Er war eben nicht mit dem goldenen Löffel im Hintern zur Welt gekommen. Ihm war schon im Kreißsaal die Arschkarte verliehen worden. Seinen Vater hatte er nie zu Gesicht bekommen. Ein Alkoholiker und Taugenichts, der irgendwo in den Staaten leben würde, sofern wer nicht schon längst krepiert war. Seine Mutter hatte versucht über die Runden zu kommen, arbeitete hart, ohne dabei aber nach vorne zu kommen. Als er Neunzehn war, starb sie an einer Lungenentzündung, die sie verschleppt hatte, um nicht den Job zu verlieren. Ab diesem Moment war er völlig auf sich gestellt. Während er sein Studium mit den erbärmlichsten Jobs selbst finanzieren musste, durfte er das angenehme, sorgenfreie und ausufernde Dasein der meisten Studenten um ihn herum mit ansehen. Schnell empfand er Wut und Abscheu. Und die Ungerechtigkeit dabei, dass stets die Falschen am Honigtöpfchen naschen dürfen, und die, die es verdient hatten, immer nur das Nachsehen vereinnahmen durften. Das trieb ihm oft die Zornesröte ins Gesicht.
Große Freude, ja fast schon Genuss, empfand er hingegen dabei, Sicherheitssysteme, Firewalls und hermetisch abgeriegelte Softwarebereiche auszutricksen und dann, nach Belieben, in den Systemen herumzuspazieren, wie er es gerne ausdrückte. Er tat das nicht etwa, um Schaden anzurichten, auch Bereicherung lag ihm fern, er hinterließ auch keine Spuren oder eitle Hinweise auf sein Eindringen. Er schlich sich rein, machte seinen Spaziergang, und schlich dann einfach wieder raus. Das war alles. Der Genuss für ihn bestand in erster Linie darin, den studierten Computerleuten, den gut verdienenden Managern, all diesen arroganten Ärschen, eins vorgemacht zu haben. Sie mussten es nicht wissen, es reichte ihm bisher völlig, dass er es konnte.
Er hatte es schon bei Banken geschafft, war in die Forschungsabteilungen von großen Konzernen eingedrungen, stöberte in Versicherungsbeständen herum und war bereits schon einmal ganz knapp daran gewesen, das Rechenzentrum des FBI zu knacken. Er hätte es wohl auch geschafft, wie er meinte, doch er zog zurück, da er vorher noch einige zusätzliche Dinge vorbereiten wollte, die ihn noch besser verschleiern und die Rückverfolgbarkeit, im Falle das man es dann doch bemerkt, unmöglich machten.
Conners war an diesem Tage in der Nachbarschaft bei einem Kunden, dessen Computerbildschirm den Dienst eingestellt hatte. Steve Hatte einen alten, aber immer noch funktionstüchtigen Bildschirm dabei, den er installierte und testete. Im Hintergrund lief der Fernseher und Conners sah bei einem desinteressierten Seitenblick zum ersten Mal Sam Goldman, der – gemeinsam mit irgendwelchen Wichtigtuern – in die Kamera grinste und sich scheinbar als der neue Star einer Lotterie profilierte.
„So viel Schwein … und das alles bei nur einem Kerl …“ sinnierte sein Kunde laut. „Das müsste mir mal passieren … aber unsereins guckt ja immer nur in die Röhre …“ Der Mann schüttelte fortwährend den Kopf, als er das von sich gab.
Conners schenkte dem keine Beachtung. Ihm war es scheißegal, was da über die Mattscheibe ging.
Sein Kunde schien aber deutlich mehr Interesse aufzuweisen und war sichtlich aufgeregt. „Verdammt, verdammt! So ein Dusel. Das kann doch nicht wahr sein.“ Und an Conners gerichtet: „Was meinen Sie? Ist das nicht eine irre Geschichte? Und jetzt wird der Kerl sein Händchen auf die Lose legen, eine Zauberformel sprechen und wie am Fließband glückliche Gewinner erzeugen.“
Conners schien immer noch kein Interesse zu haben, war einen Moment aber der Sendung von NCCB gefolgt. „Der soll sich ficken, mit seiner Show, die er da abzieht.“ sagte er genervt.
„Langsam, junger Mann!“ beschwerte sich sein Kunde. „Mit diesem Goldman steigen die Gewinnchancen für uns Sterbliche vielleicht, und er hat guten Einfluss, und wir kriegen so ein wenig von seinem Dusel ab.“ Er blieb mit den Augen auf dem Fernseher. „Schaden wird´s nicht, wenn er dabei ist. Ich denke jedenfalls, ich werde mir jetzt auch mal ein paar Lose von diesem Verein besorgen. Irgendwie fühle ich das, dass ich das machen sollte. Und ich empfehle Ihnen das Gleiche, mein Junge!“
„Ja, ja …“ antwortete Conners genervt. „Tun Sie, was Sie nicht lassen können. Ich, für meinen Teil, halte das für rausgeworfenes Geld. Leute wie Sie und ich haben kein Glück. Jedenfalls nicht so. Wir sind die einkalkulierten Verlierer, die mit ihrem Geld die Wichser da auf der Matsche bezahlen. Und die kaufen sich dicke Villen, Yachten und bestellen sich dreimal täglich Nutten ins Haus. Alles mit unseren sauer zusammengekratzten Mäusen. Und wir Idioten hoffen, dass wir einmal so viel Glück haben, einen fetten Gewinn zu machen. Nee, nee. Ich lass das. Und dieser Typ da, der mit dem angeblich so irren Glück, das ist doch auch nur ´ne arme Wurst. Kommt der etwa von der Vega? Hallo Erde, ich bringe mit meinem Raumtransporter einen Container voll Glück zu Euch? Bitte bedienen, nehmt was ihr wollt? Dieser Kacker kann doch nicht zaubern. Aus dem wird doch nur so ´ne Art Spiderman des Glücks gemacht. Alles Betrug. Denn wenn auch nur irgendwas wahr an diesem ganzen Rumgeschwafel wäre, bräuchte dieser Fritze nur durch die Gegend zu laufen und überall einen Glücksfurz zu lassen. Der hätte im Nu so viel Kohle zusammen, dass er die ganze USA kaufen und zum Freizeitpark machen könnte. Aber nee – nee, nee – alles nur Fake. Für die ganz Dämlichen.“
Sein Kunde wollte nicht so leicht aufgeben. „Ich bin da ganz anderer Meinung.“ begann er aber vorsichtig. „Da gibt es viele wissenschaftliche Erkenntnisse, dass es Menschen gibt, die das Glück anziehen. Und wer es anzieht, kann es auch abgeben. Da ist schon was dran, ganz gewiss!“
Conners hatte einen roten Kopf bekommen und musste sich zurückhalten, seine aufflammende Wut nicht allzu sehr zu zeigen. „Ach Kack! Wissenschaftliche Erkenntnisse … ist doch Mumpitz!“ er schrie fast. „Ich sag Ihnen mal, wie das mit der Wissenschaft so geht: Da werde ein paar Labormäuse mit Zuckerwasser getränkt, die Viecher auf ein Bingobrett gesetzt und so lange gewartet, bis eines der scheißkleinen Nager auf eine Zahl gepisst hat. Und wer nun gewonnen hat, glaubt fest daran, dass das nur an dem Zuckerwasser gelegen hat und die Plörre Glück bring. Sollen wir jetzt ab sofort alle hektoliterweise Zuckerwasser saufen? Weil ja nun `wissenschaftlich´ erwiesen ist, dass das Glück bringt? So laufen diese Untersuchungen doch. Und wir glauben noch daran. Alles Blödsinn.“
„Ja glauben Sie denn nicht wenigstens an das Schicksal?“ der Mann flehte fast ein wenig und hoffte, dass er wenigstens so auf ein wenig Sanftmut bei seinem Gesprächspartner erzeugt.
„Natürlich tue ich das.“ antwortete dieser lakonisch. „Mein Schicksal ist es, morgens und abends kacken zu müssen, und in der Zeit dazwischen meinen Kühlschrank gefüllt zu kriegen, um nicht zu verhungern.“
„Du lieber Gott, “ brachte der Kunde hervor, „Sie sind ja drauf …!“
Conners war in seinem Element. „Ach, papperlapapp! Wie soll ich schon drauf sein. Ich sehe das alles nur realistischer als Sie. Und ist doch wahr: Soll ich mir ewig und immer die Mühe machen, mein bescheuertes Schicksal zu betrachten? Um dabei feststellen zu müssen, dass es um mich herum Millionen Typen gibt, die mit dem goldenen Löffel im Arsch geboren wurden, selbst aber nur ein Hirn in Größe einer Kichererbse haben. Und dann gucken solche sogar auch noch auf mich herab, während sie mit ihren dicken Karren vor der Uni angeben und sich von den Cheerleaderinnen den Schwanz blasen lassen. Bin ich was Schlechteres als die? Nur weil mir diese Gnade der privilegierten Geburt nicht gegönnt war? Haben die das Recht, mich deshalb auszulachen? Ich sag Ihnen mal was: Das Schicksal kann mich mal. Wenn es Lieblinge und Profiteure zulässt, gleichfalls aber auch arme Säue wie mich, die nie die Chance hatten, aus dem Dreck heraus zu kommen, dann ist das Schicksal, und jeder, der da im Nirwana so herumwerkeln sollte, eine riesengroße Pissnelke.“ Conners fand, dass alles gesagt wurde. „Der Bildschirm funktioniert. Ich bekomme jetzt fünfundzwanzig Dollar.“
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