Da wirbelte Michael sie noch einmal herum und die Musik war zu Ende. Aufjauchzend umarmte Cecilia ihren Tanzpartner und küßte ihn vor aller Augen − und sie küßte ihn intensiv. Ihr Cousin sah es und staunte nicht schlecht, welche Wandlung sie durchmachte.
Nachdem die mittlerweile aufgewühlten Paare sich gesammelt hatten, wurde die Samba als nächster Tanz aufgerufen. Cecilia sah Michael kurz fragend an, sein Blick sagte ihr „kein Problem” − und schon ging es los.
Michael hatte es total drauf. Er führte sich auf, als wären sie beim Straßenkarneval in Rio. Kurz sah Cecilia ihm zu, staunte einfach nur − und dann riß er sie wieder mit.
Nach einigen Minuten heißer Rhythmen und wilden Tanzfiguren drehte Michael sie so, daß sie mit dem letzten Wirbeln genau in seinen Armen landete. Im allgemeinen Jubeln hatte er sie fest im Griff und gab ihr einen leidenschaftlichen Kuß auf den Hals. Er roch ihren Schweiß, spürte ihre Hitze und wäre mit ihr am liebsten in einem leeren Zimmer verschwunden. Sie sah ihn an. Er las in ihren Augen, daß sie ihm widerstandslos folgen würde, doch dann rief York zum Tango auf. Die Bandonion-Musik hob an, und nun zeigte Michael seiner Gespielin, was er unter erotischem Tanzen verstand. Schon bald hörten die anderen Paare auf und sahen den beiden nur zu.
Cecilia gab sich vollständig Michaels Führungskraft hin, dabei zog sie mit, als hätte sie es zuvor trainiert. Ihre eigene Musikalität half ihr vortrefflich dabei.
Als das Bandonion-Playback verklang und Cecilia tief atmend, an Michaels Körper gepreßt, in seine Augen sah, war es um sie geschehen. Ihr Kopf wollte ihn, ihr Schoß wollte ihn. Seine fühlbare Erregung übertrug sich auf sie − und im nächsten Augenblick küßte sie ihn so wild und leidenschaftlich, daß ein Raunen durch die Anwesenden ging. York begann Beifall zu klatschen, in den alle einstimmten und ihn mit lautem Jubel begleiteten.
Lachend sah sich das neue Paar an und herzte sich gleich darauf Wange an Wange, ehe alle Mittänzer auf es zutraten und mit Schulterklopfen beglückwünschten.
„Cilly, ich wußte gar nicht, daß Du so phantastisch tanzen kannst”, kommentierte ihr Cousin, wessen er gerade Zeuge geworden war.
„Du weißt so manches nicht, Yo”, erwiderte sie keck mit einem gewissen Stolz in der Stimme und lächelte ihn mit neuem Selbstbewußtsein an.
„Und Du, mein Lieber”, wandte er sich an Michael, „Du bist wirklich ein Teufelskerl auf dem Parkett. Alle Achtung!”
„Ach, nicht so wild”, wehrte Michael bescheiden ab, „das gehört zur gesellschaftlichen Ausbildung dazu. Aber es hat mir Spaß gemacht, hier mal wieder aufdrehen zu dürfen.”
„Das hat man wahrlich gesehen, und Deine Ausbildung muß vom Feinsten gewesen sein, denke ich mir.”
„Ja, es war ganz gut”, stapelte Michael tief.
„Und was hast Du sonst noch so zu bieten, ich meine tanzmäßig?”
Michael räusperte sich, um sich nicht zu versprechen und meinte …
„Wenn Du zwei Säbel und einen Kilt samt Dudelsackspieler im Haus hättest, dann zum Beispiel auch den schottischen Säbeltanz, aber jetzt würde ich mich gern ein wenig frisch machen, sonst wischte ich meinen Schweiß nur in den Polstern ab.”
„Oder an mir”, dachte Cecilia, und es gefiel ihr, daß sie das dachte.
„Aber natürlich, mein Lieber. Folge mir bitte zum Bad.” Mit einem frechen Augenzwinkern verabschiedete Michael sich kurz von der überwältigten Cecilia, die sich mit beiden Händen Kühlung zufächelte, und ging York hinterher.
„Sag’ mal, wo hast Du denn dieses Prachtexemplar her?” wollten gleich zwei Tänzerinnen von Cecilia wissen.
„Ach, er ist mir zugelaufen”, schmunzelte sie und beendete mit einem „Wo gibt’s denn ‘was zu trinken?” jeden Ansatz zu einer Nachfrage, aber das alles hörte Michael nicht mehr.
*
York öffnete eine Tür und schaltete das Licht an. „So, hier kannst Du Dich frisch machen.”
Er betrat ein großes, sehr geschmackvoll eingerichtetes Bad. Ein Tageslichtbad mit Milchglasfenstern, aber die Dämmerung hatte bereits eingesetzt. Michael folgte ihm und sah sich um.
„Dort findest Du verschiedene Seifen, wohlriechende Körperöle, Lotionen und Parfüms. Bediene Dich nach Belieben. Und dort”, er zeigte auf einen Schrank, „findest Du frische Handtücher. Du kannst auch duschen, wenn Du möchtest. Fühle Dich wie zu Hause.”
„Ich danke Dir, das ist sehr liebenswürdig”, lächelte Michael ihn an. York erwiderte es, klopfte ihm auf die Schulter und wandte sich um, den Baderaum zu verlassen, als er sich an der Tür noch einmal umdrehte.
„Du machst meine Cousine sehr glücklich. Ich sehe das. Und da ich sie sehr gern habe, mag ich auch Dich. Es ist schön, daß Du ihr so gut tust. Betrachte Dich als Ehrengast dieses Hauses.”
York sah den überraschten Michael einen intensiven Moment lang an, ehe er hinausging und die Tür leise schloß.
Michael stützte sich auf dem Rand des hellgrünen Waschbeckens ab und sah in den Spiegel. Was würde dieser Abend, diese Nacht noch bringen? Einen wilden Fick mit einem kleinen Blutfleck auf dem Laken und einem ausgiebigen Après−Schmusen, ein Arm-in-Arm-Einschlafen und ein leises, verstohlenes Hinausschleichen, ehe Cecilia aufwachen würde und ihn vielleicht mit dem süßesten „Guten Morgen, Liebling” an sich fesseln könnte? Michael war plötzlich unsicher geworden. Und wieder erinnerte er sich an den kleinen, aber nachhaltigen Vortrag Maximilians über die Hure. War er eine männliche Hure? Ein Gigolo, der dabei war, sich zu verlieben? Gleich beim ersten Einsatz! Würfe ihn das nicht sofort aus dem Geschäft? Könnte er zärtliche Gefühle völlig ausschalten, wenn er andere Frauen bediente? Er spürte, daß sein Unterbewußtsein anheben wollte, ihm Vorhaltungen zu machen, aber …
Seine Blase unterbrach seine schweren Gedanken. Sie drückte. Michael schlüpfte aus seinem Schuhwerk, zog seine Socken aus, stieg aus seiner Hose und setzte sich zum Urinieren nieder. Nach dem Spülen begann er, sich zu waschen. Er nahm dazu zunächst nur kaltes Wasser. Michael war abgehärtet, es machte ihm nicht aus. Er warf sich einige Handvoll ins Gesicht und über dem Waschbecken gegen den Oberkörper. Da hörte er plötzlich eine sanfte, weibliche Stimme.
„Darf ich Dir helfen?”
Erschrocken drehte er sich um, tropfnaß wie er war. Cecilia stand vor ihm. Sie war so leise hereingekommen, daß er sie nicht wahrgenommen hatte. Er ärgerte sich einen kurzen Moment, daß sie das geschafft hatte, denn einem Offizier hätte solch ein lautloses Angeschlichenwerden nicht passieren dürfen. Im Einsatz wäre das sein sicherer Tod gewesen. Aber er war nicht im Feld, nicht unter Waffen. Wirklich nicht? Blitzschnell entschuldigte er seine arglose Unaufmerksamkeit vor sich selbst. Er fand es schön, daß Cecilia vor ihm stand, obschon sie noch bekleidet und er nackt war.
Ihre Augen wanderten über Michaels Körper. Offensichtlich gefiel ihr, was sie sah, und als sie Monsieur Bouchon betrachtete, blitzten ihre Augen auf, wurden ein wenig größer.
„Er sieht so phantastisch aus, und was für einen Schwanz er hat. Christian und Robert sehen schon irre aus, aber er … Himmel … wenn er damit umgehen kann, wird das die Nacht der Nächte.”
Michael bemerkte, daß sie ihn einschätzte. Das war für ihn in Ordnung. Er nahm das bereitgelegte Handtuch und trocknete sich ab.
Cecilia betrachtete ihn weiter mit einer liebenswürdigen Unverschämtheit, daß es ihm Bewunderung und ein leises Schmunzeln abnötigte. Und doch schlug er für einen Augenblick verlegen die Augen nieder, ehe er sie fest ansah. Plötzlich schämte er sich, was er gleich wieder verwarf. Es gab keinen wirklichen Grund dafür. Er war bezahlt worden, als ein Liebesdienstleister. Im Moment gehörte er ihr, und sie betrachtete, was sie gekauft hatte, beziehungsweise ihre Mutter.
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