Es schien fast so, als habe er das mehr zu sich selbst gesagt. Doch Charlotta spürte bei seinen Worten, dass ein nie gekanntes Glücksgefühl in ihr aufstieg. Das lag nicht daran, dass sie gerade einen fantastischen Höhepunkt gehabt hatte … nicht nur … na gut, ein bisschen vielleicht doch … aber … ein Gefühl, das sie komplett erfüllte und das sie aus ihrer Beziehung mit Ralph nicht kannte.
Sie wollte nicht zu früh darüber urteilen, aber … war das Liebe? – Und falls ja, weshalb verspürte sie bei diesem Gedanken plötzlich einen unangenehmen Druck in der Magengegend?
Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als sie zum Dorf zurückkehrten. Zwei Männer, denen sie begegneten, grinsten beim Anblick der beiden mit ihrer zerknitterten und mit Grasflecken übersäten Kleidung anzüglich, und Charlotta schlug verschämt die Augen nieder. Rob hingegen schien das nicht zu stören.
Zurück in seinem Haus drehte Rob sich zu Charlotta um. Er wollte ihr vorschlagen, sie zum Pisap Inua zu bringen. Doch beim Anblick des zerzausten Haares, in dem er jetzt noch ein paar kleine Fichtennadeln entdeckte, ihrer geröteten Wangen und der glänzenden Augen wollte er nicht, dass sie ging. Er zog sie vorsichtig an sich, legte die Hände auf ihren Rücken und drückte sie sanft an seinen Körper.
»Ich will dich noch mal, Lotta. Jetzt!«, sagte er heiser und war begeistert über ihre Reaktion. Die Augen wurden noch größer, die Lippen öffneten sich, als wollte sie etwas sagen, und er glaubte, ein leises, zitterndes Einatmen zu vernehmen. Sie rückte nicht einen Zentimeter von ihm ab. Unter seinem Blick schlug sie die Augen nieder und legte dann ihre Stirn an seine Schulter.
Rob stöhnte verhalten auf. Mit einem Ruck hob er die überraschte junge Frau hoch, und mit einer für sie unfassbaren Leichtigkeit trug er sie in atemberaubendem Tempo in sein Schlafzimmer. Charlottas Blick fiel auf das Fenster. Doch bevor sie sich weiter umsehen konnte, umfasste Rob ihr Gesicht mit beiden Händen und zwang sie damit, ihn anzusehen. Ihre Pupillen schienen groß und schwarz, die graublaue Iris drumherum war nur noch als schmaler Ring zu erkennen. Sie schien in seinen Augen die Antwort auf eine Frage zu suchen, die sie ihm nicht gestellt hatte.
Rob legte eine Entschlossenheit an den Tag, ihr eine eindeutige Antwort auf die unausgesprochene Frage zu geben, die ihr erneut den Atem raubte. Er atmete tief ein, dann küsste er sie lange und so intensiv, dass Charlotta schwindelig war, als er sie wieder losließ. Widerstandslos ließ sie sich von ihm ihr T-Shirt über den Kopf ziehen. Und noch bevor sie wahrnahm, dass er sich an ihrem BH-Verschluss zu schaffen machte, lag sie schon auf dem Bett. Sie sah, wie Rob sich ebenfalls auszog, und im nächsten Augenblick lag er neben ihr.
Als er sich über sie beugte, zuckte Charlotta zusammen. »Uuh, deine Haut ist ja immer noch so heiß! Ich hab vorhin gedacht, das hätte ich mir nur eingebildet, weil meine so kalt war.«
Rob lachte. »Meine Körpertemperatur liegt immer ein paar Grad über der anderer Menschen. Das ist bei uns Wölfen so.«
Bei uns Wölfen … Wie selbstverständlich er von etwas sprach, bei dem sie sich noch immer nicht so ganz sicher war, ob sie nicht halluzinierte. Schließlich hatte Rob ihr was in ihr Glas getan und sie betäubt. Vielleicht befand sie sich ja noch immer in irgendeinem Drogenrausch. Das würde auch das Gefühl erklären, Rob habe sich mit ihr innerhalb von Sekundenbruchteilen in sein Schlafzimmer gebeamt. Ihre Stimme klang unsicher: »Dann weiß ich ja, wo ich mich melden muss, wenn mir mal kalt ist.«
Von Rob hörte sie nur erneut ein leises Lachen. Seine Lippen schlossen sich nämlich gerade um ihre Brustwarze. Charlotta spürte, wie er mit der Zunge darüber strich und sie umkreiste. Die Empfindungen, die augenblicklich durch ihren Körper schossen, schlugen überfallartig über ihr zusammen. Sie bog den Rücken durch und stöhnte laut auf. Wenn das wirklich ein Drogenrausch war, war er einfach unglaublich geil!
War vorhin nach Verlassen der Höhle am Fluss alles irrsinnig schnell gegangen, hatte Rob diesmal offensichtlich beschlossen, sich mehr Zeit zu nehmen. Viel mehr Zeit, obwohl Charlotta sich schon nach wenigen Minuten auf die Lippe biss, um ihn nicht anzuflehen, um Himmels willen nicht so unendlich langsam … quälend …
»Wow, du bist … das ist unglaublich.« Robs Stimme klang rau, und es schwang ein Ton darin mit, den Charlotta nicht so recht einordnen konnte. Sie fühlte sich plötzlich befangen – mehr noch als vor zwei Stunden. Verlegen suchte sie seinen Blick und war dann doch dankbar, als Rob nichts mehr sagte, sondern sie zärtlich an sich drückte, seine Nase in ihrem Haar vergrub und tief einatmete.
Auf dem Weg zum Pisap Inua ging Rob das Geschehen der vergangenen Stunden nicht aus dem Kopf. Er konnte sich nicht entsinnen, dass vorher schon einmal eine Frau seine Gedanken so ausgefüllt hatte wie Charlotta. Dann fiel ihm etwas ein. Er zögerte noch einen Augenblick. »Sag mal«, begann er nachdenklich. »Versteh mich nicht falsch, aber … wir waren heute ziemlich leichtsinnig.«
»Womit?« Sie sah ihn beunruhigt an.
»Na ja … für mich ist das ja nicht so das Problem, nicht zuletzt deshalb, weil ich weiß, dass du zu mir gehörst. Aber das ist ja das, was du noch für dich prüfen willst. Wenn wir jetzt aber … Was ist, wenn du schwanger wirst, Lotta?«
Er sah, wie Charlotta das Gesicht verzog. Dann blieb sie stehen. Sie atmete tief durch. »Ich … Ralph und ich haben vier Jahre lang versucht eine Familie zu gründen. Was soll ich sagen … es hat nicht geklappt. Meine Gynäkologin hat bei mir nichts gefunden, was dagegen sprechen könnte. Laut der Untersuchungsergebnisse des Urologen lag es aber ziemlich sicher auch nicht an Ralph.«
Rob sah sie bestürzt an. Zum einen merkte er, wie unglücklich sie war. Selbst der unsensibelste Mensch hätte gemerkt, dass es ihr schwergefallen sein musste, ihm das zu sagen. Schließlich sah er aber auch seinen eigenen Wunsch nach einer Familie zerplatzen. Andererseits versuchte er sich damit zu beruhigen, dass es sicherlich einen Grund gab, dass die alten Geister sie beide für einander ausgesucht hatten. Er war in dem Wissen aufgewachsen, dass nichts ohne Grund geschah.
»Es tut mir leid«, sagte Charlotta leise mit gesenktem Kopf. »Ich hätt’s dir vermutlich sofort schon beichten sollen.«
»Nun ja, bis vor wenigen Stunden war das ja noch nicht so eng mit uns, und damit ist so etwas eben auch kein naheliegendes Gesprächsthema. Abgesehen davon bist du, Lotta, diejenige, die für mich bestimmt ist. Als Charlotta, als Frau, und nicht als Mutter meiner Kinder.«
Verblüfft sah Charlotta ihn an. Dann wich die ungläubige Verwunderung der Dankbarkeit, und sie lächelte zaghaft. Rob legte seinen Arm um die junge Frau und drückte sie liebevoll an sich.
Rob brachte Charlotta bis zum Haus des Schamanen. Er wusste, dass er sich feige verhielt – aber so wenig ihn das anzügliche Grinsen der beiden Männer vorhin gestört hatte, so unangenehm schien ihm der Gedanke, dass der alte Schamane ihn wissen ließ, dass er wusste, was passiert war. Und – dass der alte Mann das wusste, daran hegte Rob keinen Zweifel.
»Du kannst einfach reingehen, ich bin mir sicher, er erwartet dich. Ich komme nachher vorbei, um dich abzuholen«, erklärte er ihr, als ihn ein Geräusch herumfahren ließ. Der Pisap Inua kannte Rob seit dessen Geburt. Daher erfasste er nicht zuletzt aufgrund von Robs überrascht-verlegenem Gesichtsausdruck sofort die knisternde Situation zwischen den beiden. Seine Gesichtszüge verrieten allerdings nichts, als er Charlotta ansah und ihr einladend eine Hand hinhielt. »Bis später«, sagte Rob hastig. Charlotta lief die Treppe hinauf und ergriff die ihr dargebotene Hand.
»Ich würde mich gerne noch mal mit dir unterhalten, um dich etwas besser kennenzulernen«, begann der Pisap Inua das Gespräch. Vorher hatte er wieder einen Tee aufgebrüht und eine Schale mit rauchenden Kräutern auf den Tisch gestellt. Der Rauch roch ähnlich wie am Tag zuvor, doch der Tee schmeckte anders, wie Charlotta beim ersten Schluck feststellen konnte.
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