„Sieht man doch.“
Stille
„Wie heißt du?“
„............................“ (habe den Namen vergessen)
Stille
Der ließ sich jedes Wort aus der Nase ziehen. Freiwillig war kein Wort aus ihm zu locken.
„Erzähl mir was davon. Ich habe diesen Artikel über euch im Stern gelesen.“
„Es gibt nichts zu erzählen.“
Stille.
Der gab nicht ein bisschen freiwillig her. Es war mühselig mit ihm zu sprechen. Und ich war einfach nur neugierig und ich wurde immer neugieriger.
So ein Gespräch hätte nie an der Uni in Berlin stattfinden können. Da weiß jeder schon die ganze Wahrheit und alle haben sie andere Wahrheiten. Eine Frage und es wird sofort losgelabert, alles wird glasklar erklärt, man wird zur nächsten Gruppensitzung/Versammlung eingeladen. Gegenargumente werden sofort niedergemacht mit irgendeiner Überzeugung. Eigentlich wird man da direkt vergewaltigt mit Worten und jede Gegenwehr wird sofort unterdrückt.
Ich hasste das.
„Bist du jetzt glücklich oder mehr zufrieden?“
„Was ist Glück?“
„Glücklich ist wenn man glücklich ist. Ist doch einfach. Wenn man was Gutes gefunden hat. Wenn man lächelt.“
„Vielleicht“ und er glotzte mich mit ernster Miene an und trank seinen Tee weiter.
Stille. Diese Stille zwischen uns ging mir echt auf den Sack.
Dann stand er plötzlich auf, ohne irgendeine Geste zu mir und verließ das Restaurant.
Jetzt war ich mal neugierig und dann ließ er mich stehen, im Raum hängen. So ein Gespräch hatte ich noch nie geführt.
„Interessant“, dachte ich.
Fünf Tage in Istanbul, es wurde jetzt Zeit weiterzufahren. Die Notizen von dem Bayern raus und sofort zur Busgesellschaft die er empfohlen hatte. Ein Ticket nach Teheran, Fensterplatz, damit ich auch ja viel sah auf dieser langen Strecke. Am nächsten Tag, der 18. Februar, Abfahrt um elf morgens. Drei Tage und zwei Nächte bis Teheran. Alle drei Stunden hält der Bus für eine Pinkelpause. Morgens, mittags und abends jeweils für eine Stunde um uns Gelegenheit zu geben etwas zu Essen und zu Trinken.
Ankunftszeit in Teheran um fünf Uhr früh. Aber das wurde mir direkt von der hübschen Türkin am Fahrkartenschalter erklärt:
„Es kann auch der Nachmittag oder der Abend sein - oder der nächste Tag. Es kommt darauf an wie reibungslos diese drei Tage verlaufen und wie lange der Grenzübergang in den Iran dauert.“
Die allgemeine Meinung über den Iran hatte ich schon aus jedem Gespräch im Pudding-Shop herausgehört.
„Vorsicht, durch den Iran muss man schnell durch. Die Leute sind unangenehm, bösartig, unfreundlich – einfach übel. Ja nicht anhalten, einfach weiter und die Schnauze halten.“
Das erklärte mir auch jetzt diese nette Türkin, mit der ich auch ein wenig flirten wollte.
„Nicht länger als notwendig und sofort weiter. Kein Ort, den Touristen zu spielen.“
Wann der Bus von Teheran weiterfährt, dass wusste sie nicht, nur dass noch zwölf andere Ausländer in meinem Bus saßen, alle auf den hinteren Sitzplätzen, der Rest Türken.
Dass ein Land und seine Leute so schlecht sein sollen, konnte ich mir nicht vorstellen. Aber ich werde mir meine eigene Meinung bilden. Wir werden ja sehen.
Wir saßen am nächsten Tag alle hinten, zwölf Rucksacktouristen und zu meiner Überraschung auch ein riesiger schneeweißer Hund, mit einem Fell, das er wohl von einem Eisbären gestohlen hatte. Er gehörte zu dem Berliner namens Chandus. Chandus ganz in Rot auf dem Weg nach Poona aber immer noch ohne seine Rosenholzkette. Der Hund, Panda, lag im Gang zu seinen Füßen.
Heute weiß ich, dass er zur Rasse der „Weißen Schäferhunde“ gehörte, gezüchtet in Kanada. Zwei von denen sind seit zwölf Jahren Teil meiner kleinen Familie hier auf Bali.
Ich hatte einen Türken als Nachbarn und vor mir saß noch eine Deutsche. Schon nach ein paar Stunden wurde es klar, dass sie lieber mit einem anderen Westler zusammen sitzen wollte. Sie tauschte ihren Platz mit meinem Nachbarn. Marianna, aus München, hatte gerade ihr Pädagogikstudium abgeschlossen, war für ein Jahr auf dem Weg die Welt zu erkunden, bevor sie ihre Arbeit in Deutschland begann.
Marianna sollte bis zur Ankunft in Delhi / Indien meine Reisebegleiterin und Freund werden.
Zu unserer Gruppe gehörten dann noch zwei Pärchen aus Deutschland, ein Pärchen aus Paris, ein Schweizer und ein Typ aus London. Man freundete sich über die ersten Stunden schnell an, so dass in der ersten Nacht schon heimlich der erste Joint rumgereicht wurde. Noch kein Problem, wir waren ja immer noch in der Türkei. Türkische Passagiere wechselten ständig, stiegen irgendwo aus und neue kamen für kurze Strecken dazu.
Ich liebte meinen Fensterplatz. Schon als Kind auf der langen Zugfahrt mit meiner Familie nach Par Le Creusot, saß ich die ganze Fahrt mit der Nase an die Scheibe gedrückt, konnte die Welt bewundern, die an mir vorbeizog, fragte mich oft wie die Menschen da draußen sind, was sie denken, ob sie glücklich sind, was sie so am Tag tun. Am liebsten hätte ich gerne von meinem Zugfenster aus in jedes Haus einen Blick geworfen, einen Schnappschuss in mein Gehirn geklickt, um einen Eindruck für mein Leben zu bekommen.
Die Türkei, das erste asiatische Land. Mir war es nicht eine Sekunde langweilig an diesem Fenster. Nicht viel zusehen da draußen, eine karge Landschaft mit kleinen Dörfern, manchmal eine etwas größere Stadt. Trotzdem konnte ich mich nicht sattsehen. Türkische Mitfahrer beäugten dieses Monster Panda misstrauisch, aber der war so was von wohlerzogen, lag neben Chandus im Gang und starrte cool zurück. Da stand er total drüber.
Chandus - den Namen hatte er sich selbst gegeben - und Panda, zwei coole Typen, sollte ich später noch etliche Male begegnen. Sie waren auf dem Weg nach Poona aber nicht ohne vorher in Afghanistan für einige Wochen das Rauchen zu genießen. Joints, Joints und Marihuana in Massen, davon sprach er die ganze Zeit. Marianna wollte eigentlich nichts mit Marihuana zu tun haben oder mit der Sekte in Poona oder irgendeiner anderen Sekte. Ihr ging‘s um das Abenteuer neue Kulturen kennenzulernen, Menschen zu erleben, an deren Leben teilzunehmen und zu lernen. Deshalb verstanden wir uns auch super, direkt von der ersten Stunde an.
Noch eines der deutschen Pärchen war auf dem Weg nach Poona, der Artikel im Stern muss wohl ganz schön reingehauen haben, in die deutsche Szene der „Sucher“ nach Sinn in ihrem Leben.
Nicht viel mehr zu erzählen, bis unser Bus morgens um zwei Uhr endlich die Iranische Grenze erreicht hatte. Hunderte von Lastwagen auf dem riesigen Parkplatz, Fahrer und Beifahrer auf der Straße schlafend oder in den Büschen neben dem Parkplatz. Alle Türken hatten schon in den 50 Kilometern zuvor den Bus verlassen. Hier an der Grenze waren es nur noch unser Fahrer, wir zwölf Westler und ein weißer Panda. Unser Bus wurde in eine Sonderspur gewinkt und dann ging‘s nochmal im Schritttempo für eine Stunde weiter bis zum flachen Zollgebäude.
Unser Fahrer, ein richtig netter Typ während unserer Reise durch die Türkei, wurde jetzt ständig nervöser je näher wir der Grenze kamen. Er murmelte vor sich hin, fluchte, hielt Gespräche mit sich selbst, gab uns hinten Anweisungen und Verhaltensregeln. Er hielt ein paarmal an, kam nach hinten und versuchte uns in schlechtem Englisch zu warnen.
„Immer lächeln mit den Iranern, nie wütend werden oder unhöflich, was immer auch passiert. Lächeln, lächeln, ja nicht ausflippen und tun was sie uns sagen. Chandus musste Panda an eine kurze Leine nehmen.“
Dann ging‘s endlich um fünf Uhr morgens ins Gebäude, alles Gepäck mitnehmen, Panda an der kurzen Leine, der Bus wurde jetzt hinter uns durchsucht. Der erste Schritt in dieses Gebäude, es fühlte sich alles ganz anders an als in der Türkei. Eine gespenstische lange, breite Halle, schlecht beleuchtet, ganz hinten am Ende lange Tische mit wartenden Beamten. Vor uns lange Reihen mit Glasvitrinen, so ausgerichtet, dass wir an allen vorbei laufen mussten.
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