Karl Ludwig Malczok - Ein Leben

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Was passiert wenn ein Mensch sich plötzlich entschließt mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Berlin nach Indien zu reisen. Er erlebt viele Menschen und viele Abenteuer. In einem packenden Erzählstil und feiner Beobachtungsgabe erlebt der Leser die Türkei, ein Iran vor der islamischen Revolution und ein Afghanistan bevor es dort Terroristen, amerikanische Soldaten und Krieg gab. Er landet in Indien und bei einer roten Sekte. 6 Monate war diese Reise geplant aber dann geht sie weiter für die nächsten 40 Jahre und führt den Leser zu einer Flucht aus Ostberlin, London und zu einem magischen Landbesitz in Devon, Südengland.
Dieser Reisezug scheint jetzt nicht mehr zu stoppen zu sein und es gibt keinen Endbahnhof. Ein Bahnhof kommt und man hat eine kurze Zeit sich die Füße zu vertreten. Der Endbahnhof wird dann irgendwann der Tod sein.
Die Bahnhöfe dieses Lebens: Eine Putzfrau und Handwerker in New York, Schmuck Verkäufer am Strand von Los Angeles, in der Kommune zu leben die wir alle aus der Netflix Serie «Wild Wild Country» kennen, Häuser in Boston zu renovieren und Lacota und Bären Indianer kennenzulernen. Eine Discotheque am Kudamm, Verhaftung in Salzburg, Haft in Wien, Ecstasy Verhandlung in München. Nepal und ein tibetischer Lama, Indien und für eine lange Zeit eine Insel der Magie. Bali die Insel der Götter.
Begann diese Reise wirklich erst 1978 oder schon mit dem Aufwachsen im Nachkriegs Deutschland in einer Bergarbeiter Familie deren Vater wahrscheinlich der Waffen SS angehörte. 1942 in Russland in Gefangenschaft geraten und 1949 aus Sibirien entlassen?
Es ist eine Reise durch ein Leben. Aber wenn jeder Leser sich etwas Zeit nimmt um sich an sein eigenes Leben zu erinnern dann ist es eine Reise die wir alle antreten und am Ende ist der Tod.
Die Erlebnisse sind andere aber das Leben ist Magie.

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„Alles so plötzlich, aber ok. Wann willst du los?“

„In sieben oder acht Tagen, kann ich das schaffen?“

„Klar, musst nur meiner Liste folgen. Wann fährt sie?“

„In fünf Tagen, am Samstag.“

„Siehst du sie nochmal?“

„Ja, heute Abend, und vielleicht nochmal am Freitag, aber das ist dann der Abschied.“

Dann ging‘s los. Berlin - Istanbul mit dem Zug; Pudding-Shop; Der Bus bis Teheran;

“Du darfst im Iran kein Dope rauchen. Die killen dich dafür.“

Dann weiter mit Bussen, über Afghanistan, Pakistan, und Indien und dann war ich da – in Indien. Hört sich einfach an.

In Mashhad musst du die Nacht verbringen, weil der Bus zur Afghanistan Grenze schon um 11 Uhr morgens fährt, den schaffst du nicht mehr wenn du von Teheran ankommst. Es gibt nur einen am Tag.“

Drei Stunden hörte ich ihm zu, schrieb jede Einzelheit nieder. Aber das konnte ich alles schaffen. Hatte gerade ein Prämiensparen ausgezahlt bekommen - 5000 DM. Nach meiner Kalkulation konnte ich für sechs Monate mit drei bis viertausend Mark auskommen. Eintausend Mark lasse ich in Berlin, für meinen späteren Einstieg. Einen Monat für den Hinweg, vier Monate Indien und einen Monat um über Land zurückzufahren.

Schon in der U-Bahn auf dem Weg zurück in die Oranienstraße begann ich meine eigene Liste.

Ich musste einen Platz für Sandy finden, meine wertvollen Sachen wie Akai-Tonband, Plattenspieler und Platten bei Freunden einlagern. Einen Studenten finden, der meine Wohnung für sechs Monate nimmt.

Ab da gab‘s keine Universität mehr für mich. Die musste jetzt einfach auf meine Rückkehr warten.

Sonntagabend sah ich Irmgard und ihre Freundin dann nochmal für knapp eine Stunde - und auch am Freitag. Aber es war vorbei. Sie waren so mit sich selbst beschäftigt, dass ich irgendwie fehl am Platze war. Ich gehörte nicht mehr dazu. Und natürlich habe ich denen nichts von meinen Plänen gesagt. Ein süßes Geheimnis in mir.

„Was du kannst, kann ich auch.“

Es war natürlich ein Schock für meine Mutter, weit weg in Herten, aber ich hab die zwei Stunden am Telefon überlebt, nach einigem Heulen von ihr. Sie musste das einfach verstehen, was ich eigentlich selbst nicht verstand. Aber was passiert, das passiert und dann geht man einfach vorwärts.

Sandy fand für sechs Monate ein neues Heim bei einem Freund. Der hatte eh schon eine Persische Katze und Sandy mochte ihn, wenn er mal bei mir vorbeikam. Petra nahm meine paar wertvollen Besitztümer in Verwahrung. Sie war schockiert, dass ihr tolles Sektfrühstück das alles ausgelöst hatte. Ein Student für meine Wohnung fand sich auch. Vier Monate Miete zahlte er im Voraus, wusste aber noch nicht ob er sie für sechs Monate nehmen konnte. Den Rest würde er später, nach meiner Rückkehr zahlen. Dienstag, am Tag von Irmgards Abreise, war ich nur mit meiner Liste und meinen Vorbereitungen beschäftigt. Irmgard war einfach weg. Weg! Ich verschwendete nicht einmal einen Gedanken an sie.

Mitte der Woche war alles erledigt. Es hatte mich sieben Tagen gekostet und ich entschied mich am Donnerstag das Zug-Ticket für Freitag den 10. Februar zu kaufen. (Hier gibt es leider einen Fehler in der englischen Version, weil ich leider die Wochentage durcheinander gebracht habe)

Zwei Tage vorher nochmal in die Disko, alle Freunde vom PI und neue, die ich im Streik kennengelernt hatte, zu treffen. Die letzte Nacht verbrachte ich dann alleine in der Oranienstraße. Es gab nichts mehr zu irgendjemanden zu sagen. Sandy war bereits bei meinem Freund und sie würde ich vermissen. Mein Herz hing an ihr! Sie und Ich – meine Familie.

Draußen vor meinen Fenstern schneite es. Ich saß die ganze Nacht auf meinem Teppichboden. Alles war arrangiert. Zug am nächsten Morgen um neun Uhr. Eine wunderschöne Nacht mit vielen Zigaretten, den Schnee beobachtend, da draußen im kalten Berlin. Sich wundern über sein Leben und die merkwürdigen Seitenstraßen die plötzlich auftauchten. Ich wartete auf den Morgen, der Blinker war gesetzt, wo würde diese neue Straße mich hinführen?

Der nächste Morgen: Bahnhof Zoo, der Zug nach München, danach der Orient Express bis Istanbul. In Berlin lag Schnee, es war saukalt. Ich fand ein leeres Abteil, den Rucksack rein und dann raus ans große Fenster in den Gang. Es ging los. Das musste ich sehen.

Kapitel 10

Die Reise beginnt – Berlin, Türkei, Iran

Es war kalt im Zug. Hinter mir betrat irgendjemand mein Abteil, aus den Augenwinkeln gesehen wohl ein Türke. Der Zug fuhr los, ein merkwürdiges Gefühl. Das war tatsächlich ich der da stand, aber der fühlte sich gut, jedes Bild, jeden Baum, jeden Menschen auf dem Bahnsteig in sich aufsaugend, ein kleines Kind das mit großen Augen in einer riesige Welt blickt.

Ich konnte nicht weg vom Fenster. Die DDR, eine gefrorene Landschaft, Eis und schneebedeckt, Bäume die bizarr überlebten, Dörfer die an mir vorbeizogen mit dampfenden Autos und dampfenden Menschen in der Ferne. Dann das eine Wort in mir, wiederhallend:

„Waldvogel.“

Diese drei Stunden, mit Anne und Waldvogel, auf dem Teppich, zwei Jahre rückwärts.

„Oh mein Gott.“

Und Tränen überfluteten mich da am Gangfenster. Ich konnte sie nicht stoppen.

Februar 1978 verlasse ich Deutschland, werde den Rest meines Lebens da draußen verbringen, irgendwo in der Welt. Da draußen auch sterben. Das konnte doch gar nicht sein. Ist dieser 10 Februar 1978 der Tag? Konnte das dieser Tag sein? Ich hatte den Typen total vergessen, abgebucht in mir als kleines Ereignis ohne Konsequenzen. Das war wohl vielleicht falsch. Und die Tränen liefen und es wurde langsam peinlich, ein weinender Mensch am Fenster, während andere mit ihren Koffern an mir vorbei drängten, auf der Suche nach einem Sitzplatz. Das wollte ich denen nicht zeigen. Das war mein Moment. Ich versuchte die Tränen wegzuwischen, mich auf die Landschaft zu konzentrieren, Kontrolle zu bekommen.

So! Das war also meine große Reise - oder vielleicht doch nicht? Vielleicht mein letzter Blick auf Deutschland, mit Tränen, mit Erinnerungen an M. in Herten, meine Freunde in Oberhausen, Anne irgendwo in Berlin mit ihrem Russisch-Studium. Ich liebte das alles. Konnte es sein das ich das alles jetzt zurücklasse, mein geliebtes Deutschland, mit all seinem Scheiß?

„Ich bin auf dem Weg. So sei es dann.“

Ich wartete bis diese Wasser in mir versiegten. Innerlich gefasst ging ich zurück in mein Abteil, den anderen Menschen da zu sehen. Hoffentlich war der nett.

Ein älterer Türke packte gerade seine belegten Brote aus, ein türkisches Frühstück und bot mir sofort an es mit ihm zu teilen. Ja, der war nett. Seine Frau hatte es ihm eingepackt. Er war auf dem Weg nach Istanbul um seine Familie und seinen kranken Vater zu besuchen. Er sprach Deutsch wie ich, hatte schon über zehn Jahre in Deutschland gearbeitet.

Mein Reisebegleiter für die sechs Stunden nach München und sogar bis Istanbul. Sechs Stunden zusammen im sonst leeren Abteil, man spricht und lernt sich kennen, erzählt über sein Leben, die Vergangenheit und die geplante Zukunft. Besser hätte ich es nicht treffen können für meine ersten Schritte in eine neue Welt.

Sein Name war Ozan und er fuhr alleine, weil nicht genug Geld da war für die ganze Familie, Frau und zwei Kinder.

Nur noch eine halbe Stunde Fahrzeit bis München gab es eine große Polizeikontrolle im Zug. Das hatte ich in meinen 28 Jahren noch nie erlebt. Misstrauische Polizisten, unhöflich und rau, Pässe raus und unser Gepäck wurde argwöhnisch betrachtet. Gibt‘s das in deutschen Zügen? Sie zogen weiter, es war wohl alles ok.

Einfahrt in München. Ein Riesenkrach draußen, unsere Abteiltür wurde gewalttätig aufgerissen, Polizisten drängten rein, mein türkischer Freund wurde zu Boden gedrückt, in Handschellen gelegt und auf den Gang rausgestoßen. Andere Polizisten nahmen seine Koffer und Taschen. Und ich wurde misstrauisch beäugt. Also wieder den Pass vorzeigen.

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