„Haben Büffel gejagt, und mein Pferd ist dabei von einem Bullen aufgeschlitzt worden,“ antwortete Sam Hawkens.
„Büffel gejagt, Büffel, Büffel, Büffel!“ erklang es aus aller Mund. „Wo denn, wo?“
„Eine kleine halbe Stunde von hier. Haben uns die Lende mitgebracht; könnt euch das übrige holen.“
„Das werden wir; ja, das werden wir,“ rief Rattler, welcher so tat, als ob zwischen ihm und mir nichts vorgefallen sei. „Wo ist der Ort?“
„Reitet auf unserer Fährte zurück, so werdet ihr ihn finden; habt ja Augen genug, wenn ich mich nicht irre.“
„Wieviel Stück sind es denn gewesen?“
„Zwanzig.“
„Und wieviel habt ihr denn erlegt?“
„Eine Kuh.“
„Bloß? Wo sind die andern hin?“
„Fort. Könnt sie euch suchen. Habe mich nicht darum gekümmert, wohin sie spazieren wollten, und sie auch nicht danach gefragt, hihihihi!“
„Aber bloß eine Kuh! Zwei Jäger und von zwanzig Büffels nur einen zu schießen!“ meinte Einer in geringschätzigem Tone.
„Macht es besser, wenn Ihr könnt, Sir! Ihr hättet sie wahrscheinlich alle zwanzig erlegt und auch noch einige mehr. Ihr werdet übrigens, wenn Ihr hinkommt, noch zwei alte, zwanzigjährige Bullen sehen, auf welche hier dieser junge Gentleman geschossen hat.“
„Bullen, alte Bullen!“ rief es rundum. „Auf zwanzigjährige Bullen zu schießen, welch ein Greenhorn gehört dazu, eine solche Dummheit zu begehen!“
„Lacht ihn meinetwegen aus, Mesch'schurs; aber seht euch die Bullen nachher an! Ich sage euch, dass er mir dadurch das Leben gerettet hat.“
„Das Leben? Wieso?“
Sie waren begierig, das Abenteuer erzählt zu bekommen; er aber wies sie zurück:
„Habe keine Lust, darüber jetzt zu reden. Lasst es euch von ihm selbst erzählen, wenn ihr es für klug haltet, euch das Fleisch erst dann zu holen, wenn es dunkel geworden ist.“
Er hatte recht. Die Sonne hatte sich geneigt, und in kurzer Zeit musste es Abend werden. Da sie sich übrigens sagen konnten, dass ich erst recht keine Lust haben würde, den Erzähler zu machen, so stiegen sie auf ihre Pferde und ritten alle fort. Ich sage, alle, denn keiner wollte zurückbleiben. Sie trauten einander nicht. Bei anständigen Jägern und da, wo ein freundschaftliches Verhältnis vorliegt, gehört jedes Wild, welches von einem Mitgliede erlegt wird, den Andern auch; dieser Gemeinsinn war aber bei diesen Leuten nicht vorhanden. Als sie zurückkamen, hörte ich dann auch, dass sie sich wie Wilde auf die Kuh geworfen hatten, und jeder war unter Zanken und Fluchen bemüht gewesen, sich mit dem Messer ein möglichst großes und gutes Fleischstück herunterzureißen.
Als sie fort waren, luden wir die Lende und den Sattel von meinem Pferde und ich führte dieses zur Seite, um es abzuzäumen und dann anzupflocken. Ich nahm mir dabei Zeit, wodurch Sam Gelegenheit fand, unser Abenteuer Parker und Stone zu erzählen. Sie standen so, dass das Zelt zwischen ihnen und mir lag und sie mich also nicht sahen, als ich mich ihnen wieder näherte. Schon war ich beinahe an das Zelt gekommen, da hörte ich Sam sagen:
„Könnt mir's glauben; es ist so, wie ich sage: Nimmt der Kerl grad den größten und stärksten Bullen an und schießt ihn nieder wie ein alter, erfahrener Büffeljäger! Hab' freilich getan, als ob ich es für Leichtsinn hielte, und habe ihn gehörig ausgescholten; aber ich weiß, woran ich mit ihm bin.“
„Ich auch,“ stimmte Stone bei. „Es wird ein tüchtiger Westmann aus ihm werden.“
„Und zwar sehr bald,“ hörte ich Parker sagen.
„Yes,“ bestätigte Hawkens. „Wisst ihr, Gents, er ist dazu geboren, wahrhaftig und ganz regelrecht dazu geboren. Und dabei die Körperkraft! Hat er nicht gestern unsern schweren Ochsenwagen fortgezogen, ganz allein und ohne dass ihm dabei jemand geholfen hat? Wo der hinhaut, da wächst jahrelang kein Gras. Aber, wollt ihr mir eins versprechen?“
„Was?“ fragte Parker.
„Laßt's ihn nicht wissen, wie wir von ihm denken.“
„Warum nicht?“
„Weil es ihm in den Kopf steigen könnte.“
„O nein!“
„O doch! Er ist ein ganz bescheidener Kerl und gar nicht zum Hochmut angelegt; aber es ist stets ein Fehler, wenn man einen Menschen lobt; man kann den besten Charakter damit verderben. Könnt ihn also getrost Greenhorn nennen; er ist ja auch wirklich eins, denn wenn er auch alle Eigenschaften besitzt, welche ein tüchtiger Westmann haben muss, so sind sie doch noch nicht ausgebildet, und er muss noch viel erfahren und sich noch viel üben.“
„Hast du dich denn dafür bedankt, dass er dir das Leben gerettet hat?“
„Ist mir nicht eingefallen!“
„Nicht? Was muss er da von dir denken!“
„Ist mir ganz egal, was er von mir denkt, vollständig egal, wenn ich mich nicht irre. Natürlich hält er mich für einen unverständigen und undankbaren Halunken; aber das ist Nebensache; die Hauptsache ist, dass er sich nicht überhebt, sondern so bleibt, wie er ist. Hätte ihn freilich am liebsten umarmen und küssen mögen.“
„Fi!“ rief Stone aus. „Dich küssen! Das Umärmeln könnte man noch riskieren, aber küssen, nein!“
„So? Etwa nicht? Warum?“ fragte Sam.
„Warum? Hast du denn noch nicht einen Spiegel in der Hand gehabt oder in einem klaren Wasser dein holdes Konterfei gesehen? Dieses Gesicht, dieser Bart und diese Nase! Mensch, wer auf den unsinnigen Gedanken kommen könnte, seine Lippen dahin zu platzieren, wo man die deinigen zu suchen hat, der hat entweder den Sonnenstich oder der Verstand ist ihm eingefroren.“
„So! Ah! Hm! Das klingt ja recht freundschaftlich von dir. Bin also ein hässlicher Kerl! Wofür hältst du denn dich? Etwa für einen schönen Menschen? Das lasse dir ja nicht einfallen! Ich gebe dir mein Wort, wenn wir beide uns an einer Schönheitskonkurrenz beteiligen wollten, so würde ich den ersten Preis erhalten; du aber bekämst eine Niete, hihihihi! Aber das gehört nicht hierher. Wir sprachen von unserm Greenhorn. Ich habe mich nicht bei ihm bedankt und werde es auch nicht tun; aber wenn nachher unsere Lende gebraten ist, soll er das beste und saftigste Stück bekommen; ich schneide es ihm selbst herab; er hat es verdient. Und wisst ihr, was ich morgen mache?“
„Was?“ fragte Stone.
„Ihm eine große Freude.“
„Womit?“
„Er soll einen Mustang fangen dürfen.“
„Du willst auf Mustangs gehen?“
„Ja. Ich muss doch ein neues Pferd haben. Du borgst mir das deinige zur Jagd. Da sich heut die Büffel gezeigt haben, werden auch die Mustangs kommen. Ich denke, dass ich nur nach der Prairie hinunter zu reiten brauche, wo wir noch vorgestern die Bahn abgesteckt und vermessen haben. Dort muss es Mustangs geben, sobald diese wilden Pferde hier in dieser Breite angekommen sind.“
Ich lauschte nicht weiter, sondern ging wieder zurück und durch ein Buschwerk, um mich den drei Jägern von einer anderen Seite zu nähern. Sie durften nicht erfahren, dass ich gehört hatte, was ich doch nicht hören sollte.
Es wurde ein Feuer angebrannt, neben welchem zwei Gabeläste in die Erde gesteckt wurden. Sie gaben die Unterlage für den Bratspieß, der aus einem starken, geraden Aste bestand. Die drei befestigten an ihm die ganze Lende, und dann begann Sam Hawkens den Spieß langsam und mit künstlerischem Verständnisse zu drehen. Das wonnevolle Gesicht, welches er dabei machte, machte mir heimlich Spaß.
Als des Anderen mit dem Fleische zurückkehrten, folgten sie unserm Beispiele, indem sie sich auch einige Feuer anbrannten. Freilich ging es da bei ihnen nicht so ruhig und friedlich her wie bei uns. Da jeder für sich braten wollte, so mangelte es an Platz, und die Folge war, dass sie ihre Portionen halb roh verzehrten.
Ich bekam wirklich das beste Stück; es mochte drei Pfund wiegen, und ich aß es auf. Man halte mich ja nicht infolgedessen für einen Vielesser; ich habe im Gegenteile immer weniger gegessen als Andere, die sich in meinen Verhältnissen befanden; aber es ist für einen, der es nicht weiß oder nicht selbst erlebt und mitgemacht hat, kaum zu glauben, was für Fleischmengen ein Westmann zu sich nehmen kann und auch zu sich nehmen muss, wenn er bestehen will.
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