Es ist nichts Ungewöhnliches, dass man hier gehässig angegrinst wird …
„Hier!“, ertönte auf einmal die Stimme des Wirts und ein Glas wurde heftig auf Sirians Tisch geknallt. Die Flüssigkeit in dem Glas sah mehr nach dem Versuch eines jungen Magiers aus, ein Rattengift zu mischen, als ein Getränk, aber als er den schadenfrohen Blick des Wirts sah, griff er nach dem Glas und nahm einen Schluck von dem Gebräu.
Das gehässige Grinsen des Wirts gefror und mit einem wütenden Schnauben warf der Wirt sich einen Lappen auf die Schulter, bevor er sich wieder seinen Gläsern zuwandte. Gerade rechtzeitig, denn länger hätte Sirian ein Keuchen nicht zurückhalten können. Das Gebräu floss wie flüssiges Feuer seine Kehle hinab und er hielt sich ächzend den Hals.
Letzter Herrscher, was ist das für ein Zeug? Wasser aus den Docks?
Zu Sirians Glück hatte es niemand bemerkt; niemand außer dem Mann in der hintersten Ecke, der genüsslich einen weiteren Zug seiner Pfeife nahm.
Sirian warf dem Mann einen verstohlenen Blick zu, nahm dabei einen erneuten Schluck seines Getränks. Diesmal brannte es nicht so heftig, sondern war viel mehr beruhigend, betörte die Sinne. Der Mann mit der Pfeife rieb sich das Kinn und musterte Sirian mit einem neugierigen Blick, als würde er ihn irgendwie einschätzen wollen. Sirian wandte demonstrativ den Blick ab, schaute aus dem grünen Fenster. Die ganze Taverne spiegelte sich in der grünen Glasscheibe und Sirian meinte zu sehen, wie das Lächeln des Mannes breiter wurde.
Das habe ich mir eingebildet …, Sirian rieb sich die Stirn und bettete das Gesicht in Händen, ich hatte nur zu viel Stress die letzten Tage. Es wird alles wieder gut, wenn wir den Mörder erst mal gefunden haben.
Sirian trank in einigen hastigen Zügen das Glas leer, stellte es auf den Tisch und winkte dem Wirt zu. Mürrisch stapfte der Wirt zu ihm herüber, nahm das Glas entgegen und machte Anstalten, sofort wieder zu gehen, aber Sirian packte in an der Schürze und zog ihn zu sich heran. Die Augen des Wirts weiteten sich und er wollte laut los brüllen, aber Sirian langte in eine Tasche seines Wamses und holte ein Goldstück heraus.
„Reden wir“, flüsterte er leise und musste sich ein Lächeln verkneifen, als sich der Blick des Wirts aufhellte und er sich setzte.
„Gut, reden wir.“
Sirian nickte und legte das Goldstück auf den Tisch. Der Wirt streckte seine Finger danach aus und ließ das Goldstück schneller verschwinden, als Sirian es ihm zugetraut hätte.
„Wer ist der Kerl da hinten mit der Pfeife?“, raunte Sirian leise.
Der Wirt sah zu der Ecke hinter und ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht auf.
„Hey, hey, ganz ruhig. Ich verrate hier Geheimnisse über einen Kunden. Das kostet etwas mehr, Jungchen.“
Die Hand des Wirts wanderte in Richtung von Sirians Wamstasche, aber Sirian hielt die Hand des Wirts mit eisernem Griff fest, setzte ein gespielt freundliches Lächeln auf.
„So läuft das nicht. Pro Information ein Goldstück. Das erste Goldstück wartet auf seinen Wert, Herr Wirt.“
Der Wirt kräuselte die Lippen, setzte eine beleidigte Miene auf, doch die Gier war größer als der Groll auf Sirian.
„Der Mann gehört zu einer mächtigen Gruppe mit Geld, die sich im Hafenviertel normalerweise nie blicken lässt. Sein Name ist Avon. Ein mieses Arschloch, aber er zahlt gut.“
Der Wirt lachte laut und streckte wartend die Hand aus. Sirian wartete einen Moment, dann ließ er ein weiteres Goldstück in der Hand des Wirts auftauchen.
Mit solchen 'Kräften' kommt man hier im Hafenviertel fast überall hin …
„Wer ist er und was will er hier, wenn seine Gruppe normalerweise nie hier ist?“
Der Wirt runzelte die Stirn in lehnte sich auf dem Stuhl zurück, der Mitleid erregend knirschte, verschränkte die Arme vor der Brust und zog ein wenig seinen voluminösen Bauch ein, damit er nicht gegen den Tisch stieß.
„Soweit ich es verstanden habe, ist er hinter irgendjemandem her, der … sagen wir, Ärger macht.“ Sirian zuckte leicht zusammen, doch er beruhigte sich sofort wieder und wandte den Blick von dem Mann mit der Pfeife ab.
„Und was macht der? Wozu ist er gut?“, fragte Sirian und überreichte ein weiteres Goldstück. Der Wirt beugte sich über den Tisch zu Sirian herüber und grinste so breit, dass Sirian die gelben Zähne sehen konnte.
„Er ist gut im Töten. Vor allem so töten, dass es aussieht wie ein Unfall. Wenn ich du wäre“, der Wirt leckte sich über die Lippen und lachte leise, „würde ich aufpassen und versuchen, ihm nicht in die Quere zu kommen.“
Sirian wurde etwas blasser und verzog seine Augen zu funkelnden Schlitzen.
Ein Auftragsmörder also … ich als Adept des Ordens sollte entweder die Garnison alarmieren oder versuchen, ihn auf eigene Faust zu erwischen, damit ich ihn befragen kann. Vielleicht, wenn ich ihm eine kleine Falle stelle …
„Kann ich dir noch was bringen, Jungchen?“, fragte der Wirt belustigt und Sirian schüttelte den Kopf, erhob sich und atmete tief durch.
„Danke, nein, ich denke …“´, er stockte und warf aus den Augenwinkeln einen misstrauischen Blick auf den Mann mit der Pfeife, „ … es ist besser, wenn ich jetzt gehe.“
Der Wirt schnaubte leise, nickte in Richtung Tür und streckte sich genüsslich auf dem Stuhl; für ihn war Sirian bereits fort. Sirian trat leicht bebend aus der Taverne und draußen schüttelte er sich in der eisigen Kälte, schlug die Arme um sich. Hoch über ihnen donnerte es laut und Sirian fluchte leise. Das Regenwasser der letzten Tage war fast nicht mehr abgeflossen; sollte es jetzt noch einmal so regnen, wäre das Viertel wieder überflutet.
Sirian unterdrückte einen weiteren Fluch, sprang von den Stufen der Taverne hinab und machte sich auf zum Haus seiner Schwester, wobei er plante, einen kleinen Umweg einzulegen.
Ich weiß noch immer nicht, wie ich es ihr sagen soll. Es könnte jederzeit soweit sein und sie denkt, sie wäre vollkommen gesund und habe nur ein kleines Fieber; Fieber lässt sich mittlerweile ziemlich leicht heilen, aber die Eversia … die ist unheilbar!
Als er wieder um die Ecke bog, die den Blick auf die Taverne verdeckte, hörte er, wie die Tür der Taverne laut zugeschlagen wurde. Verwundert blieb er stehen und lauschte. Jemand sprang von den Stufen, landete mit einem lauten Klatschen in eine der zahllosen Pfützen und lief schnell und vor allem viel zu leise in Sirians Richtung. Anstatt schnell weiterzulaufen, schlich Sirian zu der Ecke zurück und warf einen schnellen Blick auf die Straße, die zu der Taverne führte. Der Mann aus der Taverne, der mit der Pfeife, eilte in seine Richtung, das lange blonde Haar war im Nacken zusammengebunden. Sirian wusste, wann ein Mann, der langes Haar trug, dieses zusammen band.
Nämlich wenn man einen Kampf erwartet!
Sirian wich einige Schritte zurück, weg von der Ecke und aus dem Sichtfeld des Mannes. Er musste hier weg und zwar schnell! Sirian drehte sich um und sprintete in das Labyrinth aus dunklen Gassen, jedoch nicht zum Haus seiner Schwester! Er musste den Mann, diesen Avon, von seiner Schwester ablenken. Sirian war es nicht gewohnt, lange zu rennen. In dem Training des Ordens, hoch in den Bergen hinter Moréngard lehrte man jemanden, schnell zu sein und zwar auf eine kurze Distanz, um Fliehende einzuholen. Doch niemand kam auf den Gedanken ihnen beizubringen, lange Strecken ohne Pause zu rennen. Man dachte, das andere Training würde die Ausdauer schon genügend fördern und damit hatten die Lehrmeister auch prinzipiell Recht, aber während Sirian sprintete, hörte er auch auf die Schritte Avons. Avon trabte mit konstanter Geschwindigkeit hinter Sirian her, verlor nicht ein Mal die Balance, während Sirian immer wieder auf dem nassen Kopfsteinpflaster ausrutschte und manchmal sogar fast hinfiel. Avon schien extra dafür trainiert worden zu sein, lange Strecken schnell zu laufen.
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