1 ...6 7 8 10 11 12 ...18 Als er ihr in der Hütte der Söldner den Befehl gab im Berg auf ihn zu warten, folgte sie ihm. Sie folgte ihm selbst dann noch, als er sie diesmal nicht in das verdammte Pechgewölbe führte, sondern in seinen Kerker.
Schweigend war sie vor ihm die Stufen herabgestiegen. Als er vor dem Kerker stehenblieb, war sie schon einige Stufen weiter gegangen. Sie hatte innegehalten, als sie bemerkte, dass er ihr nicht folgte. Für einen Moment zögerte sie, ihre Blicke trafen einander und sie verstand. Tamille betrat den Kerker mit hoch erhobenem Kopf. Zum ersten Mal fiel ihm die Erscheinung auf, in die sie für ihn schlüpfte. Es war die Gestalt der Frau, die er getötet hatte, als Raan ihm befahl ihr beizuwohnen. Die Erinnerung daran verursachte eine Reaktion tief in seinem Unterleib. Wortlos wartete sie, bis er ihr eine Zelle öffnete. Immer noch schweigend betrat sie sie und wieder wechselten sie einen Blick. Er lächelte, als er die Gier darin bemerkte. Wenigstens bei diesem letzten Mal begegneten sie einander mit demselben Anspruch.
Sie hatte das Lächeln erwidert, dann nahm sie Platz und wartete auf ihren Tod.
Als er sich über sie hermachte, sah ihnen niemand zu. Man hörte ihre Qual, doch niemand würde es wagen ihn zu stören und so starb sie, während er sich in der Gestalt befand, vor der er am meisten Abscheu empfand. Sie litt, während sie ihre eigenen Spuren an seinem Körper fand. Das war ein letztes Geschenk, das er ihr machte und sie hatte es sich wahrlich verdient.
Wann immer sie ihm Informationen gebracht hatte, bestand seine Bezahlung für sie darin, sich von ihr vergiften zu lassen. Wann immer sie kam starb er. Doch immer starb er in seiner wahren Gestalt. Und immer wieder stand er auf. Gezeichnet, verbrannt, vergiftet, fast wahnsinnig vor Schmerz. Doch er stand auf, weil Wesen wie er nicht einfach sterben konnten! Und sie jubelte, denn sie wusste, so lange er sie am leben ließ, würde sie jederzeit wieder das mächtigste Wesen dieser Welt bezwingen.
Jedes Mal, wenn sie ihm Informationen brachte, zog er sich für sie aus. Jedes Mal beobachtete sie voller Gier, wie er seine menschliche Hülle abstreifte. Wie aus dem mächtigen Mann das Geschöpf wurde, das er so sehr verabscheute. Und jedes Mal stieg sie über ihn, besudelte ihn mit ihrem Gift. Fühlte seine Schmerzen, seine Pein und seinen Hass.
Tamille hatte immer gewusst, dass sie irgendwann dafür mit ihrem Leben bezahlen würde, doch das war es ihr wert. Lange schon lebte sie in seinem Schatten. Sie war dabei, als Raan ihn zu seiner ersten Frau sandte. Sie war dabei, als er sich verlor und sie hatte verfolgen können, wie Odile das Ruder übernahm. Sie war die Einzige, die bis dahin gesehen hatte, was ihm entstieg und seit diesem Tag war er mehr als das Biest, dem sie als Spitzel diente. Wann immer sie ihre Bezahlung einforderte, war es diese Szene, die sie vor Augen hatte und ihre Enttäuschung war groß, weil er niemals auf die Gestalt der Frau reagierte. Doch dieses Lächeln heute, dieses Erkennen und seine Reaktion darauf brachte sie dazu, sich mit Genuss unter ihm zu winden.
Als die Pratze starb, war sie irrsinnig vor Schmerz und wahnsinnig vor Glück: Sie war die Letzte, die ihn jemals so gesehen hatte! Sie war die EINZIGE!
Im Schlaf lächelte Dogan. Er atmete ruhig und die Schlangen bemerkten, wie er sich erholte. Sie entspannten sich mit ihm. Für eine Zeitlang, wenige Minuten nur, schien Dogan Ruhe zu finden. Langsam glitt er tiefer in den Schlaf, seine Atmung wurde schwerer, der Instinkt driftete ab. So schrillten die Alarmglocken fern und ungehört, als eine Stimme anfing, leise zu flüstern »... wenn der Wind weht, wippen Miras Locken. Wie Federn fühlten sie sich an, als sie vor dir auf dem Pferd saß ... erinnerst du dich an den Geruch ihrer Locken?«
Die Stimme kam tief aus seinem Inneren und sie seufzte »Wie Gold schimmerten sie in der Sonne - blond wie die Deinen. Würden sie sich vermischen, dann wäre das ein schönes Bild. Wie die Löckchen sich um deine Zöpfe schlingen ...«
Nun summte die Stimme eine liebliche Melodie. Ganz leise in seinem Kopf, unter seinem Verstand tauchte sie hindurch. Nur der Hauch von Worten, kaum hörbar, nicht mehr als eine Ahnung. Begleitet wurden sie vom Geruch der schwangeren Frau. Leicht, kaum wahrnehmbar.
Seine Lider flatterten »Wie es sich wohl anfühlen würde diese schmalen Schultern zu halten, mit dem Finger über diesen Hals zu fahren, ihren Puls zu fühlen ...«, wisperte die Stimme »Ach, wie es sich wohl anfühlen würde ...«
Die Schlangen wurden unruhig. Und geborgen in seiner eigenen Boshaftigkeit gab Dogan der Stimme aus der Dunkelheit die Antwort »... es würde sich gut anfühlen, dieser Kehle die Luft nehmen!« flüsterte er. »Es wäre großartig diese blauen Augen voller Angst erlöschen zu sehen und die Lippen zu betrachten die nach Luft schnappen. Und wenn sie tot wäre, würden ihre Locken wippen während der Wind über ihre Leiche weht. Und du und ich, wir beide würden dem Herzschlag des ungeborenen Kindes lauschen ... so lange bis er aussetzt. So lange, bis auch das Kind in ihr ausgelöscht ist!« Mit jedem Wort war seine Stimme lauter geworden. Die letzten Worte schrie er »Du FOTZE! Denkst du, ich mache es dir so leicht? VERPISS DICH!«
Die Stimme in ihm, nun nicht mehr süß und lieblich, sondern böse und garstig, schrie zurück »Idiot! Du dämlicher Idiot! Du sollst sie nicht töten! Nein, nimm sie, mach ihr ein Neues! Zeuge mir einen Nachkommen!«
»NEIN!« brüllte er und sie lachte, lachte laut und grausam und dann zeigte sie ihm die ganze Ausweglosigkeit seiner Situation »Du hast dich bereits ergeben! Ich werde über dich kommen! DU HAST VERLOREN!« Die Vibration ihrer Boshaftigkeit verursachte ihm eine solche Übelkeit, dass er würgte »HALT DICH BEREIT – ICH WERDE DA SEIN!«
....
Schweigend lauschte Farq, als Dogan heimkehrte. Er versuchte, Dogans Gedanken zu empfangen, doch wieder schlug ihm nur Stille entgegen. Dogan betrat den Berg und seine Schritte bewegten sich in die falsche Richtung. Er ging die Stufen hinab in seine leeren Kerkerräume - nicht hinauf. Nicht dorthin wo Mira schlief. Nicht dorthin wo Farq ihn haben wollte. Farq grollte ihm deswegen, als Adaras Stimme hinter ihm erklang. »Bist du dir sicher, dass du die Fäden an denen er hängt noch fest in der Hand hast?«
Viel brauchte es nicht
Dogan drehte sich im Kreis. Sie alle wollten dasselbe von ihm. Sie alle wollten das, was er nicht bereit war zu geben.
Viel schlimmer aber war das, was mit Farq geschah. Zum ersten Mal standen sie nicht Schulter an Schulter. Und Dogan hatte keine Ahnung, wie das hatte geschehen können. »VERFLUCHTE SCHEISSE!« Wieder fiel ihm auf, dass sein Kerker quasi leer war. Nichts hatten sie ihm hier gelassen! Seine Kleidung, seine Waffen - alles weg!
Alles was ihm blieb, war sein Werkzeug! Doch im Moment gab es niemanden zu foltern, niemanden zu bestrafen – der ganze Kram machte ihm nur klar, wie lächerlich all das war. Wütend trat er gegen den Tisch.
Dann zwang er sich, sich zu beruhigen. Er versuchte, etwas Positives zu finden. Etwas, das ihm half seine Gedanken zu ordnen. Tief atmete er ein und aus: Er hatte geschlafen! Er war ausgeruht, hatte das Biest in die Dunkelheit zurückgedrängt! Konzentriert hielt er sich an diesen Gedanken fest. Odile und Farq wollten dasselbe. Sie wollten beide, dass er die Frau nahm - also war der Weg doch klar! Er durfte genau das nicht tun!
Sie wollten Nachkommen? Wollten sich um seine Brut beißen wie wilde Hunde? Alles in ihm sträubte sich, begehrte brüllend auf, weigerte sich!
Und wieder wurde ihm klar, dass er sich im Kreis drehte! Denn er hatte sich bereits ergeben! Warum konnte er es nicht gut sein lassen? Was war nur mit ihm los? Warum war jetzt alles anders? Warum tat er nicht einfach, was gefordert wurde? Er sollte ihnen geben was sie wollten und sich dann aus dem Staub machen!
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