Eigentlich gab sie so schnell nichts preis von sich. Warum auch. Es geht ja niemanden etwas an.
Inzwischen war es dunkel geworden. Lilly schloss ihr Cafe zu und ging in die Wohnung, die über ihrem Cafe lag. Sie hatte damals das Haus zu einem günstigen Preis erwerben können. Die Wohnung im Obergeschoss war klein, aber wunderschön. Sie hatte einen kleinen Balkon, auf dem man auch das Meer sehen konnte. Aber heute Abend fiel sie gleich todmüde ins Bett. Sie hatte viel zu tun. Als sie im Bett lag, dachte sie an Paul. Wo war er schon überall und was hatte er alles gesehen? Aber dieses Leben wäre nichts für sie. Urlaub machen ja, aber zwei Jahre herumreisen, nein. Mit diesen Gedanken schlief sie ein.
Am nächsten Morgen stand Lilly wieder rechtzeitig auf. Sie frühstückte auf dem Balkon und beobachtete die Fischerboote, die weit draußen auf See lagen. Gleich musste sie wieder in die Backstube. Heute hatte sie was besonderes vor. Sie hatte sich ein neues Rezept ausgedacht und wollte es gleich in die Tat umsetzen. Hoffentlich schmeckte der neue Kuchen auch. Dazu hatte sie vor, kleine Törtchen mit leckerem neuen Belag zu verzieren. Also ging sie nach dem Kaffee an die Arbeit.
Das Cafe öffnete sie heute etwas später. Erst gegen 13.00 Uhr. Denn bis dahin wollte sie mit ihren neuen Kreationen fertig sein.
Als sie die Köstlichkeiten in die Vitrine stellte, entdeckte sie auf der Terrasse des Cafes ein Gast sitzen.
Sie öffnete die Tür.
„Ich öffne er um 13.00 Uhr.“ rief sie.
„Schade. Ich hätte Lust auf was Süßes.“
Es war Paul. Er drehte sich um und lächelte sie an.
„Sie schon wieder?“
„Begrüßen sie immer so ihre Kundschaft?“
„Nein, natürlich nicht. Was wollen sie?“
„Etwas Süßes und einen Job.“
„Ich habe keinen Job für sie.“
„Können wir nicht endlich dieses blöde sie lassen? Ich dachte, du brauchst Hilfe beim Bedienen der Kunden. Ich habe schon in mehreren Bars bedient. Ob es Kuchen, Kaffee oder Drinks sind. Das ist kein Unterschied. Und freundlich bin ich auch. Also. Wie sieht es aus. Versuchst du es mit mir?“
„Du bist ganz schön hartnäckig. Also gut. Du kannst nachher gleich anfangen. Du wolltest was Süßes? Such dir etwas aus.“, schüttelte Lilly lachend den Kopf.
„Warum tu ich mir das an.“, sagte sie noch leise zu sich selbst.
Aber Paul hatte es gehört.
„Weil ich charmant, liebenswert, nett und gutaussehend bin.“
„Gar nicht eingebildet, was?“
Paul suchte sich eins von den neuen Törtchen aus.
„Wow. Das ist köstlich. Du bist eine Künstlerin. Ich möchte unbedingt noch eins. Das hier möchte ich gerne haben.“
Paul zeigte auf ein anderes und Lilly legte es ihm auf den Teller.
„Und, wie schmeckt es dir?“
„Es ist himmlisch. Deine Törtchen allein wären schon ein Grund, hier zu bleiben.“
Dabei schaute er sie länger an, als gewöhnlich. Lilly konnte seinen Blick aber nicht deuten.
„Warten wir ab, wenn du heute Abend fertig bist. Ob du dann immer noch hier bleiben möchtest?“
Ihre Blicke trafen sich wieder.
Bald schon kamen die ersten Gäste und bestellten. Paul war tatsächlich eine große Hilfe und Bereicherung. Er war charmant und höflich zu den Gästen und schnell. Schneller als sie, im Bedienen der Gäste. Das sollte schon was heißen.
Die Gäste waren hoch zufrieden. Vor allem auch die weiblichen.
„Da haben sie einen guten Fang gemacht.“, stellte eine Kundin fest.
Ja wirklich. Sie hatte nichts an Paul auszusetzen. Er machte seine Arbeit ausgezeichnet. Lilly musste zugeben, dass es Spaß machte, mit ihm zusammen zu arbeiten.
Am Abend, als beide alles erledigt hatten und auf der Terrasse noch einen Drink nahmen, fragte Paul sie.
„Warst du zufrieden mit mir?“
Dabei schaute er sie wieder so merkwürdig an.
„Ja. Ich muss zugeben, bedienen kannst du wirklich. Es hat Spaß gemacht.“
„Dann kann ich bleiben?“
„Solange du willst.“, nickte sie mit dem Kopf.
„Prima, dann muss ich mir nur noch eine billigere Unterkunft suchen. Das Zimmer, dass ich jetzt habe ist mir zu teuer und auch nur noch für zwei Nächte frei.“
„Ok. Dann wünsch ich dir viel Erfolg. Es wird schwierig werden.“, meinte Lilly.
„Dann muss ich im Freien zelten. Hab ich schon oft, wenn ich nichts gefunden habe.“
„Aber hier gibt es keinen Campingplatz. Wie soll das gehen?“
„Werde schon eine Möglichkeit finden.“
„Es ist schon spät geworden, möchtest du etwas kleines mit mir essen? Ich habe was vorbereitet. Muss es nur kurz in den Ofen schieben. Wenn du willst, kannst du in meine Wohnung mitkommen. Wir setzen uns auf den Balkon, da hat man die gleiche Sicht wie von hier. Denn meine Wohnung ist gleich hier oben.“
Lilliy zeigte nach oben auf den Balkon.
„Das ist praktisch. Gerne komme ich mit. Hunger hätte ich nämlich schon.“, lächelte Paul.
„Also komm.“
Lilly nahm ihn mit in ihre Wohnung. Eigentlich tat sie so was nicht so schnell. Sie wunderte sich über sich selbst. Aber bei Paul hatte sie das Gefühl, als würden sie sich schon lange kennen. Sie hatte Vertrauen zu ihm. Er war charmant, sah gut aus und brachte sie zum Lachen.
Lilly und Paul setzten sich auf den Balkon mit einem Glas Wein und warteten, bis das Essen fertig war.
„Wolltest du eigentlich nie woanders hin?“, fragte Paul plötzlich.
„Nein. Hier habe ich meine Kindheit verbracht. Dann musste ich mit meinen Eltern umziehen. Aber dort habe ich mich nie zuhause gefühlt. Als ich die Möglichkeit hatte, mir hier meinen Traum zu erfüllen, gab es für mich keinen Zweifel. Ich kaufte das Haus und eröffnete zuerst eine kleine Konditorei. Das kleine Cafe kam später. Das ist jetzt drei Jahre her. Ich habe es nie bereut.“, schwärmte sie.
„Also hast du gefunden, was du gesucht hast und bist glücklich?“
„Ja. Sogar sehr glücklich.“
„Ob ich jemals dass finde, was ich suche? Ich weiß es nicht.“, schaute er auf das Meer hinaus. In seinem Blick lag Sehnsucht. Aber wonach?
„Irgendwann wirst du ankommen und merken, dass du am richtigen Ort bist und gefunden hast, wonach du so lange gesucht hast.“
Dabei schaute sie ihn ganz genau an.
„Möglich. Denkst du, es könnte vielleicht hier sein?“, dabei nahm er ihre Hand.
„Ich kann es dir nicht sagen. Aber, dass glaube ich eher nicht.“
Lilly entzog ihm schnell ihre Hand.
„Ich schau mal nach dem Essen. Es müsste fertig sein.“
Sie wollte dieser Situation entfliehen und ging in die Küche.
Was war los? Warum klopfte ihr Herz so wild, als er ihre Hand nahm. Sie schüttelte den Kopf.
Lilly brachte den Auflauf auf den Balkon und beide aßen davon.
„Schmeckt köstlich. Du bist nicht nur eine gute Bäckerin, sondern auch noch eine gute Köchin. Den Mann, der dich bekommt, beneide ich.“
„Das wird wohl noch dauern, denn ich habe den richtigen noch nicht gefunden. Ich habe es auch nicht eilig damit. Mein Leben ist so, wie es jetzt ist, in Ordnung.“
„Du vermisst niemanden? Niemand, der dich in den Arm nimmt? Der dich küsst? Der morgens mit dir zusammen aufsteht, frühstückt und abends mit dir dein Bett teilt?“,
Dabei schaute Paul ihr tief in die Augen.
„Nein. Ich vermisse nichts.“, sagte sie entschlossen.
Aber insgeheim vermisste sie manchmal schon jemanden, an den sie sich, nach getaner Arbeit, anlehnen konnte. Sie wollte aber dieses Gefühl der Einsamkeit gar nicht erst aufkommen lassen. Dieses Leben wollte sie ja und sie war zufrieden damit.
„Ich fühle mich schon manchmal einsam, obwohl ich so viele Leute kennengelernt habe. Ich war auch nicht immer allein unterwegs .“
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