkeit des Feldherrn alles gutmacht? – Hier also ist es, wo man Respekt haben soll; diese Wunder der Ausführung sind es, welche wir bewundern müssen. Alles dies aber fühlt sich mit seinem ganzen Gewicht nur, wenn man durch die Erfahrung einen Vorgeschmack davon bekommt; wer den Krieg nur aus Büchern und von Exerzierplätzen kennt, für den ist im Grunde dieses ganze Gegengewicht des Handelns nicht vorhanden; er möge daher, was ihm aus eigener Erfahrung nicht werden kann, von uns auf Treu und Glauben annehmen.
Wir haben durch dieses Beispiel dem Gange unserer Vorstellungen mehr Klarheit geben wollen und eilen nun zum Schluß dieses Kapitels zu sagen, daß wir in unserer Darstellung der Strategie diejenigen einzelnen Gegenstände derselben, welche uns die wichtigsten scheinen, sie mögen nun materieller oder geistiger Natur sein, auf unsere Weise charakterisieren, von dem Einzelnen zum Zusammengesetzten fortschreiten und mit dem Zusammenhang des ganzen kriegerischen Aktes, d. h. mit dem Kriegs- und Feldzugsplan schließen werden.
Anmerkung. In dem Manuskript einer früheren Bearbeitung des zweiten Buches befinden sich folgende Stellen von der Hand des Verfassers: „für das erste Kapitel des dritten Buches zu benutzen“, bezeichnet. Die beabsichtigte Umarbeitung dieses Kapitels unterblieb, man gibt daher die erwähnten Stellen ihrem vollen Inhalte nach.
Durch die bloße Aufstellung von Streitkräften auf einem Punkt wird ein Gefecht daselbst bloß möglich, und nicht immer findet es wirklich statt. Ist nun jene Möglichkeit schon als Realität zu betrachten, als ein wirkliches Ding? Allerdings. Sie wird es durch ihre Folgen, und diese Wirkungen, welche sie auch sein mögen, können niemals fehlen.
Mögliche Gefechte sind der Folgen wegen als wirkliche zu betrachten
Wenn man einen Haufen absendet, um dem fliehenden Feinde den Rückweg zu versperren, und er sich darauf ergibt, ohne weiter zu fechten, so ist es doch nur das Gefecht, welches ihm dieser abgesandte Haufen anbietet, wodurch sein Entschluß hervorgebracht ist.
Wenn ein Teil unseres Heeres eine feindliche Provinz besetzt, die ohne Verteidigung war und dem Feinde dadurch beträchtliche Kräfte zur Ergänzung seines Heeres entzieht, so ist es nur das Gefecht, welches dieser abgesandte Teil dem Feinde vorher sehen läßt, im Fall er die Provinz wieder nehmen wollte, wodurch wir im Besitz derselben bleiben.
In beiden Fällen hat also die bloße Möglichkeit des Gefechts Folgen gehabt und ist dadurch in die Reihe der wirklichen Dinge getreten. Gesetzt, der Feind hätte in beiden Fällen unseren Korps andere entgegengestellt, denen sie nicht gewachsen wären, und sie dadurch bewogen, ohne Gefecht ihren Zweck aufzugeben, so ist zwar unser Zweck verfehlt, aber das Gefecht, welches wir dem Feinde auf diesem Punkte anboten, darum doch nicht ohne Wirkung geblieben, denn es hat die feindlichen Kräfte herbeigezogen. Selbst dann, wenn uns das ganze Unternehmen zum Schaden gereicht, kann man nicht sagen, daß jene Aufstellungen, jene möglichen Gefechte ohne Wirkung geblieben seien; diese Wirkungen sind dann denen eines verlorenen Gefechts ähnlich.
Auf diese Weise zeigt sich, daß die Vernichtung der feindlichen Streitkräfte und die Niederwerfung der feindlichen Macht nur durch die Wirkungen des Gefechts geschehen, sei es, daß es wirklich stattfinde, oder daß es bloß angeboten und nicht angenommen werde.
Doppelter Zweck des Gefechts
Aber diese Wirkungen sind auch doppelter Art: unmittelbare und mittelbare. Das letztere sind sie, wenn andere Gegenstände sich einschieben und Zweck des Gefechts werden, die nicht schon an sich als Vernichtung feindlicher Streitkräfte angesehen werden können, sondern die erst dazu führen sollen, zwar mit einem Umweg, aber mit um so größerer Gewalt. Der Besitz von Provinzen, Städten, Festungen, Straßen, Brücken, Magazinen usw. kann der nächste Zweck eines Gefechts sein, aber niemals der letzte. Immer müssen diese Gegenstände nur als Mittel zu größerer Überlegenheit angesehen werden, um dem Gegner zuletzt in solcher Lage das Gefecht anzubieten, daß es ihm unmöglich ist, dasselbe anzunehmen. Es sind also alle diese Dinge nur als Zwischenglieder, gleichsam als Leiter des wirksamen Prinzips anzusehen, niemals als das wirksame Prinzip selbst.
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