»Es wäre schrecklich, Wildtödter,« rief das Mädchen plötzlich aus, »wenn meinem Vater und Hetty etwas Ernsthaftes zustieße! Wir dürfen hier nicht ruhig sitzen, und sie in den Händen der Irokesen lassen, ohne auf Mittel zu denken, ihnen zu dienen.«
»Ich bin bereit, Judith, ihnen zu dienen, und allen Andern, die in Nöthen sind, könnte man mir nur die Art und Weise zeigen, es zu tun. Es ist keine Kleinigkeit, in die Hände von Rothäuten zu fallen, wenn Leute auf ein Vorhaben ausziehen, wie das war, welches Hutter und Hurry ans Land lockte; das weiß ich so gut wie ein Andrer; und ich wünschte meinem schlimmsten Feind nicht, dass er in eine solche Klemme käme, viel weniger Solchen, mit denen ich gereist bin, gegessen und geschlafen habe. habt Ihr irgend einen Plan, dessen Ausführung Ihr von der Schlange und mir versucht wünschtet?«
«Ich kenne kein anderes Mittel, die Gefangnen frei zu machen, als Bestechung der Irokesen. Sie sind Geschenken nicht unzugänglich; und wir könnten ihnen vielleicht Genug bieten, um sie auf den Gedanken zu bringen, es sei besser, reiche Gaben, nach ihrer Schätzung, mit fort zu nehmen, als arme Gefangene; – wenn sie sie wirklich überhaupt wegführen sollten!«
»Das ist ganz gut, Judith; ja, es ist ganz gut, wenn der Feind sich erkaufen läßt, und wir Artikel finden können, um damit den Kauf zu zahlen. Euer Vater hat eine bequeme Wohnung, und sie ist sehr schlau gewählt und angelegt, aber sie scheint nicht übermäßig versehen mit Reichthümern, welche seine Freilassung erkaufen dürften. Da das Gewehr, das er Killdeer nennt, möchte Etwas gelten, und ich höre, es sei ein Pulverfäßchen da, welches allerdings in die Wagschale fiele; aber zwei tüchtige Männer sind doch nicht mit einer Kleinigkeit loszukaufen – zudem –«
»Zudem was?« fragte Judith ungeduldig, da sie bemerkte, dass der Andere zauderte fortzufahren, vermutlich weil er sich scheute, sie zu beunruhigen.
»Ha, Judith, die Franzmänner bieten Preise, ebenso wie unsre Partei; und der Preis für zwei Skalpe würde hinreichen ein Pulverfäßchen und eine Büchse zu kaufen; obwohl ich nicht sagen will, dass eine solche Büchse ganz so gut sein würde wie Wildtödter hier, den Euer Vater als ungemein und unerreichbar rühmt. Aber gutes Pulver, und eine recht sichre Büchse; und dann sind die roten Männer nicht die Erfahrensten in Feuerwaffen, und wissen nicht immer den Unterschied zwischen dem zu erkennen, was wirklich und was Schein ist,«
»Das ist gräßlich,« murmelte das Mädchen, betroffen durch die unbefangene Art, in welcher ihr Genosse seine Tatsachen vorzutragen pflegte. »Aber Ihr vergeßt meine Kleider, Wildtödter; und die, glaube ich, könnten bei den Weibern der Irokesen Viel ausrichten.«
»Ohne Zweifel könnten sie, ohne Zweifel könnten sie das, Judith,« versetzte der Andere, sie scharf anblickend, als wollte er sich vergewissern, ob sie wirklich ein solches Opfer zu bringen im Stande sein würde. »Aber wisst Ihr gewiss, Mädchen, dass Ihr es über’s Herz bringen könntet, Euch von Euren schönen Sachen einem solchen Zweck zulieb zu trennen? Mancher Mann hat sich muthig geglaubt, bis die Gefahr ihm entgegenstarrte: ich habe auch Solche gekannt, die sich einbildeten gutmüthig zu sein, und bereit, Alles was sie hatten den Armen zu schenken, wenn sie von andrer Leute Hartherzigkeit hörten, aber deren Hände sich so fest und zäh zusammenballten, wie die gespaltene Hagenbuche, wenn es darauf und dran kam, von ihrem Eignen wirkliche Opfer zu bringen. Zudem, Judith, Ihr seid schön – außerordentlich, dürfte man sagen, ohne der Wahrheit zu nahe zu treten – und die, so Schönheit besitzen, hängen auch an dem, was sie zu schmücken dient. Seyd Ihr gewiss, dass Ihr’s über’s Herz bringen könntet, Euch von Euren schönen Sachen zu trennen?«
Die begütigende Anspielung auf die persönlichen Reize des Mädchens war wohl angebracht als Gegengewicht gegen die Wirkung des Mißtrauens, das der junge Mann gegen Judith’s Eifer in Erfüllung ihrer kindlichen Pflichten blicken ließ. Hätte ein Anderer dasselbe gesagt, was Wildtödter, – das Compliment wäre vermutlich ganz übersehen worden in der durch jene Zweifel hervorgerufenen Entrüstung; aber eben die ungeschliffene Aufrichtigkeit, die so oft diesen einfachen Jäger seine innersten Gedanken enthüllen ließ, hatte einen Reiz für das Mädchen; und obgleich sie erröthete, und einen Augenblick ihre Augen Flammen sprühten, konnte sie es doch nicht über’s Herz bringen, einem Menschen wirklich zu zürnen, dessen Seele ganz Wahrheit und männliches Wohlwollen schien. Ihre Mienen sprachen allerdings Vorwürfe aus; aber sie unterdrückte die Lust, auch in Worten sie ihn fühlen zu lassen, und sie zwang sich glücklich, mild und freundlich zu antworten.
»Ihr müßt alle Eure günstigen Ansichten für die Delawarischen Mädchen aufsparen, Wildtödter, wenn Ihr im Ernst so von denen Eurer eignen Farbe denkt,« sagte sie, sich zum Lachen zwingend. »Aber stellt mich auf die Probe! wenn Ihr findet, dass es mir um Band oder Feder, um Seide oder Mousseline Leid tut, dann mögt Ihr von meinem Herzen denken was Ihr wollt, und sagen was Ihr denkt!«
»Das ist gerecht! das Seltenste auf Erden zu finden ist ein wahrhaft gerechter Mensch. So sagt Tamenund, der weiseste Prophet der Delawaren; und so müssen Alle denken, die Gelegenheit haben, die Menschen zu sehen, mit ihnen zu sprechen und unter ihnen zu handeln. Ich liebe einen gerechten Mann, Schlange: seine Augen sind nie mit Dunkel bedeckt gegen seine Feinde, während sie ganz Sonnenschein und Glanz sind gegen seine Freunde. Er gebraucht die Vernunft, die ihm Gott gegeben, und er gebraucht sie mit dem Gefühl, dass er dazu bestimmt und verpflichtet ist, die Dinge so anzusehen und zu erwägen, wie sie sind, und nicht wie er sie haben möchte. Es ist leicht genug, Menschen zu finden, die sich selbst gerecht nennen; aber es ist außerordentlich selten, Solche zu finden, die es in der Tat und Wahrheit sind. Wie oft habe ich Indianer gesehen, Mädchen, die da glaubten, sie hätten Etwas ganz dem Willen des Großen Geistes Angenehmes im Auge, wenn sie in Wahrheit nur beflissen waren, nach ihrem eignen Willen und Vergnügen zu handeln, und das gar oft bei einer Versuchung zum Fehltritt, die sie selbst so wenig sehen konnten, als wir durch den Berg Dort hindurch den Fluss im nächsten Tal sehen können, obgleich ein von Oben Herabschauender es so gut hätte sehen können, wie wir die Bärse, die um diese Hütte herum schwimmen.«
»Sehr wahr, Wildtödter,« versetzte Judith, bei der jede Spur von Mißfallen sich in einem strahlenden Lächeln verlor, »sehr wahr; und ich hoffe Euch dieser Liebe zur Gerechtigkeit gemäß handeln zu sehen in allen Dingen, wobei ich betheiligt bin. Vor Allem hoffe ich: Ihr werdet selbst urtheilen, und nicht jede arge Geschichte glauben, die ein geschwätziger Müssiggänger, wie Hurry Harry, erzählen mag, der darauf ausgeht, den Namen jedes jungen Weibes anzutasten, die vielleicht nicht dieselbe Meinung von seinem Gesicht und seiner Person haben mag, wie der eigenliebige Prahler selbst.«
»Hurry Harry’s Ideen gelten bei mir nicht für ein Evangelium, Judith, aber auch Schlimmere, als er, haben Augen und Ohren,« erwiderte der Andere ernst.
»Genug hievon!« rief Judith mit flammendem Auge, und die Röthe stieg ihr bis zu den Schläfen; »und jetzt von meinem Vater und seiner Lösung. Es ist, wie Ihr sagt, Wildtödter: die Indianer werden schwerlich ihre Gefangenen herausgeben ohne ein gewichtigeres Lösegeld als meine Kleider, und Vaters Büchse und Pulver betragen. Da ist der Schrank,« –
»Ja, da ist der Schrank, wie Ihr sagt, Judith; und wenn es sich handelt um ein Geheimnis und einen Skalp, so würden, glaube ich, die meisten Menschen lieber den letztern für sich behalten. Hat Euch je Euer Vater ein bestimmtes Gebot diesen Schrank betreffend gegeben?«
Читать дальше