Jetzt schwirrt Avas Kopf. Sie hatte ja keine Ahnung. All die Informationen zu verarbeiten und darüber nachzudenken, wieviel Tier man eigentlich isst, zollt seinen Tribut.
Mit aufkommenden Kopfschmerzen, biegen Ava und die Doktorin in den nächsten Gang und bleiben beide gleichzeitig stehen. In der Mitte des Ganges sehen sie wie eine Mutter an dem Arm ihres Kindes zerrt und zieht.
»Ich habe Nein gesagt und damit basta. Wir gehen jetzt.« Die Stimme der Frau wirkt forsch und aufgebracht. Das Kind reißt und rupft an der Hand der Mutter und versucht von ihr loszukommen. Ein Blick durch den Gang verrät den Grund weshalb das Kind plötzlich zu schreien beginnt. Süßigkeiten. Aha. Das Kind will also Süßigkeiten und die Mutter hat Nein gesagt. Fataler Fehler.
Wie vorhin verschränkt die Doktorin die Arme vor der Brust, verlagert ihr Gewicht auf ein Bein und betrachtet das Schauspiel zwischen Mutter und Kind.
»Adam! Komm jetzt! Ich habe Nein gesagt und damit ist jetzt Schluss.«
»Nein! Ich will diese Bonbons jetzt haben! Ich will, ich will, ich will!« Kaum dass der Junge mit einem Fuß aufstampft, zieht Ava leicht entsetzt den Kopf zurück.
»Und ich habe Nein gesagt! Du hast zu Hause noch genug Bonbons!«
»Aber nicht diese!« Strafend zeigt der Junge auf irgendwelche Bonbons in dem Regal neben sich. Als wenn sein rumbrüllen und rumstampfen noch nicht genug wäre, wirft sich der Junge tatsächlich auf den Boden. Er beginnt zu schreien und wild um sich zu schlagen.
»Adam! Steh sofort auf!« Die Mutter faucht ihren Jungen messerscharf an, aber der überhört sie gekonnt. Wie eine Heulboje brüllt der Junge den ganzen Gang zusammen. Seine Arme und Beine schlagen unkontrolliert um sich.
»Adam! Steh endlich auf! Die Leute gucken schon! Wenn du nicht sofort aufstehst, gehe ich alleine weiter und lasse dich zurück.« Ein kurzer beschämter Blick zu Ava und Nora folgt. Das Gesicht der Mutter ist vor Scham genauso rot, wie das ihres Jungen, der allerdings dabei ist, sich die Lunge aus dem Leib zu brüllen.
»Gut, wie du willst! Dann bleib eben hier!« Mürrisch, enttäuscht und wütend wendet sich die Mutter von ihrem Jungen ab. Dieser windet sich noch immer wie ein Käfer auf dem Rücken. Mit harten Schritten durchquert sie den Gang, bis sie fast das Ende erreicht.
Ava staunt nicht schlecht, als Nora aus ihrer Beobachterposition erwacht und einen Schritt in Richtung des Jungen macht.
»Ma'am, Sie haben da was vergessen!« Schon fast abwertend zeigt sie auf den Jungen, der noch immer den Boden bohnert.
Sie haben da w a s vergessen? Was sind Kinder für diese Frau? Bestien? Wie kann sie nur?
Ohne jegliche Reaktion auf diesen Kommentar, verschwindet die Mutter um den Gondelkopf. Wie angewurzelt bleibt Nora an Ort und Stelle stehen. Die brüllende Stimme des Jungen nimmt allmählich die nächsten Gänge mit ein. Wenn das so weitergeht, steht hier sicherlich irgendwann die Polizei. Ok, Security dürfte in diesem Fall vielleicht erstmal reichen.
Ava sieht, wie Nora zu dem quietschenden und brüllenden Jungen hinunterblickt. Dann zieht sie die Schultern hoch.
In dem Augenblick in dem Ava glaubt, dass sich Nora umdreht und den Jungen seinen Stimmbändern überlässt, sieht sie, wie die Doktorin sich auf den Boden setzt. Direkt neben den zappelnden Jungen.
Erschrocken springt Ava einen ganzen Schritt zurück, kaum dass die Doktorin zu brüllen und zu schlagen beginnt. Genau wie der kleine Adam, liegt nun Nora auf dem Boden des Einkaufscenters und imitiert den Jungen perfekt. Sie schreit den ganzen Gang zusammen, liegt auf dem Boden und schlägt und tritt ebenso wild um sich wie der Junge.
»Oh Gott, ist das peinlich.« Flüsternd zieht Ava den Kopf ein, geht ein paar Schritte rückwärts und wagt es kaum zu der hoch angesehenen und ausgezeichneten Doktorin zu blicken, die sich wie ein Kleinkind auf dem Boden des Einkaufscenters windet.
Wieso macht sie das? Der Junge will Süßigkeiten, aber weshalb gibt sie sich freiwillig diese Blöße?
»Adam?« Hecktisch kommt die vermisste Mutter in den Gang zurück. Sie bleibt stehen, als sie die erwachsene Frau neben ihrem Jungen auf dem Boden rumrudern sieht. Dieser wird mit jeder Sekunde ruhiger und stiller. Er liegt auf dem Bauch, klappt das Kinn herunter und starrt die erwachsene Frau ohne jeglichen Verstand an. Auch er scheint nicht zu glauben, in was für eine Situation sich diese fremde Frau gebracht hat.
Nora schreit und schlägt noch immer um sich, bis die Mutter ihren Jungen vom Boden zieht. Dieser gafft Nora mit offenem Mund so lange an, bis ihn seine Mutter aus dem Gang gezogen hat. Weg von diesem Anblick. Weg von dieser psychisch kranken Frau.
Kaum ist die Mutter um die Ecke gebogen, verstummt Nora. Atmend bleibt sie auf dem Boden liegen. Als Ava sie dann nach ein paar Sekunden kichern hört, zweifelt sie an ihrem Verstand.
Langsam traut sie sich zu der Doktorin hin. Mit großen Augen schaut sie zu ihr hinunter. Die gute Frau lacht tatsächlich. Nora liegt auf dem Boden und kichert freudig vor sich hin.
»Warum kichern Sie?« Mit funkelnden und glänzenden Augen schaut Nora zu Ava hinauf.
»Das war witzig«, grinst sie und steht vom Boden auf.
»Was, bitteschön, war daran denn witzig? Dass Sie sich zum Volldeppen gemacht haben?« Nora klopft sich den Schmutz von der Hose.
»Ist es das was Sie gesehen haben?« Sie greift sich an den Dutt und zieht das Gummi heraus. Das Ding auf ihrem Kopf sieht nach diesem Bodenwalzer alles andere als vernünftig aus. Er wirkt eher wie ein durchgeschleuderter Haufen Spaghetti.
»Natürlich. Was soll ich denn sonst gesehen haben?« Mit beiden Händen fährt sich Nora durch ihre bordeauxfarbenen Haare. Sie schiebt sie auf eine Seite.
Ungewollt beobachtet Ava diese Bewegung. Ihr Blick wird etwas schwammig, kaum, dass sie den freigelegten Hals der Doktorin wahrnimmt. Er wirkt sanft und irgendwie einladend.
Nora greift sich in die Haare, kämmt sie mit den Fingern flüchtig durch, schiebt sie zurecht und zwirbelt sie zu einem neuen Dutt zusammen. Ava muss doch tatsächlich blinzeln, um das Bild von langen roten Haaren auf vollen Brüsten aus ihrem Gehirn zu fegen.
»Ihnen ist also nicht aufgefallen, dass der Junge aufgehört hat zu brüllen und um sich zu schlagen?«
»Doch, das ist mir schon aufgefallen, aber … .«
»Glauben Sie mir, dieses Kind wird sich nie wieder auf den Boden werfen und herumschreien. Ihm war diese Situation ebenso suspekt wie peinlich, so dass er das niemals wieder wagen wird. Einen Menschen kann man am besten mit seinen eigenen Waffen schlagen. Egal wie groß oder klein dieser Mensch ist. Es ist reine Psychologie«, unterrichtet Nora Ava in menschlicher Psychologie und tippt sich gegen den Kopf.
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