Die absolute Krönung für Valy war es, als ihre Sexpartnerin ihren eigenen Vibrator mit einem Kondom überzog, um ihn langsam in die wartenden Schamlippen der völlig entspannt da liegenden Lesbierin einzuführen.
Das Summen des Geräts ließ Valettas Herz höher schlagen. Sie ließ sich vollkommen gehen, als Casmilda mit anfangs sanften, und schließlich immer schnelleren Bewegungen in sie eindrang. Ein Rinnsal von Schweiß ihrer Stirn begleitete sie bei einem heftigen Orgasmus, der einen großen Schwall an Scheidensekret freisetzte. Das Laken auf dem IKEA – Bett ließ sich bequem in der Waschmaschine reinigen. Das wichtigste war der Genuss. Sie lag vollkommen erschöpft da, keuchte und stöhnte, als der Orgasmus schon vorüber war, um die nachhaltige, befreiende Wirkung seiner Natur vollkommen auszukosten. Casmilda verspürte einen gewissen Stolz bezüglich der Tatsache, eine Frau zum Höhepunkt gebracht zu haben. Sie blickte in Valettas Richtung, die die Augen immer noch geschlossen hielt. Ich lasse sie noch ein wenig in Ruhe, dachte Casmy bei sich. Die Sinnlichkeit des sexuellen Genusses kannte sie von einem Mann nach seinem Höhepunkt nicht, doch sie wusste genau, was sie normalerweise tat, nachdem der Verkehr zu Ende war – sie zündete sich eine Zigarette an. Somit hob sie ihre Tasche vom Boden auf und nahm sich eine Zigarette aus der Packung. Sie inhalierte den Rauch tief und genüsslich. Erst jetzt wurde ihr so richtig bewusst, wie sehr sie sich selbst nach einem Orgasmus sehnte, aber auch, dass sie ohnehin schon viel zu weit über ihre gewohnten sexuellen Verhältnisse hinausgegangen war, indem sie eine Frau befriedigt hatte.
Wenige Minuten später richtete sich Valy auf.
Ihr Gegenüber blickte sie verträumt und gleichzeitig ein wenig frech an. Valetta wich ihrem Blick aus. Ihre Gesten waren hektisch und unbeherrscht, als sie sich ebenfalls eine Zigarette anzündete. Dann überrumpelte sie Casmilda mit einer Aussage, die sich mit ihrem sexuellen, friedlichen Genuss vor noch wenigen Minuten eindeutig widersprach.
„Und damit das klar ist“, fuhr Valy sie streng an, „das bleibt unter uns, und unterlasse jedwede Hoffnungen wegen einer festen Beziehung zwischen uns Beiden! Ich möchte mein Sexualleben frei und offen gestalten, wie ich will, und habe schon öfters mit heterosexuellen Frauen geschlafen!“
„Okay“, antwortete ihre Freundin verdutzt. Sie schwiegen beide. Casmilda hielt diesen Zustand nicht mehr aus. An diesem Tag war es für sie immerhin schon das zweite Mal, dass sie heftige Emotionen über sich ergehen ließ, und anschließend diese unerträgliche Stille zwischen den Beiden herrschte.
„Warum bist du plötzlich so aggressiv?“, wollte sie daher wissen, um die Stille zu brechen, und sich Klarheit über die Situation zu verschaffen. Casmildas Stimme wirkte ein wenig gereizt.
Valy bedachte sie mit einem kühlen, undurchdringbaren Blick.
„Ich bin nicht aggressiv, meine Liebe. Ich sage nur klipp und klar, was Sache ist. Ich will diesen Akt auch nicht hinterfragen oder mit dir besprechen, oder darüber diskutieren, ob es wieder geschehen wird. Falls du eine Heftigkeit in meiner Stimme gehört hast, rührt sie sicher nur daher, nicht missverstanden werden zu wollen, so wie es manche Heterofrauen eben tun, die nach dem sexuellen Lustspiel glauben, ich wolle mehr. Sex ist eben Sex. Außerdem wende ich diesen Tonfall ständig in unserer Kommunikation an, er erscheint dir nur derart brutal, weil du wohl dein Herz bei unserem Sexualakt ein wenig geöffnet hast. Keine Erwartungen, bitte, versprich es mir! Ich bin nicht böse auf dich, ich will nur für Klarheit sorgen.“
Casmilda bemühte sich, diese Worte zur Kenntnis zu nehmen und nickte, auch wenn sie für sie einen Widerspruch darstellten – zuerst dieser leidenschaftliche, zärtliche Sex, dann diese Aussage, die sie als gefühlskalt empfand. Scheinbar hatte Valetta eine enorme Bindungsangst, was Casmilda seit der Lüftung ihres Geheimnisses gut verstehen konnte. Dennoch war da dieses Unverständnis über die zeitliche Abfolge eines netten Verkehrs, und der Behauptung, das sei alles nur Sex gewesen.
Sie wollte mit ihr keine Beziehung eingehen, nein. Sie stellte sich jedoch eine interessante Frage: wie würden sich jetzt ihre weiteren Treffen gestalten? Würden sie wieder Sex miteinander haben, oder so tun, als wäre dieser Sex niemals geschehen? Was war eigentlich an dem Wort Beziehung großartig zu rütteln, das die Gesellschaft mit aller Heftigkeit plattzutreten schien? Bedeutete dieses Wort in seiner ursprünglichsten Form nicht, dass man zu jemandem oder etwas einen Bezug, sprich eine Verbindung hergestellt hatte? Sie ließ diese Fragen offen, um ihrem bereits überforderten Gehirn eine Denkpause zu gönnen. Nach einer kurzen Verabschiedung ging Valy. Ein knappes „ciao, bis bald“ ertönte im Raum, als sie sich mit schnellen Schritten in Richtung Tür bewegte. Casmy erschien es, als hätte sie in Valys Augen etwas Falsches getan. Als sie die Türe im Schloss zufallen hörte, bemühte sie sich, ruhig zu bleiben und tief durchzuatmen. Wenige Minuten später zog sie sich aus.
Sie putzte sich die Zähne, dachte bei der Masturbation mithilfe ihres Vibrators an ihre erste Erfahrung mit einer Frau, und schlief nach einem bald darauf folgenden Höhepunkt ein.
Die Welt überraschte Casmy in ihrer Seltsamkeit. Sie hatte sich immer für Männer interessiert, sexuell und auch emotional, was ihre Partnerschaften anbelangte. Diese Beziehungskonflikte waren schon schwierig genug. Und vor wenigen Stunden hatte sie mit einer Frau geschlafen.
Mit einem Mal wachte sie plötzlich mit jenem Gedanken auf, der sie irgendwo in einem Traum verfolgt haben mochte. Ihre Hirngespinste überschlugen sich: Sie hatte mit Valetta Sex gehabt. War sie nun etwa lesbisch oder bisexuell? Die Frage alleine brachte sie völlig durcheinander. Sie begann plötzlich zu zittern und Rinnsale aus Schweiß nässten ihre Achseln, auch ihre Stirn wurde feucht. Casmy setzte sich auf. Um halb 2 Uhr morgens fing sie an, ihre gedanklichen Verwirrungen in ihrem Tagebuch aufzuschreiben. Die Frage, ob es denn für sie selbst in Ordnung sei, eine lesbische Neigung zu empfinden, bzw. auszuleben, oder aus Überzeugung homosexuell zu sein war an erster Stelle. Einige Minuten später jedoch legte sie das Buch zur Seite und zündete sich eine Zigarette an. Die Fragen blieben weiterhin unbeantwortet. Der Rauch tat ihrer Lunge nicht sonderlich gut, sie hustete, weil sie vor lauter Aufregung ziemlich stark inhaliert hatte, aber der Geschmack des Glimmstängels und die beruhigende Wirkung des Nikotins waren in diesem Moment Balsam für ihre Seele, auch, wenn er das Problem unverändert ließ. Und da, mit einem Male, schoss ihr ein quälendes Faktum durch den Kopf, das sich auch in ihrem Herzen skrupellos auszubreiten begann: sie hatte mit einer ihrer besten Freundinnen den Beischlaf ausgeübt. Sex und Freundschaft ließen sich unmöglich vereinbaren. Welchen Level hatten die beiden nun in ihrem Beisammensein erreicht? Casmy musste an Valettas Worte denken, bevor letztere die Wohnung verlassen hatte: „Ich habe schon öfters mit Heterofrauen Sex gehabt , falsche Hoffnungen kannst du dir abschminken!“, oder so ähnlich.
Casmilda war aber nicht irgendeine Heterofrau, sie war eine Seelenkumpanin von Valy. Die sexuelle Lust, die sie empfunden hatten, einfach so auszuleben, war dumm. Sex sollte man nur dann haben, wenn man einen Menschen wirklich liebte. Sie liebte Valetta platonisch, aber wollte mit ihr keine feste Beziehung eingehen. Doch wann war eine Beziehung als „fest“ zu bezeichnen? Eine seelische Bindung waren sie schon lange, vor diesem gemeinsamen Sexerlebnis eingegangen. Als die junge Friseuse früher spontanen Sex genossen hatte , so war es mit Männern, die sie einen langen Abend lang kannte, und dann nie wieder anrief. Nach dem Geschlechtsakt hatte sie sich immer ausgelaugt gefühlt, bis sie einsah, dass Sex und Liebe zwei Paar Dinge waren, die man zwar miteinander vereinbaren konnte, aber nur wenn das Vertrauen der Liebe im seelischen Bereich ihr Anwesen zeigte. Deshalb war es in ihren Augen achtsamer, auf Nummer Sicher zu gehen und nur mit Männern zu schlafen, die auch ihr Herz berührten. Bei Valetta und Casmilda war natürlich ein gewisses Vertrauen über die Jahre hinweg aufgebaut worden, weil sie einander lange kannten, also war es an und für sich kein Problem, sich auch sexuell auszutauschen. Aber teilen wahre Freunde wirklich alles miteinander, sogar das körperliche Empfinden?, fragte sich Casmilda und runzelte müde die Stirn. „Es wird schon alles gut gehen“, gähnte sie laut in die stille Nacht hinein. Sie legte sich in der Embryostellung in ihr kuscheliges Bett und verschränkte ihre Arme vor der Brust. Mit dem Mantra, alles würde gut gehen, wollte sie sich beruhigen, das sie sich leise mit geschlossenen Augen einsuggerierte, als sie ein zweifelnder Gedanke, den sie bereits kannte, bei ihrem Abendritual störte: sollte sich dieses Ereignis nun wiederholen, oder konnten die beiden so tun, als wäre es nie passiert? Die Variante der sturen Ignoranz war für Casmy die perfekte Wahl, sich endlich in ihren wohlverdienten Schlaf fallen zu lassen, zumindest glaubte sie das. Doch die zweifelnden Gedanken ließen nicht nach. Selbstvorwürfe kamen hinzu, und die Angst davor, Valetta zu verlieren, weil Casmy vielleicht dazu beigetragen hatte, ihre Freundschaft aufgrund der sexuellen Neugierde zu gefährden. Sie konnte nicht einschlafen. Sich pure, sexuelle Lust einzugestehen war ihr ein weiteres schamhaftes Gräuel, auch bei Männern. Sie wälzte sich im Bett hin und her, wischte sich mit dem Laken den Schweiß von der Stirn, der sich aufgrund ihres inneren Stressfaktors gebildet hatte, weil sie körperlich zu müde war, um aufzustehen und ein Stück Küchentuch zu holen. Ihr Geist jedoch war hellwach. Als die junge Dame das nächste Mal auf die Uhr blickte, war es bereits 4 Uhr morgens, um halb neun läutete der Wecker. Es gab 2 Dinge in ihrem Leben, die sehr lange dauerten, ohne dass sie es registrierte: stundenlanges Vorspiel mit Rauchpausen, wohlgemerkt mit Männern, da der lesbische Sex für sie eine vollkommen neue Erfahrung darstellte, und Schlaflosigkeit, wobei ihr deren zeitraubende Kraft erst in dieser Nacht bewusst wurde.
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