„Korinther Brief“ Was? Wisst ihr nicht, dass Ungerechte das Königreich Gottes nicht erben werden? Lasst euch nicht irreführen. Weder Huren noch Götzendiener, noch Ehebrecher, noch Männer, die für unnatürliche Zwecke gehalten werden, noch Männer, die bei männlichen Personen liegen, Blutschande und Sodomie sind ebenfalls Sünden gegen Gott.
„3. Mose 20,13“ Wenn ein Mann bei einem Manne liegt wie bei einer Frau, so haben sie getan, was ein Gräuel ist, und sollen beide des Todes sterben.
„3. Mose 18,22“ Und du sollst nicht bei einer männlichen Person ebenso liegen, wie du bei einer Frau liegst. Es ist eine Abscheulichkeit.
„Römer 1,26 – 27“ Deshalb übergab Gott sie schändlichen sexuellen Gelüsten, denn sowohl ihre weiblichen Personen vertauschten den natürlichen Gebrauch von sich selbst, mit dem widernatürlichen und desgleichen verließen auch die männlichen Personen den natürlichen Gebrauch der weiblichen Person und entbrannten in ihrer Wollust zueinander, Männliche mit Männlichen, indem sie unzüchtige Dinge trieben und an sich selbst die volle Vergeltung empfingen, die ihnen für ihre Verirrung gebührte.
Seit ich Kenntnis davon hatte, gestaltete sich meine Situation immer schwieriger. Auch, weil über die Jahre meine Hormone immer mehr in Wallung kamen und sexuelle Wünsche immer mehr den Weg in mein Bewusstsein fanden. Gedanken, gegen die ich mich nicht wehren konnte. Wenn dir das Objekt der Begierde jeden Tag über den Weg läuft, sind Gedanken, nicht einfach auszulöschen. Die Bibelermahnungen verursachten mit der Zeit mein gnadenloses Unterdrücken meiner Homosexualität. Auch das Nachdenken und Zweifeln wurde gnadenlos unterdrückt, weil Fragen und Zweifel laut Bibel ebenfalls Sünde sind. Ich haderte zwar oft mit mir und meiner Situation, blieb jedoch immer treu und ließ keinen Zweifel zu. Sicher war das dumm von mir, aber was sollte ich machen ohne Erfahrung, ohne Wissen? Woher sollte ich wissen, dass ich falsch lag, wenn doch alle Welt die Bibel las? Woher soll ein Kind wissen, dass auch das geschriebene Wort in Büchern gelogen sein kann? Wissen fällt nicht vom Himmel auf einen herab. Die Gesellschaft, die Menschen um mich herum bestätigten mir immer wieder indirekt meine Handlungsweise durch ihre negative Einstellung gegenüber der Homosexualität. Auch durch ihre Kirchgänge mit der Bibel in der Hand! Von meinen Eltern wurde es mir ebenfalls nicht vermittelt, dass Homosexualität normal ist. Ganz im Gegenteil! Sonst wäre es wohl kaum so negativ in meinem Kopf verankert gewesen. Dass mein „Halt“ im Glauben über die Jahre durch die Bibelermahnungen zu einem Glaubensgefängnis mutierte, ahnte ich nicht im Entferntesten. Lange Zeit hielt ich mich nicht nur für krank, sondern auch von einem bösen Geist oder Dämon besessen, weil dieser Quatsch auch in der Bibel steht. Meine Schuldgefühle gegenüber Gott sind mit der Zeit derart ausgeprägt gewesen, dass ich fast jeden Tag die Zehn Gebote durchging. Ich fragte mich, welche Gebote ich nicht befolgte und warum ich von Gott mit Homosexualität bestraft werde. Nach einiger Zeit gab ich diese Manie auf, weil mir klar wurde, dass es daran nicht liegen konnte, dass es keine Strafe, vielleicht eine Bürde war. Beten und hoffen war das Einzige, was ich tun konnte.
Viele werden sich fragen, warum ich mich mit meinen Problemen nicht an einen Elternteil gewendet habe? Das war jedoch von vornherein ausgeschlossen. Meinem Vater brauchte ich mit Problemen, geschweige denn sexuellen Problemen nicht zu kommen, er lehnte mich schon seit Jahren ab. Liebe, Geborgenheit und Verständnis waren für ihn Fremdworte. Zudem war er für diese sexuellen Anomalien nicht gerade empfänglich, um nicht zu sagen, er lehnte Homosexualität total ab. Als Kind spürt man das! Und zu meiner Mutter fehlte ebenfalls das Vertrauensverhältnis. Sie fügte sich immer dem Willen ihres Lebensgefährten. Sie stand immer auf der Seite des Mannes, der gerade anwesend war, und nicht auf der Seite ihres leiblichen Kindes. Dadurch fühlte ich mich von ihr verraten und die Mutterliebe glaubte ich verloren zu haben. Jegliches Vertrauen wird hier bereits im Keim erstickt. Wir alle wissen, dass im Leben eines Menschen die Muttererfahrung entscheidend ist. Die Sehnsucht nach der Mutter ist eine unheilbare Krankheit. Zudem ist sie die erste große Liebe im Leben eines Kindes. Ohne sie fühlt man sich verwaist. Und Freunde hatte ich auch keine. Es gab außer Gott niemanden, mit dem ich über solche pikanten Dinge hätte reden können, über die ein kleiner Junge aus Scham eigentlich mit niemandem reden kann. Es gab keinen Menschen, zu dem überhaupt irgendeine Art von Vertrauensverhältnis existierte. Eigentlich sollten Eltern für diese Art von Vertrauensverhältnis da sein. Aber die bemerkten über die Jahre nicht, dass mit mir etwas nicht stimmte, dass ich mich in Jungs verliebte und es mir jahrelang fast täglich hundeelend ging, dass mir der Liebeskummer und die Schuldgefühle das Leben zur Hölle machten. Sie bemerkten nicht, dass ich mit den Jahren immer mehr Depressionen hatte, dass ich bereits in der Schule auffällig wurde, dass ich immer häufiger auch unter Darmbeschwerden litt. Niemand bemerkte, wie schlecht es mir eigentlich ging.
Fortan kämpfte ich allein gegen die sexuellen Gedanken und Wünsche und vor allem gegen den ständig präsenten Liebeskummer zu meinem Klassenkameraden an. Gerade dieser wurde immer unerträglicher. Aber sagen konnte ich nichts, Gott bewahre. Ich hätte mich vor Scham in Luft aufgelöst, wenn nur ein falsches Wort gefallen wäre. Ich verhielt mich unauffällig und versuchte mir nichts anmerken zu lassen. In der Schule wurde ich infolge der Erkrankung am Liebeskummer immer öfter auffällig aufgrund fehlender Konzentration. Denn ich suchte während des Unterrichts emotional die Nähe des Klassenkameraden, der mir in der Klasse auch noch gegenübersaß. Da war so etwas wie Konzentration im Unterricht natürlich nicht mehr existent. Anlässlich meines dauerhaft auffälligen Verhaltens verwies mich mein Klassenlehrer an den Schulpsychologen. Durch meine hyperaktiv verträumte Art blieb ich jedoch verschlossen und öffnete mich dem Schulpsychologen nicht. Wie käme ich dazu, einem wildfremden Mann von meinen Problemen zu erzählen? Ich hatte unglaubliche Angst etwas zu offenbaren, veranlasst durch meine Schuldgefühle, und ich wollte auch nicht darüber reden. Der Schulpsychologe hakte nicht weiter nach und verordnete mir autogenes Training, um meine Konzentrationsfähigkeit zu verbessern. Letztendlich musste ich allein mit diesen, für einen Jungen seltsamsten Gefühlen sowie den Scham- und Schuldgefühlen gegenüber Gott, mit der Gewissheit, dass ich nicht normal bin, klarkommen. Nicht mal im Traum konnte ich mir vorstellen, dass sehr viele Menschen homosexuell sind. In der Schule wird die Wahrheit nicht vermittelt und in der Bibel stehen auch keine genauen Zahlen. Verbote und Strafen stehen drin, alles andere nicht. Aber mir war schon klar, dass die Verbote nicht für mich dort eingetragen waren, dass es Menschen mit demselben Problem geben musste. Ich kannte nur keinen! Wenn ich wenigstens einen guten Freund, einen Menschen gehabt hätte, dem ich vertrauen konnte, hätte ich vielleicht meine Probleme klären können, um einen anderen Blickwinkel zu bekommen. Im besten Fall ein Freund, der mir sagt, dass ich falsch lag. Doch ich besaß weder Freundschaften noch selbst genügend Verstand.
In der neuen Umgebung, in Niedersachsen, war ich erneut sehr einsam. Ich konnte einfach keine Freunde finden. Das „Peter-Pan-Syndrom“ lässt grüßen? Ein Symptom dieser Erkrankung ist, dass die Suche nach Freunden erfolglos bleiben wird. Die Freunde, die ich nach zwei Jahren glücklicherweise durch Zufall fand, waren leider nur oberflächlich, denn für niemanden war ich besonders wichtig. Aber das war allemal besser als keine Freunde zu haben. Durch einen dieser Freunde entdeckte ich eine Fluchtmöglichkeit in eine Traumwelt. Die Welt der Fantasy-Rollenspiele! Dadurch eröffnete sich mir unbewusst ein Weg, mich zu betäuben, um nicht jeden Tag über meine Probleme und den Liebeskummer nachzudenken, um aus der Wirklichkeit zu flüchten. Schon als Kind, lange bevor diese seltsamen Gefühle bei mir zum Vorschein kamen, war ich ein Träumer. Ständig in meiner eigenen Welt versunken und nicht in der Wirklichkeit zu Hause. Durch das Fantasy-Rollenspiel war es jetzt leicht, mir neue Traumwelten zu schaffen. Wenn die Welt um einen herum zu schrecklich ist, erträumt man sich seine eigene Welt. Und die Fantasy-Rollenspielwelt war eine Welt, in der es mir besser ging. In der ich jemand ganz anderer sein konnte. In der ich der sein konnte, der ich sein wollte. Bei dieser Flucht bzw. bei diesem Rollenspiel verbrachte ich möglichst viel Zeit mit meinen neuen Freunden, was mir sehr gut tat, obwohl ich nicht wichtig war. Denn dabei sein ist alles! In dieser Rollenspielrunde konnte ich meine Probleme oft ganz vergessen. Und das waren immer meine schönsten Tage!
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