Gleich so wehrete sie's vom Leibe dir, wie wenn die Mutter
Wehrt vom Sohne die Flieg, indem süßschlummernd er daliegt;
Aber dorthin lenkt' es die Herrscherin, wo sich des Gurtes
Goldene Spang ihm schloß, und zwiefach hemmte der Harnisch.
Stürmend traf das Geschoß den festanliegenden Leibgurt,
Sieh, und hinein in den Gurt, den künstlichen, bohrte die Spitze;
Auch in das Kunstgeschmeide des Harnisches drang sie geheftet
Und in das Blech, das er trug zur Schutzwehr gegen Geschosse,
Welches am meisten ihn schirmt', allein sie durchdrang ihm auch dieses;
Und nun ritzte der Pfeil die obere Haut des Atreiden,
Daß ihm sogleich vorströmte das dunkelnde Blut aus der Wunde.
Wie wenn ein Elfenbein die Mäonerin oder die Karin,
Schön mit Purpur gefärbt, zum Wangenschmucke des Rosses
(Dort nun liegt's im Gemach, und viel der reisigen Männer
Wünschten es wegzutragen; doch Königen hegt sie das Kleinod,
Beides ein Schmuck dem Rosse zu sein und Ehre dem Lenker):
Also umfloß, Menelaos, das färbende Blut dir die Schenkel,
Stattlich von Wuchs, und die Bein' und zierlichen Knöchel hinunter.
Schauer durchdrang alsbald den Herrscher des Volks Agamemnon,
Als er sah, wie das Blut ihm schwarz hinfloß aus der Wunde;
Schauer durchdrang ihn selber, den streitbaren Held Menelaos,
Aber sobald er die Schnur auswärts und die Haken erblickte,
Ward von neuem mit Mut sein männliches Herz ihm erfüllet.
Schwer aufseufzend begann der Völkerfürst Agamemnon,
Haltend die Hand Menelaos', es seufzten umher die Genossen:
O du teurer Bruder, zum Tode dir schloß ich das Bündnis,
Dich allein hinstellend, für uns mit den Troern zu kämpfen!
Denn dich trafen die Troer, das heilige Bündnis zertretend!
Aber umsonst ist nimmer der Eidschwur oder der Lämmer
Blut, noch der lautere Wein und der Handschlag, dem wir vertrauet.
Wenn auch jetzo sogleich der Olympier nicht es vollendet,
Doch vollendet er spät! Und hoch ihm werden sie büßen,
Werden mit eigenem Haupte, mit Weib und Kindern es büßen!
Denn das erkenn ich gewiß in des Herzens Geist und Empfindung:
Einst wird kommen der Tag, da die heilige Ilios hinsinkt,
Priamos selbst und das Volk des lanzenkundigen Königs!
Dann wird Zeus, der Kronid, aus strahlender Höhe des Äthers
Gegen sie all erschüttern das Graun der umnachteten Ägis,
Zürnend ob solchem Betrug! Geschehn wird dieses unfehlbar!
Aber in bitteren Schmerz versenkst du mich, o Menelaos,
Wenn du stirbst und das Maß der Lebenstage nun füllest!
Siehe, voll Schmach dann kehrt ich zur wasserdürstigen Argos!
Denn alsbald gedächten des Vaterlands die Achaier,
Und wir verließen den Ruhm dem Priamos hier und den Troern,
Helena, Argos' Kind; es moderten deine Gebeine,
Liegend in Trojas Gefild, am unvollendeten Werke!
Mancher vielleicht dann spräche der übermütigen Troer,
Fröhlich das Grab umhüpfend dem rühmlichen Held Menelaos:
Daß doch so bei allen den Zorn vollend' Agamemnon,
Wie er jetzo umsonst herführte das Volk der Achaier!
Denn schon kehret' er heim zum lieben Lande der Väter,
Leer die sämtlichen Schiff', und verließ den Held Menelaos!
Also spräche man einst. Dann reiße sich weit mir die Erd auf!
Doch ihn tröstete so der bräunliche Held Menelaos:
Sei getrost und schrecke noch nicht das Volk der Achaier.
Nicht zum Tod hat jetzo das scharfe Geschoß mich verwundet,
Sondern mich schützte der Gurt von getriebener Pracht und darunter
Auch die Bind und das Blech, das Erzarbeiter gebildet.
Ihm antwortete drauf der Herrscher des Volks Agamemnon:
Möcht es doch also sein, du Geliebtester, o Menelaos!
Aber es prüfe der Arzt die blutende Wund und lege
Linderung drauf, um vielleicht die dunkele Qual zu bezähmen.
Sprach's, und rief Talthybios schnell, den göttlichen Herold:
Auf, Talthybios, eil und rufe mir schleunig Machaon,
Ihn, Asklepios' Sohn, des unvergleichbaren Arztes,
Anzuschaun Menelaos, den streitbaren Fürsten Achaias;
Diesen traf mit Geschoß ein bogenkundiger Troer
Oder ein Lykier jetzt, zum Ruhme sich, uns zur Betrübnis.
Jener sprach's, da gehorchte des Königes Worte der Herold;
Schnell durchging er die Scharen der erzumschirmten Achaier,
Schauete forschend umher und fand den Helden Machaon
Stehend, und rings um den Herrscher die starke, geschildete Heerschar
Seines Volks, das ihm folgt' aus der rossenährenden Trikka.
Nahe trat er hinan und sprach die geflügelten Worte:
Auf, Asklepios' Sohn, dich ruft der Fürst Agamemnon,
Anzuschaun Menelaos, den streitbaren Sohn des Atreus:
Diesen traf mit Geschoß ein bogenkundiger Troer
Oder ein Lykier jetzt, zum Ruhme sich, uns zur Betrübnis.
Jener sprach's, ihm aber das Herz im Busen erregt' er;
Schnell durchwandelten sie das Gedräng in den Scharen Achaias.
Als sie nunmehr hinkamen, wo Atreus' Sohn Menelaos
Blutend stand, und um jenen die Edelsten alle versammelt
Rings, er selbst in der Mitte, der götterähnliche Streiter,
Zog er sofort das Geschoß aus dem festanliegenden Leibgurt;
Und wie er auszog, bogen die spitzigen Haken sich rückwärts.
Hierauf löst' er den Gurt von getriebener Pracht und darunter
Auch die Bind und das Blech, das Erzarbeiter gebildet.
Als er die Wunde geschaut, wo das herbe Geschoß ihm hineindrang,
Sog er das quellende Blut und legt' ihm lindernde Salb auf,
Kundig, die einst dem Vater verliehn der gewogene Cheiron.
Während sie dort umeilten den Rufer im Streit Menelaos,
Zogen bereits die Troer heran in geschildeten Schlachtreihn.
Jen' auch hüllten sich wieder in Wehr und entbrannten von Streitlust.
Jetzt nicht hättest du schlummern gesehn Agamemnon den Herrscher,
Nicht hinab sich schmiegen und nicht unwillig zu kämpfen,
Sondern gefaßt hineilen zur männerehrenden Feldschlacht.
Denn dort ließ er die Ross' und den erzumschimmerten Wagen;
Und sein Genoß hielt jene, die mutig schnaubenden abwärts,
Held Eurymedon, Sohn von Piräos' Sohn Ptolemäos.
Ihm gebot er mit Ernst, daß er nahete, würden ihm etwa
Matt die Glieder vom Gang, die Ordnungen rings zu durchwalten.
Selbst dann eilt' er zu Fuß und umging die Scharen der Männer.
Wo er nunmehr streitfertig erfand Gaultummler Achaias,
Nahe trat er hinan und sprach die ermunternden Worte:
Nun, Argeier, gedenkt rastlos des stürmenden Mutes!
Denn nicht wird dem Betruge mit Hilf erscheinen Kronion,
Sondern welche zuerst nun beleidigten wider den Eidschwur,
Deren Leichname sollen, ein Raub der Geier, vermodern;
Aber die blühenden Weiber und noch unmündigen Kinder
Führen wir selbst in Schiffen, nachdem die Stadt wir erobert!
Die er alsdann saumselig erfand zur traurigen Feldschlacht,
Solche straft' er mit Ernst und rief die zürnenden Worte:
Argos' Volk, Pfeilkühne, Verworfene, schämt ihr euch gar nicht?
Warum steht ihr dort so betäubt wie die Jungen der Hindin,
Die, nachdem sie ermattet vom Lauf durch ein weites Gefilde,
Dastehn, nichts im Herzen von Kraft und Stärke noch fühlend?
Also steht ihr jetzo betäubt und starrt vor der Feldschlacht!
Säumt ihr, bis erst die Troer herannahn, wo wir die Schiffe
Stellten mit prangendem Steuer am Strand der grauen Gewässer,
Dort zu sehn, ob schirmend Kronions Hand euch bedecke?
So mit Herrschergebot umwandelt' er jegliche Heerschar.
Jetzo erreicht' er die Kreter, im Gang durch der Männer Getümmel.
Jen' um Idomeneus her, den feurigen, standen gewappnet,
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