Taxierend blickte sie ihn an und fragte: »Was haben Sie denn für einen schönen Beruf, dass Sie so darauf brennen, gleich wieder zu arbeiten?«
Verständnislos schaute er in ihre erwartungsvollen dunklen Augen und erwiderte stolz: »Ich bin gelernter Großhandelskaufmann und Fruchtexperte für die schönsten und besten Früchte der Welt. Ab nächsten Monat gehe ich auf Reisen, um die neuen Plantagen unseres Bananen-Lieferanten aus Panama anzusehen.
Mein Boss fühlt sich schon etwas zu alt für den Job mit den endlos langen Reisen. Ich habe die Chance, in zwei Jahren, sein Handelskontor zu übernehmen. Er hat nämlich keine Erben und ich bin quasi wie ein Sohn für ihn.«
»Das klingt ja sehr interessant. Dann werden Sie ja noch eine steile Karriere machen. Meine besten Wünsche sollen Sie begleiten. Viel Glück und ein gutes Händchen dafür, dass alles, was Sie sich vorgenommen haben, auch gelingt.«
»Ungefähr drei Monate werde ich unterwegs sein. Von Mittelund Südamerika rüber auf die Karibikinseln zu den Bahamas. Dann geht’s ab nach Kalifornien, Los Angeles und weiter über den Nordpool nach Australien. Von dort nach Thailand, Malaysia, die Philippinen, über Dubai, Iran und die Türkei geht’s dann zurück Richtung Hamburg.«
»Da möchte ich auch mal hin. Wahnsinn! Das muss doch ein Vermögen kosten?«, erwiderte sie aufgeregt.
»Bezahlt alles die Firma, ist ja eine Geschäftsreise.« »Und ihre Freundin? Wo sitzt die denn heute Abend?« »Ach, ich habe leider noch nicht die Richtige gefunden«, stellte Erni unzufrieden fest. »Dafür war bislang keine Zeit. Ich habe ewig gepaukt und gearbeitet. Wenn ich eine hätte? Die würde ich auch glatt auf diesem Trip mitnehmen!«, versicherte er ihr lachend.
»Das würde mein Boss sogar freudestrahlend bezahlen, damit ich endlich unter die Haube komme und nicht so kinderlos ende wie er. Es ist übrigens auch Bedingung in meinem Vertrag. In den nächsten fünf Jahren muss ich ihm eine präsentieren. Sonst geht der ganze Laden an eine Stiftung und ich darf dann nur noch als Geschäftsführer dort arbeiten.«
»Das ist ja furchtbar!«, entrüstete sie sich.
»Vielleicht kann ich da ja ein bisschen aushelfen. Ich kenne eine ganz hübsche liebe junge Frau. Sie ist eine gute Freundin von mir.«
»Entschuldigung, darf ich einschenken?«, fragte die Kellnerin über Ernis Schultern hinweg und zeigte ihm die Champagnerflasche. »Ist das auch ein Guter?«, fragte er skeptisch. »Ja der Beste, den wir hier auf Lager haben!«, antwortete sie prompt. »Na, dann lassen Sie mal den Korken knallen und hinein damit in die Gläser.« Im Verlauf des Abends verstand sich Erni mit seiner Tischpartnerin immer besser, vorsichtig schob sie ihm einen winzigen Zettel mit ihrer Adresse zu und bat ihn flüsternd, sie in den nächsten Tagen anzurufen, damit er die Freundin kennen lerne, die sie ihm vorstellen möchte. Spontan willigte er ein und versprach: »Ich melde mich, aber was sagt Ihr Mann dazu?«
»Ach, der hat zu Hause nicht viel zu melden«, entgegnete sie abwinkend und lächelte zuversichtlich. Erstaunt nahm er das zur Kenntnis und meinte: »Auf dem Schiff ist Herr Kater ein knallharter Typ, von allen gefürchtet, außer vom Kapitän.«
Nach einer Weile fragte sie spontan: »Müssen Sie auf ihren vielen Reisen nicht auch Fotos machen?«
»Ja natürlich, ich vergaß es völlig zu erwähnen. Unterwegs habe ich eine kleine Fotokamera dabei, falls mir etwas besonderes auffällt oder angeboten wird, mache ich Fotos von der Qualität der Waren und schicke sie mit dem nächsten Flieger in die Firma.«
»Ach ja, wenn Sie möchten, dass ich Ihnen meine Freundin vorstelle, schalte ich die Alarmanlage aus. Dann können Sie unbemerkt und bequem durch den Garten herein kommen. Wir haben zur Gartenseite ein sehr großes Wohnzimmerfenster, von dort aus können Sie erst mal sehen, ob sie Ihnen überhaupt gefällt. Sie ist ein etwas schüchternes Kätzchen und noch ganz unschuldig, aber ein sehr lieber Mensch. Und, fast hätte ich es vergessen, sie hat so einen kleinen Hund dabei, falls Sie sich darüber wundern. Machen Sie bitte für mich ein paar schöne Erinnerungsfotos. Aber bitte nicht vergessen, denn die Fotos benötige ich ganz dringend für eine Überraschung!«
»Vielen Dank für die freundliche Einladung! Ich melde mich in den nächsten Tagen, sehr verehrte Frau Kater.«
Hektisch legte Erni den Telefonhörer auf und sah besorgt zur Uhr. Den letzten Auftrag schmiss er noch auf den hohen Stapel seines Schreibtisches. Er war wieder angekommen im Rausch des vollen Stress. »Verdammt, ich muss los«, dachte er. Gestern hatte er sich mit der unverhofft neuen Bekannten verabredet und wollte pünktlich dort sein. Die Kamera, hoffentlich sind noch Filme im Kühlschrank. Er hetzte in die Pantry, riss den Kühlschrank auf, schnappte sich die Filme und sauste zum Büro seines Chefs. Nach dem sein Klopfen nicht erhört wurde, drückte er leise die Türklinke und öffnete die schwere Doppeltür. Sein Boss hing in seinem Sessel und schnarchte bedächtig vor sich hin. Vorsichtig tippte er ihm auf die Schulter und sprach ihn an. Auf seinen Zähnen herumkauend räusperte er sich und öffnete seine schlaftrunkenen Augen.
»Verflixt nochmal! Bin ich schon wieder eingepennt?«, rief er ärgerlich. »Ich hab doch noch einen Termin heute Abend und müsste schon längst unterwegs sein.«
»Entschuldigung Boss!«, antwortete Erni hektisch.
»Ich habe noch eine Bitte an Sie: »Auf mich wartet eine ganz wichtige Verabredung. Können Sie heute Abend auf meine Anwesenheit verzichten. Ich bin bei einer sehr liebenswürdigen Dame eingeladen und lerne dort ein hübsches Mädchen kennen.«
Staunend forderte er ihn auf: »Dann hau bloß schnell ab und sieh zu, dass du sie an Land ziehst.« Lachend fügte er noch hinzu: »Stell dich bloß nicht so dämlich dabei an, die wollen alle nur das eine, schnell heiraten, verstehst du. Heiraten und Kinder kriegen.«
»Ja, ja, Boss ich weiß. Tschüs Boss!«
»Wart mal einen Moment, hier nimm die Schlüssel, du kannst heute meinen Wagen nehmen, vielleicht hilft das bei deinem Vorhaben. Ich bin total müde und kaputt. Ich bestell’ mir ein gemütliches Taxi!«
Zufrieden saß er in der großen Limousine. Beruhigt stellte er fest, dass sich der Verkehr langsam auflöste und er schneller, als vermutet, voran kam. Voller Erwartung durchsuchte er die Straßenschilder der kleinen Seitenstraßen des Volksdorfer Stadtteils. Endlich tauchte das Schild der alten Dorfstraße auf. An Hassos Haus fuhr er vorüber und stellte das große Fahrzeug in einer nah gelegenen Seitenstraße ab. Nach kurzer Orientierung machte er sich auf den Weg. Hektisch befühlte er noch mal seine Jackentasche und ertastete die kleine Minoxkamera. Schnellen Schrittes ging er zu dem Haus der Katers und ergriff die Klinke des leicht angelehnten Gartentores. Vorsichtig, wie ein Dieb, schlich er durch den Garten um das große Panoramafenster zu erreichen. Hinter der Scheibe entdeckte er zwei skurrile Silhouet»Danke Boss! Vielen dank!«, verabschiedete sich Erni fröhlich und verschwand aus dem Büro.
ten. Erni schlich seitlich etwas dichter heran und erschrak. Nein, verdammt! Es waren zwei riesenhafte große Tiere, oder? Im Strahl der Deckenspots glitzerte ihr schwarzglänzendes Fell so blank wie bei Seehunden, die frisch aus dem Wasser kamen. In duckender Haltung versteckte er sich hinter einem Rhododendronbusch und konnte nicht glauben, was er dort sah.
Eine übergroße pechschwarze Katze, die seltsam schillernd auf dem breiten Sofa nach vorn übergebeugt hockte und einen bulligen Hund anfauchte. Zwischen den beiden lag ein frisch geräucherter großer Lachs auf einem Fressnapf. Die überdimensionierte Katze fauchte zum Fenster herüber. Fassungslos schüttelte er sich und verschloss für einen kurzen Moment die Augen. Am liebsten wäre er sofort wieder abgehauen, aber er hatte ihr ja versprochen, die Fotos zu machen. In seiner unerfahrenen Einfalt fragte er sich erschrocken: »Sind das nicht zwei Gestalten? Solche Lippen hat doch keine Katze?«, dachte er. Und der Köter hielt ihm seinen splitternackten Hintern entgegen, der, vom Deckenstrahler angeleuchtet aussah, wie eine polierte Tellermine aus dem Munitionsmagazin des Marinekreuzers. Angewidert von dieser Szenerie, die er so nicht erwartet hatte, starrte er mit schockgefrorenem Blick auf seine Kamera.
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