Wir zogen uns in den Umkleiden um, während die anderen mal wieder irgendein belangloses Zeug redeten, bei dem ich zwar oft nicht mitreden, aber zumindest drüber lachen konnte. Ich schlüpfte in einen bequemen Jogginganzug und ging mit den anderen auf den Sportplatz. Eigentlich war es auch kein richtiges Baseball, sondern Softball. Die Bälle waren größer und das Feld umso kleiner. Auch das Stehlen der Bases ließen wir aus.
Zunächst teilten wir uns in zwei Übungsgruppen zum Fangen und Werfen auf. Ich befand mich in einer Wurfübungsgruppe und erzählte während der Übung meinen Kollegen von meiner neuen Faszination für luzide Träume und deutete spaßeshalber an, ich könne im nächsten doch auch das Fangen mal üben. Ich konnte weder gut fangen noch zielsicher werfen, deshalb hasste ich es auch die Position des Pitchers zu spielen. Wir wechselten die Gruppen, nun waren wir mit Schlagen dran, was mir schon besser gelang. Da das Feld, wie schon erwähnt, recht klein gesteckt war, gelang mir auch ein zierlicher Home-Run.
Endlich spielten wir, es passierte nur immer irgendetwas Komisches dabei. Nach einem weiteren Schlag lief ich von der Home-Base zur ersten und legte mich ziemlich ins Zeug, um einen Force out zu vermeiden. Der Rasen jedoch war ziemlich nass, ich rutschte an der Base aus und verfehlte sie, so dass der Catcher vor mir drauf war. So ein Mist.
Mir tat die Seite nun ziemlich weh und als Werfer ging es mir gleich noch besser. Die Erinnerungen an den letzten Abend kamen wieder und ich wirkte glücklich verträumt, während ich den Ball zum Batter (Schlagmann) warf. Ich begann innerlich von Kathrin zu schwärmen und ehe ich mich versah, bekam ich den geschlagenen Ball an den Kopf. (Die Dinger heißen zwar Softballs, aber Leute, ich kann euch sagen, die Teile sind verdammt hart.) Schade eigentlich – das hätte ein schöner Fly out werden können, aber meinen Kollegen hatte es etwas schlimmer erwischt, er bekam einen in die Leisten. Unser Spiel lief auf Hochtouren, weshalb mir das Ende der Stunde umso früher vorkam, wo ich doch sonst immer unentwegt auf die Uhr schaute, wie lang es noch wäre. Wir packten zusammen und gingen zurück in die Umkleiden, um uns zu duschen.
Irgendwie schien ich der einzige zu sein, den es nicht störte ohne Boxer-Shorts vor den anderen zu duschen, dabei zogen sie sich doch eh für alle sichtbar eine neue an. Ich drehte das Wasser auf und ließ die Tropfen über meinen Körper prasseln, während ich wieder in Gedanken versank.
„Ey Domeo, was war heute los mit dir?“
Ich schwieg einen Moment und seifte mir die Haare ein. Ohne meinen Kommilitonen anzuschauen antwortete ich:
„Weiß nicht, irgendwie fühlt sich alles anders an.“
Er schaute mich etwas skeptisch an.
„Was laberst du denn, bist verknallt oder so?!“
Es wunderte mich, dass er das fragte, sonst hatten meine Mitschüler sich doch auch nie großartig für mich und mein Leben interessiert.
„Ach weißt du, ich bin im Moment einfach nur ziemlich verwirrt.“
Ich wusch mir die letzten Seifenreste vom Körper und trocknete mich ab. Derweil versuchte ich vom Thema abzulenken.
„Du sag mal hast du die Ausarbeitung gemacht, die wir zu heute aufhatten?“
Er zog die Augenbrauen nach oben.
„Seit wann machst du denn keine Hausaufgaben, du stehst mündlich bei 13 Punkten?“
Ich musste ein wenig darüber lachen.
„Ich mach die vielleicht zu einem Drittel, wenn überhaupt. Ich kann’s mir aber leisten und die Alte merkt es eh nicht.“
Ich zog mich an und verließ die Umkleide.
„Ciao, wir sehen uns später.“
„Ja ok, hau rein.“
Nach zwei Stunden hatte ich endlich Mittagspause und begab mich in die Cafeteria. Die war natürlich wieder brechend voll, weil es wieder irgendeinen ungesunden Fraß gab, den die Leute in sich rein schaufeln wollten. Ich hatte es mir derweil angewöhnt die etwas leichtere und gesündere Kost zu essen, weil mir alles schwer Verdauliche in den Nachmittagsstunden die Kraft raubte.
Ich stellte mich in die Schlange, welche noch immer ziemlich lang war und schaute nach neuen Nachrichten auf mein Handy. Das Netz im Gebäude war zu oft ziemlich schlecht, aber immerhin konnte ich lesen, was ich bislang empfangen hatte. Ich hatte eine Nachricht von Kathrin bekommen, sie bat mich nach der Schule bei ihr vorbeizukommen und ihr bei den Hausaufgaben zu helfen. Englisch war wirklich nicht ihr Steckenpferd, aber wenigstens hatte sie überhaupt ein Pferd.
Ich tippte wie ein Wilder, da sie bereits seit letzter Pause eine Antwort abwartete. Ich bemerkte zunächst nicht, dass mein alter Mathelehrer hinter mir stand, bis er mich forsch ansprach:
„Die Jungend von heute, nur noch am Handy.“
Ich fühlte mich irgendwie veräppelt. Ob er mir wohl aufs Display geschaut hatte?
„Ein bisschen mehr Diskretion, wenn ich bitten darf! Ich schreibe mit meiner Freundin.“
Moment mal… hatte ich das grade wirklich gesagt? Nannte ich Kathrin soeben meine Freundin? Ich denke nun war es amtlich und unausweichlich. Ich war selbst in sie verknallt und musste es ihr sagen.
Ich ließ mir das Mittagessen schmecken und fuhr mit dem nächsten Bus nach Hause. Wie ein Virus hatte mich der Gedanke an sie infiziert. Ich wusste, dass es schräg werden würde, doch nicht nur die Zukunft, sondern schier die ganze Zeit hielt mehr für uns bereit.
Während der Fahrt saß ich wie fast immer zu dieser Zeit alleine im Bus. Ich hörte Musik und mir fiel irgendwie auf, dass meine Präferenzen sich allmählich verschoben. Ich war zwar von Haus aus ein All-Round-Hörer, doch tendierte ich so langsam doch mehr zu Kathrins Musik. Hatte sie mich schon so weit beeinflusst? Ich achtete viel mehr auf die Texte, als ich es üblicherweise tat, auf eine seltsame Art und Weise berührten sie mich.
Der Bus hielt an, ich war endlich wieder in Werlte und machte mich zunächst auf dem Weg nach Hause. Ein langes Wochenende stand uns bevor und ich sagte meiner Mutter schon mal im Voraus, dass ich an diesem Abend vermutlich länger wegbleiben würde. Ich ging in mein Zimmer, warf die Schultasche in die Ecke und stopfte mir ein paar Zigaretten für den Tag. Da ich nicht wusste wie lang ich wegbliebe nahm ich mein Stopfzeug mitsamt einigen Hülsen mit.
Ich machte zunächst einen Zwischenstopp bei Katie, sie wohnte erstens vielleicht gerade mal 150m Luftlinie von mir entfernt, zweitens war sie eben meine beste Freundin und ich wollte sie als moralische Unterstützung dabeihaben. Ich klingelte bei ihr an der Tür und wie üblich öffnete mir ihr kleiner Bruder. „Sie ist oben.“
„Ja danke. Wahrscheinlich pennt sie mal wieder.“
Ich ging die Treppe hoch und betrat ihr Zimmer. Meine Vermutung hatte sich bestätigt, also ging ich an ihr Bett und rüttelte sie sanft wach.
„Hey Katie, kannst du mir ‘nen Gefallen tun?“
Sie schaute mich grimmig und verhöhnend an, wie sie es des Öfteren tat. So lange wie wir schon befreundet waren, sprach dieser Blick Bände, welcher auf eine seltsame Weise liebevoll war.
„Das ist besser verdammt wichtig, ich habe so schön geträumt grade. Arschloch!“
Wir fingen beide an zu lachen, denn wir wussten, wie sie es meinte.
„Naja… du weißt ja noch was Kai gesagt hatte. Ich war neulich bei ihr und heute wollte ich noch mal hin. Kannst du mich bitte begleiten? Ich glaub ich habe sie langsam echt liebgewonnen.“
Sie legte ihren Arm um meine Schulter und grinste mich schelmisch an.
„Naaa, ist da jemand verliebt?“
Ich wurde rot im Gesicht und drehte mich von ihr weg, während sie Kussgeräusche nachahmte.
„Ohh Mann, musst du mich immer ärgern?“
„Ja hallo?! Ich bin eine Katie, ich darf das.“
„Na super, jetzt muss ich wieder an die rote Ampel denken: `Naaa, musst du A-A?´“
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