Amberius verstand, was Milos ihm sagte, aber sein Verlangen in ihm, seine Geliebte wieder in seinen Armen halten zu können, war größer.
„Ich bitte dich, sie mir zurück zu bringen.“ forderte Amberius Agamemnon auf.
„Nein!“ brüllte Milos.
Agamemnon erhob seine Hand und schloss die Augen. Neben ihm erschien eine weitere Gestalt, die Rubina in ihren Armen hielt.
„Ihr stecktet hinter dem Chaos.“ bemerkte Milos.
Amberius aber überhörte dies, da er zu sehr an dem Gedanken gefesselt war, seine Geliebte wieder zu sehen, zu spüren und zu lieben.
Die Gestalt legte Rubina auf die Erde. Danach verwandelte sie sich in Laetizia. Milos reichte es. Er machte sich auf den Weg Richtung Laetizia, aber er konnte an einem bestimmten Punkt nicht weiter. Eine Art unsichtbares Kraftfeld hinderte ihn daran.
Agamemnon sprach unaussprechliche Worte und wie beim Wildschwein zuvor ging eine Energie auf Rubina über. Dann war es ruhig.
„Ich habe es vollbracht. Vielen Dank.“ sagte Agamemnon noch, bevor er wieder verschwand, indem er sich in Luft auflöste.
Laetizia ließ er zurück, die darüber sehr verblüfft schien. Milos bemerkte, dass das Kraftfeld verschwunden war. Schnellstens rannte er zu Laetizia, die ihrerseits sich in einen Bären verwandelte.
Das brachte ihr aber nichts, da zum einen Milos keinen Bären, wenn auch sehr großen seiner Art, fürchtete.
Zum anderen durchtrennte er trotzdem mit einem gekonnten Luftsprung und anschließendem gezielten Hieb, ihren Kopf vom Rest des Körpers. Ihr Körper verwandelte sich in seinen Normalzustand zurück. Sie war in wahrer Natur eine alte, hässliche alte Frau!
Amberius spürte wie das Leben in Rubina zurückkam. Sie fühlte sich kalt an, wie Stein.
„Amberius“, sagte sie mit schwacher Stimme, „das hättest du nicht machen dürfen!“
Amberius schaute irritiert. Dabei fiel ihm auf, dass Rubina sich veränderte. Ihre Haut wurde alt, zerfiel, färbte sich graugrün und ihre Augen waren rot! Amberius wich zurück. Was hatte er getan, konnte er sich so blenden lassen? Es erinnerte ihn an seinen Traum!
Noch bevor er einen klaren Gedanken fassen konnte, brüllte Rubina, oder das, was von ihr geblieben war. Zudem bekam sie diesen irren und hungrigen Blick.
Ohne darüber nachzudenken griff sie ihren Liebsten an. Amberius konnte sich nicht wehren. In allerletzter Sekunde rammte sich ein Schwert inmitten ihres Herzens und sie sank zu Boden. Sie bewegte sich nicht mehr. Amberius war wie versteinert.
„Ich sage jetzt nicht- „ich habe es doch gesagt“, denn dafür haben wir keine Zeit, wir müssen hier weg.“ machte Milos klar.
Amberius war zu verwirrt und spürte tiefe Trauer- Rubina war inzwischen verschwunden. Amberius und Milos machten sich auf den Weg. Sie wussten nicht, wohin sie sollten. Über ihnen bildeten sich schwarze Wolken, die unnatürlich wirkten. Sie ließen aber erahnen, dass etwas mit Matera geschah.
Die Dunkelheit war eingekehrt und mit ihr der Tod.
Er hatte sie im Wald gesehen und sich versteckt, doch es nütze ihm nichts, denn sie haben ihn entdeckt. Sofortig floh er, in Richtung seines Hauses, um dort in Sicherheit zu sein. Er hatte von ihnen gehört, glaubte aber eine lange Zeit, es seien Späße oder Gerüchte, die sich die Betrunkenen erzählten. Doch nun waren sie da, direkt vor seiner Tür. Sie nahmen ihm Frau und Kind. Und dabei wollte sie nur in den Wald, um Beeren zu sammeln, damit seine Frau Marmelade kochen könnte.
Angekommen an seinem Haus, schloss er hinter sich die Tür. Zudem verbarrikadierte er sie. Er nahm ein Beil und ein Schwert und blieb ganz still. Von draußen hörte er Schreie, von Menschen, die er kannte. Und er hörte dieses Geräusch, das ihn an Keuchen und Grunzen erinnerte. Es bereitete ihm Angst, denn diese Wesen waren unberechenbar und unbesiegbar. Die ersten erreichten die Tür und stießen dagegen, teils auch mit roher Gewalt. Die Tür würde anfangs standhalten, aber zunehmend brechen und dann würden sie reinströmen, um ihn tu töten, nein, um ihn zu fressen! Er musste seine Taktik ändern, wenn er überleben wollte. Er konnte sich hier nicht länger verstecken! Gordian beschloss zu fliehen. Er musste dafür durch den Keller.
Es gab einen Hinterausgang, der ihn an den Untoten vorbeiführen würde. Gordian musste hoffen, dass sich dort keiner aufhielt- zur Sicherheit nahm er sein Beil und das Schwert mit, obwohl er kaum Kampferfahrungen hatte. Es interessiert niemanden, denn es ging um das blanke Überleben. Gordian lief rasch in den Keller und konnte hören wie die Vordertür zerbrach und die Untoten in sein Haus stürmten. Er war schnell durch den Keller und öffnete die Hintertür. Kein Untoter zu sehen. Eine kurze Erleichterung kam in ihm auf, er hatte hingegen keine Zeit, um dies zu genießen.
Mit kurzen Blicken nach allen Seiten, rannte er Richtung Norden, um nach Steinigen zu gelangen. Vielleicht würde ihm eine Stadt Schutz bieten können? Es dauerte einige Momente bis Gordian bemerkte, dass ihm niemand gefolgt war. Steiningen war etwa eine Stunde entfernt. Er entschied, nicht mehr zu rennen, da es Kraft kostete, die er an einer anderen Stelle, wenn zum Beispiel Angriffe seitens der Untoten erfolgten, gebrauchen könnte. Nach etwa einer Stunde erreichte Gordian Stellingen. Die einst so wunderschöne Stadt war eine Geisterstadt und ein Feld aus Chaos geworden. Überall waren verlassene Häuser, Schänken und Stände. Zudem war da diese Stille, die Gordian unruhig werden ließ. Ebenso fiel ihm auf, dass hier nicht eine einzige Leiche lag- neben des Offensichtlichen, dass sich hier keine Mensch befand. Gordian hatte Hunger. Er legte sich fest und betrat vorsichtig und leise eine Schänke, denn die würde in jedem Fall Nahrung haben. Plötzlich hörte eine Tür, die knarrte und dann zuknallte.
Gordian nahm sein Schwert in die Hand. Er versteckte sich hinter der Bar. Langsam lugte er über den Tresen. Er erhaschte eine Bewegung, konnte aber nicht sagen, wer oder was es war! Abermals schaute er behutsam hinter dem Tresen hervor. Nichts! Es klapperte, als er seinen Kopf wieder hinter dem Tresen versteckte. Was sollte er machen? Angst machte sich in ihm breit. Trotz allem fasste er seinen Mut zusammen und stand auf. Geräuschlos wie eine Katze schlich er zur Tür. Du musst dich zusammenreißen, sonst überlebst du nicht. Du kannst nicht immer weglaufen, dachte Gordian sich. Er hielt sein Schwert fest in der Hand, bereit, zuzustechen, wenn es sein müsste! Mit der anderen Hand wollte er die Tür öffnen. Er fasste die Klinke an, senkte sie vorsichtig und gab der Tür einen gehörigen Tritt, damit diese nach hinten aufging. Zeitgleich erhob er sein Schwert und wollte zustechen als er sah, dass sich dort ein Mädchen befand, welches ihre Hände schützend vor ihrem Gesicht hielt. Gordian war starr. Nach einem Moment steckte er sein Schwert wieder weg.
„Ganz ruhig, ich tue dir nichts.“ flüsterte er.
Das Mädchen aber zitterte und fing an zu weinen. Instinktiv wollte Gordian sie in den Arm nehmen, da sie ihn an seine Tochter erinnerte, die ungefähr in ihrem Alter gewesen sein müsste. Das Mädchen aber wehrte ab und schlug nach ihm. Gordian wich zurück. Er verstand. Er selbst war ebenso verwirrt über diese Zustände, über diese Dunkelheit, die sich auf Materia ausgebreitet hatte.
„Ich verstehe. Du willst, dass ich dich in Ruhe lasse“, fing Gordian an, „aber zu zweit kann man besser überleben.“
Das Mädchen weinte noch immer und hatte den Kopf abgesenkt. Gordian konnte sie nicht alleine lassen, denn dann war sie des Todes!
„Ich habe eine Frau und eine Tochter in deinem Alter gehabt. Ich habe sie beide verloren. Bestimmt hast du deine Familie auch an diese Monster verloren.“ zeigte Gordian Verständnis.
Das Mädchen schaute kurz auf. Dann senkte sie den Kopf wieder. Sie hörte jedoch auf zu weinen und schluchzte nur noch ein wenig. Gordian blieb still.
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