Und irgendwie kommt er mir bekannt vor. Woher kenne ich ... Oh mein Gott! Ich weiß es! Er sieht echt wie der zu Fleisch gewordene Thor aus, einer von Dads liebsten Marvel-Helden. Ich schlucke.
„Also ... Nichts passiert“, stammle ich und bin froh, dass er im Dunkeln des Clubs nicht sehen kann, dass meine Wangen in Flammen in stehen.
Schweigen.
Langsam mustert er mich von oben nach unten und das Grinsen auf seinem Gesicht wird immer breiter. Alles an dieser Situation schreit in mir gerade zu unangenehm auf, aber ich kann auch nicht aufhören, in diese großen, dunklen Augen zu starren. Ich beiße mir auf die Unterlippe und merke, dass mein Herz mir bis zum Hals schlägt. Er strahlt eine Anziehung auf mich aus, die mich fast schwindelig werden lässt. Es ist, als würde jede Zelle meines Körpers auf ihn reagieren. Jede ...
Als ich mich doch endlich losreißen kann, mich mehr oder weniger dazu zwinge, und mich abwenden will, findet er seine Stimme wieder: „Hm. Du hast also keinen Drink? Wie kann das denn sein?“
Soll das ein Witz sein? Hat der mal die Schlange vor der Bar gesehen?
„Na ja, es ist ziemlich voll, falls dir das noch nicht aufgefallen ist. Und bisher war ich noch nicht motiviert genug, mich in das Gedränge zu schmeißen.“ Ich nicke in Richtung Bar und auf die Menschenmassen davor.
Ungläubig und fast ein wenig amüsiert starrt er mich an. Da ist es wieder, dieses Grinsen. Flüchtig leckt er sich über die Lippen und ein kleines Kribbeln macht sich in mir breit. „Verstehe. Warte kurz.“
Behände bahnt er sich seinen Weg durch die Menge und winkt dem Barkeeper: „Hey Pat!“ Der auch prompt reagiert, praktisch alles stehen und liegen lässt.
Was zum ...?
„Yo, Chris! Was kriegst du?“
„Das Übliche!“
Pat reckt den Daumen in die Luft.
Und tatsächlich. Keine fünf Minuten später habe ich einen eisgekühlten Gin Tonic in der Hand. „Äh, danke. Das ging schnell.“ Ich bin etwas überrumpelt von der Situation und weiß nicht so recht, was ich sagen soll. Fuck! Ich bin doch sonst nicht so wortkarg!
„Kein Problem“, erwidert er und grinst von einem Ohr zum anderen. „Na dann, cheers!“
Wir stoßen an und dann ist er auch schon genauso schnell verwunden, wie er aufgetaucht ist. „Wir sehen uns“, ist das Letzte, was ich noch von ihm höre. Er geht Richtung Tanzfläche davon.
Wow, der Po kann sich auch sehen lassen ... Nur die groben Stiefel erscheinen fast ein wenig zu derbe für einen schicken Club. Wie ist er damit nur reingekommen? Ach verdammt, wäre ich nicht so irritiert und auf der Suche nach meiner Freundin, hätte ich ihn vielleicht in ein Gespräch verwickelt. Jetzt ist er weg. Ich überlege für einen Moment, ob ich ihm hinterhergehen sollte. Fuck , vielleicht ist er mit Freunden da, möglicherweise sogar mit seiner Freundin . Wäre oberpeinlich, da jetzt einfach so rein zu platzen.
Okay, zurück zu meiner Verabredung. Wo steckt Hailey?
Ich mache mich auf den Weg zur oberen Etage des
All in . Von dort habe ich einen besseren Überblick und entdecke sie vielleicht in der Menge.
Die Treppe nach oben ist am Ende der Bar und theoretisch gar nicht weit weg.
Theoretisch.
Verschwitzte und bebende Körper streifen den meinen, als ich mich an den Gästen vor der Bar vorbeischiebe. Ein paar sind nicht gerade amüsiert und werfen mir funkelnde Blicke zu. Ich versuche, mich zu entschuldigen, aber mehr als einen flüchtigen Blick hat dann doch keiner mehr für mich übrig. Warum ist es heute nur so voll?
Endlich erreiche ich die Treppe nach oben. Mit jedem Schritt hinauf wird die Luft ein wenig kühler. Wow, mir war gar nicht bewusst, wie heiß es dort unten war. Oben angekommen stelle ich mich an die Balustrade und lasse meinen Blick über die Menge schweifen.
Die Menschenmenge auf der Tanzfläche unter mir bebt. So aufgeheizt habe ich den Club lange nicht erlebt. Der DJ in seinem Gitterkorb über der Tanzfläche gibt heute echt alles. Und es wirkt. Kaum jemand kann Füße und Körper still halten. Die Menge tanzt und die Luft scheint in den wirren Lichtern zu flirren. War das Chris da unten zwischen den Tanzenden? Hatte er gerade zu mir hoch gestarrt? Ach Quatsch, Hannah, nur weil dir ein süßer Typ einen Drink spendiert, muss das noch lange nicht heißen, dass er auf dich steht. Außerdem hatte er dich praktisch über den Haufen gerannt, also war der Drink fast schon Pflicht gewesen.
Ich nippe an meinem Glas und merke, dass mein Stempel am Handgelenk angefangen hat zu brennen. Verdammte Industriefarbe. War ja klar, dass ich darauf allergisch reagiere. Ich betrachte den Stempel genauer. Komisch ... Im Schwarzlicht des Clubs sieht er aus wie ein Strichcode. Ich zucke mit den Schultern und nippe erneut. Der Drink tut gut. Hailey sagt immer, ein Gin Tonic wäre ein viel zu hartes Getränk für eine so zarte Person wie mich. Meine Antwort darauf lautet meistens, dass Bier auch nicht gerade ein typisches Frauengetränk ist. Und dann lachen wir.
Sehen kann ich sie von hier aus leider auch nicht. Etwas besorgt setze ich mich wieder in Bewegung und gehe direkt an der Balustrade einmal um die obere Etage herum. Nichts. Na gut. Dann eben ab in die Menge. Mit etwas Glück begegne ich ihr einfach auf der Tanzfläche. Ich leere mein Glas, stelle es auf den nächsten Tisch, gehe die Treppe herunter und stürze mich ins Getümmel. Als ich die Tanzfläche betrete, spielt der DJ einen meiner Lieblingssongs. Hell yes ...
Bed, stay in bed
The feeling of your skin locked in my head
Smoke smoke me broke
I don’t care, I’m down for what you want
Ich gebe mich dem Beat hin, lasse alles los und tanze . Verliere mich im Rhythmus, im Takt der Menge und des Songs. Meine Füße tragen mich wie von selbst.
Daydrunk into the night, wanna keep you here
Cause you dry my tears
Yeah, summer loving and fights
How it is for us, and it’s all because
Ich fühle mich wie berauscht. Als würde der Song mich ausfüllen. Durch meinen Körper fluten. Ein Lächeln legt sich auf meine Lippen.
Now if we're talking body
You got a perfect one, so put it on me
Swear it won't take you long
If you love me right
We fuck for life, on and on and on
Plötzlich packt mich jemand grob am Ellenbogen. „Wir müssen hier raus!“
Chris .
„Los, Hannah, wir haben keine Zeit zu verlieren! Wir müssen gehen!“
Was zur Hölle redet er da? Und woher weiß er meinen Namen? Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich mich vorhin nicht vorstellt hatte, was ich zugegebenermaßen ein wenig bereut habe.
Ich starre ihn ungläubig an. Nur langsam realisiere ich, dass er im Inbegriff ist, mich von der Tanzfläche zu ziehen. Endlich gehorchen meine Sinne mir wieder und ich kann mich losreißen.
„Hey, was soll das? Spinnst du? Ich will noch nicht gehen!“
Wir stehen immer noch mitten auf der Tanzfläche. Ich verschränke die Arme vor der Brust und er sieht mich völlig entgeistert an. Hatte er etwa damit gerechnet, dass ich ihm einfach so folgen würde?
Gerade will ich mich wieder unter die Tanzenden mischen, da packt er mich erneut am Arm: „Hannah, bitte, wir müssen gehen. Jetzt! “
Bevor ich die Zeit finde, ihn zu fragen, woher er meinen Namen kennt, und was zur Hölle das hier soll, sehe ich sie in seinen Augen: Angst.
Fuck.
Damit hatte ich nicht gerechnet. Und bevor ich auch nur ein Wort erwidern kann, zieht er mich weiter durch die Menge.
„Chris, warte, ich kann nicht so schnell!“
Doch anstatt langsamer zu gehen, hebt er mich kurzerhand hoch und trägt mich dicht an seinen Körper gepresst gezielt von der Tanzfläche. Ich frage mich lieber erst gar nicht, warum er so stark ist. Ich fühle mich etwas schwummerig und kann gar nicht sagen, ob das vom Drink kommt oder von der völlig absurden Situation, in der ich mich gerade befinde.
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