„Oh Mist, Entschuldigung!“ Daniel beeilte sich, ihr ein Küchentuch in kaltes Wasser zu tränken. Derweil öffnete Diana bereits ihr Kleid und legte ihren Oberkörper frei. Daniel stand die Überraschung ins Gesicht geschrieben, als er sich wieder zu ihr umdrehte. Er reichte ihr das feuchte Tuch und drehte sich dann schnell ab. Auch sie drehte ihm den Rücken zu, während sie mit dem Tuch die verbrühten Stellen kühlte.
„Ich wusste gar nicht, dass du so schüchtern bist“, warf sie ihm über die Schulter hinweg zu. Sie hatte mit dieser Aussage lediglich einen Witz machen wollen, um die Situation wieder aufzulockern. In keinem Fall hätte sie damit das folgende Geschehen auslösen wollen.
Es vergingen keine drei Sekunden, bis Daniel sie von hinten umarmte. Sie spürte seinen warmen Körper an ihrem.
„Daniel, nein!“, forderte sie von ihm und drückte ihn von sich weg. „Lass das bitte.“ Sie musterte flüchtig seinen Oberkörper, den er freigelegt hatte, und musste zugeben, dass man erkennen konnte, was er studiert hatte. Zu ihrer Verwunderung warf er einen Blick auf sein Handy, bevor er antwortete: „Falls du Angst hast, ich könnte John irgendetwas sagen, darüber brauchst du dir bei mir keine Sorgen machen.“ Er öffnete seine Hose. Sie war zu überrascht, als dass sie etwas dagegen hätte sagen können und ertappte sich dabei, wie sie etwas zu lange auf seine roten Boxershorts blickte. Noch bevor er die Hose vollständig ausgezogen hatte, sah sie allerdings wieder ernst in seine Augen. „Hör auf. Es geht nicht darum, was du ihm sagst. Ich könnte ihn nie so verletzen.“ Sie machte Anstalten, sich ihr Kleid wieder anzuziehen, obwohl sie ihre Haut lieber weiter gekühlt hätte. Sanft legte Daniel seine Hand auf ihre, um sie daran zu hindern. Zärtlich sah er sie an. Mit seiner freien Hand strich er ihr über das Haar. „Ich denke, das hast du schon. Doch das ist auch nicht verwerflich. Immerhin macht er dich ganz offensichtlich nicht glücklich. Wohingegen du ebenso offensichtlich auf meinen Körper stehst.“ Er lachte und löste dadurch lediglich Wut in Diana aus. Sie suchte noch die passenden Worte für eine Erwiderung, als er ohne Vorwarnung seine Lippen auf ihre drückte. Mit den Händen umfasste er ihren Körper, um sie an sich zu ziehen. Sie wollte sich dagegen wehren, doch dazu kam es nicht. Das Knallen einer Tür drang in ihre Ohren und nur den Bruchteil einer Sekunde später wurde Daniels Körper durch eine unsichtbare Kraft von ihr fortgerissen. Sie wusste sofort, wer Ursprung dieser Macht war.
John.
Augenblicklich verschwand das benommene Gefühl, das der Alkohol in ihr ausgelöst hatte. Sie sah zur Küchentür, in der er tatsächlich stand. Für eine Sekunde setzte ihr Herzschlag aus. Sie hatte ihn noch nie so außer Atem gesehen. Sie sah, wie er sie und insbesondere ihren freien Oberkörper musterte. Mit ungläubigem Kopfschütteln trat er einen Schritt von ihr zurück. Trauer prägte seine Gesichtszüge.
„Wow“, kam es von der anderen Ecke der Küche, in welcher Daniel sich langsam wieder aufrichtete. John hatte ihn dort gegen die Wand prallen lassen. Daniels Körper hatte dabei einen Bilderrahmen, in dem sich ein Foto von Diana und John befunden hatte, von der Wand gerissen. Das zerbrochene Glas knirschte nun unter seinen Schuhen. „Also, der Trick ist gut. Den solltest du in deine Show aufnehmen. Ich nehme an, du verrätst mir nicht, wie du das gemacht hast?“, witzelte er, wobei er sich mit einer Hand den Rücken rieb.
Johns Blick legte sich unheilverkündend auf ihn. Erst jetzt zog sich Daniel langsam die Hose wieder hoch. Noch immer ging Johns Atem schwer. Es war eine Mischung aus Anwiderung, Schmerz und Aggressivität, die in seinen Augen lag. Ruckartig hob er seinen Arm in die Luft und in demselben Takt wurde Daniels Körper wieder gegen die Wand geworfen. Diana spürte, wie sie zu schwitzen begann, als ihr im vollen Umfang bewusst wurde, was John denken musste und was er zu tun bereit war, wenn er Daniel seine magischen Fähigkeiten so bereitwillig präsentierte. „Nein!“, stieß sie aus, zog eilends ihr Kleid wieder zurecht und eilte auf John zu. „John, bitte. Du musst mir glauben. Hier ist nicht das passiert, was du gerade vermutest. Sieh mich an!“ Sie fasste ihn an der Schulter.
Er zuckte zusammen, als risse sie ihn mit ihrer Berührung aus einer anderen Welt. Er sah zu ihr und Daniel fiel zurück auf den Boden.
„Bitte, John“, versuchte sie weiter zu ihm durchzudringen. „Ich habe mir nur Kaffee über mein Kleid geschüttet, das ist alles! Du weißt, dass das stimmt!“
„Ja und ich habe mir überall Kaffee hin geschüttet, ich Tollpatsch!“, ergriff Daniel nun lächelnd wieder das Wort. „John, ich würde ja sagen, es tut mir leid“, sprach er weiter, „aber das tut es nicht. Hier ist genau das passiert, wonach es aussieht. Dieses Mal hast du verloren. Aber keine Sorge, so gut war der Sex mit ihr nicht. Du kannst sie wiederhaben.“ Noch während er sprach, ging er auf sein T-Shirt zu. Er erreichte es nicht, denn mitten in seiner Bewegung ging er mit einem Schrei in die Knie. Seine Augen weiteten sich entsetzt. „Wie…?“, fragte er verblüfft und sah hinüber zu John.
„John, hör auf!“, forderte Diana panisch, doch John reagierte gar nicht darauf. Daniels Schreie wurden immer lauter.
„John, hör auf! Tu ihm nichts! Er lügt. Da war nichts!“
John schüttelte sie nur ab, als sie nach seinem Arm griff. Er ging an ihr vorbei und weiter auf den am Boden liegenden Daniel zu. Dieser sah schreiend auf seine Hand hinab, deren Finger alle in einem seltsamen Winkel zur Handfläche standen. Voller Angst blickte Daniel zu John auf, als dieser vor ihm stand.
„John, bitte. Ich habe nicht wirklich…“, begann er. Der Rest seines Satzes verwandelte sich in ein Krächzen. Die Haut an seinem Hals wurde von einer unsichtbaren Macht zusammengedrückt.
Diana eilte zwischen die beiden Männer. „Es war nichts zwischen uns!“, wollte sie John überzeugen. Sie versuchte Daniels Versuche nach Luft zu ringen aus ihren Ohren zu vertreiben und sich lediglich auf John zu konzentrieren. Sie wusste, dass es das Wichtigste in diesem Moment war, zu ihm durchzudringen. Sie griff nach seiner Hand, die so aussah, als drücke sie etwas zusammen. „John, hör mir zu! Du darfst ihm nichts tun!“
Zwar sah er wieder zu ihr, sein Gesichtsausdruck aber blieb unverändert, als erkenne er sie gar nicht. Seine Augen waren feucht.
„Glaube mir doch“, versuchte sie ihn sanft zu überzeugen. „Ich würde dich nie betrügen. Lass ihn los. Bitte.“
Er blinzelte einmal. Und dann schloss er die Augen ganz. Nie wieder würde sie vergessen, wie sie in der nächsten Sekunde eine Bewegung seines Armes spürte. Eine kurze Drehung nach rechts. Und nie wieder würde sie das Knacken vergessen, das hinter ihr ertönte. Die plötzliche Stille, die sich im Raum ausbreitete, als Daniels Stimme verstummte.
Mit angehaltener Luft ließ sie John los. Zitternd biss sie sich auf die Unterlippe. Sie schüttelte den Kopf. „Das hast du nicht getan“, sagte sie zu John. Ihr wurde schwindelig. Die Stille im Raum dröhnte in ihren Ohren. „Nein, das hast du nicht getan“, wiederholte sie.
Johns Augen sahen wieder in ihre. In diesem Moment blickte er nicht durch sie hindurch und doch verschwand weder die Anwiderung noch der Schmerz aus seinem Gesichtsausdruck. Auch der Vorwurf nicht. Abrupt drehte er sich von ihr ab. Diana atmete tief ein. Sie schluckte. Sie spürte, wie ihre Augen sich weiteten, wie ihr Zittern sich ausbreitete, wie ihre Atmung unregelmäßiger wurde. „Nein, John!“, sagte sie leise unter Tränen, als er auf den Ausgang der Küche zuging. „Mach das rückgängig. Er wollte dich nur ärgern. Zwischen uns ist nichts gelaufen! Bitte, John!“
John drehte sich nicht mehr zu ihr um, sondern verließ die Küche und ließ die Küchentür hinter sich zuknallen, um sie alleine zurückzulassen. „Nein, John!“, flüsterte sie noch einmal. „Mach es rückgängig.“ Sie wusste nicht, ob er sie noch hören konnte, geschweige denn, ob er sie hören wollte, doch ihr war bewusst, dass es keinen Unterschied bedeuten würde. Sie heulte auf. John konnte keine Toten zurück ins Leben rufen. Was geschehen war, war unumkehrbar. Langsam drehte sie sich zu Daniel um und ging auf seinen leblosen Körper zu. Es geschah wie von selbst, dass sie sich zu ihm hinkniete und nach seinem Puls fühlte.
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