Dann entdeckte er im Rückspiegel ein Gesicht. Zuerst nur schwach und schimmernd, doch dann ganz deutlich. Nur eine Täuschung?
Es war das Gesicht eines alten Mannes. Gustav hatte diese traurigen Augen schon gesehen, ... in Florenz. Er hatte den Alten barfüßig durch viele Straßen verfolgt und dann doch verloren.
Ganz sicher saß er in diesem Moment nicht auf dem Rücksitz seines Autos! Er schaute erneut in den Rückspiegel. Gustav konnte plötzlich seinen Blick nicht mehr von diesen traurigen Augen abwenden. Etwas erfasste sein Gemüt. Ein sonderbares Gefühl. Er hatte Mitleid mit der Person, dem diese Augen gehörten.
„Wach auf! Jetzt!“, rief eine Mädchenstimme in seinem Kopf.
Panisch riss er das Lenkrad herum und trat mit aller Kraft auf die Bremsen. Das Auto schleuderte gegen die Leitplanke, ließ Funken sprühen und Reifen quietschen. Ramona erwachte und schrie.
Ihr Fahrzeug war längst von der Fahrbahn geflogen und rutschte vor einem Abgrund an einem knorrigen Baum.
Benommen stiegen beide aus dem zerbeulten Auto, torkelten kurz und ließen sich zu Boden sacken.
„Gustav, bist du eingeschlafen?“, röchelte Ramona.
Vor ihnen lag ein Abhang, steil und schwindelerregend und führte senkrecht hinab ins Tal. Es wäre ein wundervoller Ausblick gewesen.
„Verdammt! Das war knapp!“, sagte Gustav.
„Knapp?“, schimpfe Ramona, „Einen Meter weiter und wir wären noch immer im Flug. Gustav, verdammt, das war nicht knapp, sondern großer Mist!“
Gustav nickte. Sie hatte absolut Recht. Wie konnte er so leichtsinnig sein?
Nachdem sie verschnauft hatten, begutachtete Gustav das zerbeulte Auto. Scheinbar war es noch fahrbereit. Behutsam fuhr er den Wagen rückwärts die Böschung hoch, bis endlich die sichere Straße erreicht war.
Ramona wischte sich die blutige Nase ab. Sie öffnete ihre Bluse und suchte ihren Körper nach Verletzungen ab. Ein roter Bluterguss verriet, wo der Gurt gesessen hatte.
„Scheiße! Tut mir leid!“, hörte sie Gustav wimmern, der dicht neben ihr stand, „Wir machen jetzt regelmäßige Pausen, stündlich!“
Erst am Abend erreichten sie die barocke Stadt Dresden.
„Man nennt diese Stadt auch
Elbflorenz
. Sollte es ein Wink des Schicksals sein?“, bemerkte Gustav. Seit ihrem Unfall waren es seine ersten Worte.
„Bemühe nicht das Schicksal! Es war pures Glück, dass wir nicht in die Tiefe gestürzt sind und noch leben. Hast du eine Idee, wo wir übernachten?“, sagte Ramona erschöpft.
Sie war immer noch unter Schock und ihre Schulter schmerzte.
„Ich kennen einige Leute in Dresden.“, antwortete Gustav, „Wir sollten anfangs versuchen bei meinem Freund Johannes unterzukommen. Er lebt allein, hat eine großräumige Wohnung im Zentrum und er arbeitet, was wirklich Zufall ist, als Restaurator im Schloss Moritzburg.“
Ramona schaute ihn ungläubig an. Er lächelte.
„Stimmt wirklich! Wir haben uns vor vielen Jahren kennengelernt, bei einer Veranstaltung zum Thema:
Öffentlicher Umgang mit Privatsammlungen historischer Kunstwerke
.“, erklärte er. „Johannes ist auch Sammler alter Bücher und er half mir bei der fachgerechten Konservierung einiger Exemplare aus meiner Bibliothek. Er ist nett, hilfsbereit und er wird dir gefallen.“, fügte er hinzu.
„Sieht er gut aus? Wie alt ist er?“, fragte Ramona.
„Er sieht toll aus. Mach dir aber keine falschen Hoffnungen, mein kleiner Hasenpups. Johannes mag keine Frauen. Deshalb lebt er ja allein. Und für dich wäre er auch zu alt.“, gab Gustav zurück.
„Zu alt? Also wie du!“, sagte sie spitzfindig.
„Ich bin ein gereifter Jahrgang und nicht alt.“, kommentierte Gustav.
„Egal. Wir sollten über unser Reiseziel und der kleinen Schatzsuche kein Wort verlieren. Das sollten wir beide für uns behalten!“, befand Ramona.
Gustav stimmte ihr zu.
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