Am nächsten Tag ist, wie beim Bauen üblich, einiges schief gegangen. Falsches Material, fehlende Maschinen und so weiter. Bei so etwas ist das Schwein in seinem beruflichen Element. Und als dann nachmittags der Bauunternehmer selbst kam und sich entschuldigte, hat sich das Schwein breitbeinig hingesetzt, ausgeatmet und gesagt: „Nach so einem anstrengenden Tag kann man Entspannung gebrauchen, nicht?” So einfach!
Ihm fehle dennoch die Nähe zu mir, und weder ein notgeiler junger Koch noch ein verwirrter Bauunternehmer sei ein Ersatz. Sein Herr lasse sich durch nichts ersetzen. Es brauche die Führung, die Härte, die Konsequenz, kein Techtelmechtel. Es habe sich nun einmal hingegeben und fühle sich in seiner Position stark und sicher. Ja, stark, weil sein Herr mit seiner Konsequenz und Härte es immer stärker mache, und sicher, weil es vom ersten Tage an das uneingeschränkte Vertrauen habe, dass ich auf es aufpasse. „Herr, nur bei Ihnen fühle ich mich geborgen und gefordert.”
Und darum, nur darum, verführt es den armen Mann täglich und bittet mich auch um Instruktionen für den Fall, dass der junge Koch mit ihm nach Berlin wolle.
Jedenfalls ist es gut, dass jemand von uns vor Ort ist. Dauernd ist etwas zu regeln. Vor allem sind die Dorfbauarbeiter überfordert von unserem minimalistischen Konzept. Sie wollen ständig Waschbecken, Gardinenleisten, Kacheln und Türen anbringen, die sie im Plan vermissen. Das Schwein fährt viel hin und her wegen der richtigen Sorte Schiefer, der Sanitärblöcke und so weiter.
Am wohlsten fühle es sich trotz der Kälte in der offenen Lederweste. Die Leute wären das nicht gewohnt, einen halbnackten Oberkörper im Herbst, und es fühle dauernd ein Kribbeln zwischen den Beinen, weil es wisse dass ich es gerne so sehe.
Lederbett
Abgesehen von Büchern besitze ich nicht viele Dinge. Wenn man mit wertvollen Menschen zusammenlebt, verlangt man nicht nach Gegenständen. Also ist der Umzug kein großes Problem. Bücher, Musik, Ledersofas, einige Kisten mit Kleidern und der Inhalt der Küchenschränke. Das meiste ist noch die Werkstatt von Punk. Werner Schwichtenberg hat ihm erlaubt, bis auf Weiteres alles mitzunehmen, was er braucht. Er will keinen anderen Goldschmied mehr in seinem Laden.
Das Schwein hat eigenmächtig eine Entscheidung getroffen und sagt, wir sollen kein Bett mitbringen. Als wir ankommen, steht in dem großen Dachgeschoss ein Lager aus schwarzem Leder, drei mal drei Meter, groß genug für uns alle. Mit lederbezogenen Kopfkissen und einem schweren, lederbezogenen Deckbett. „Herr, bestrafen Sie mich, wenn ich einen Fehler gemacht habe. Aber ich war sicher, dass Sie eigentlich schon immer ein Lederbett haben wollten. Ich habe es eine Woche lang ausprobiert. Im Deckbett sind Militärdecken.“
Sucker hat sich sofort ausgezogen und steigt rein. – „Mann! Das ist schwer. Es kriecht einem sofort zwischen die Beine. Scharf!“ – „Ich war all die Nächte ununterbrochen steif. Aber das bin ich ja sowieso, wenn ich an Sie denke, und das tue ich meistens. Elf Kühe stecken hier drin. Die Nähte stören nicht.“ – Sucker räkelt sich: „Die Leute sagen immer, Leder ist kalt. Hat sich ganz am Anfang auch kühl angefühlt. Aber jetzt ist es schon warm.“– „Herr, es ist es besser als so ein doofes Baumwollbett. Und wenn nicht, trage ich die Konsequenzen.”
Das Schwein hat einen alten Wunsch erfühlt! „Das konntest du nicht von deinem Taschengeld bezahlen.” – „Herr, ein Bauunternehmer, der einen vom Bauherrn abhängigen jungen Mann verführt, wird abgezockt. So funktioniert die Wirtschaft doch, oder nicht?”
An den einen Giebel kommen die Bücher und ein Arbeitstisch. Dann die Sofas, ein paar kleine Tischchen, die Musik. In der anderen Hälfte dieses Bett und hinter der Mauer der Bereich, für den es leider kein schöneres Wort gibt als „Sanitär”. In ein paar Stunden ist alles eingerichtet. Im Panoramafenster vergoldet die untergehende Sonne den Herbstwald.
Wir trinken Sekt und gehen dann alle zusammen ins neue Bett. Punk sagt noch: „Wir müssen uns benehmen, sonst werden wir in den Keller aufs Gummi geschickt.“
Das Leder übertrifft meine Erwartungen. Auch Ratte wird vom textilfreien Schlafen erregt. Bei Sucker kommt der Ingenieur durch: „Solches Leder hält Jahrzehnte. Wir sparen allein schon an Waschpulver ein Vermögen.”
Recht
Einem sehr sauberen schwarzen Auto mit Kölner Kennzeichen entsteigt ein äußerst gepflegter Mann mittleren Alters, klein, eigentlich zu dick, aber nicht unproportioniert, in einem perfekt sitzenden dreiteiligen Anzug. Schwarzer Dreitagebart und sehr kurze, schwarze Haare. Zum Glück stinkt er nicht nach Deo oder Parfüm.
„Dr. jur. Peter Schwarz-Wesseling, von Wallraff und Jansen, Rechtsanwälte Köln-Hamburg. Guten Tag, Herr, eh...” – „Ja, was führt Sie denn her, Herr Dr. Schwarz-Wesseling?” – „Herr Direktor Dr. Dr. Meyer hat mich beauftragt, Ihnen unsere Dienste anzubieten. Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Vertrags-, Erb- und Vollmachtsrecht. Ja, und ich soll sagen, dass wir auch in Klosterangelegenheiten Erfahrung haben. Wenn Sie wünschen, können wir vorurteilsfrei und selbstverständlich hundertprozentig diskret miteinander nachdenken wie wir Ihnen zu Dienst sein können.” – „Na, dann kommen Sie doch mal mit rauf, Herr Dr. Schwarz-Wesseling!” – „Gerne, Herr..., eh...”
Dr. Dr. Meyer weiß jedenfalls was er will und hat seine Verbindungen. Aber er hatte nicht erklärt, worum genau es geht. Ich fange beim einfachsten Teil des Problemkomplexes an: bemittelte Herren, manche vielleicht ohne Erben, die hier in gesicherten Verhältnissen leben wollen, ohne Sorgen um ihre Zukunft. Sollen die hier etwas mieten, sich einkaufen oder gar ihren Besitz in die Stiftung einbringen? Jedenfalls müssen nachteilige Folgen für alle Parteien verhindert werden, und die Macht darf nie in falsche Hände kommen. Dazu sollten unbürokratische, aber juristisch belastbare Hausregeln aufgestellt werden. Der kleine ist ein heller Kopf, und er scheint wirklich Erfahrung mit Einfühlungsvermögen zu verbinden. Er macht sich Notizen, hört aber vor allem gut zu und lässt merken, dass er wirklich versteht, worum es mir geht. Dann wenden wir uns einer zweiten Gruppe zukünftiger Mitbewohner zu: Männer – „Nur Männer, Herr, eh...” – „Ja.” –, die kein Geld einbringen, sondern ihre Arbeit. Die hier zupacken und damit ihren Lebensunterhalt und ein Dach über dem Kopf verdienen, wobei eventuell Rechte für spätere Jahre aufgebaut werden. Und wobei man nicht will, dass langfristige Arbeitsverträge so einfach gelöst werden können ohne empfindliche Folgen.
Da kommt das Schwein außer Atem herein, springt in Haltung, keucht: „Herr, Punk lässt fragen ob sie mal eben kommen kö... Oh!” und schaut mich fragend an. Das Schwein ist nackt in Gummistiefeln, denn es muss Punk beim Saubermachen seiner zukünftigen Werkstatt am anderen Ende der Anlage helfen. Sein Sack ist dank des Gewichtes schon deutlich länger geworden.
„Das ist wahrscheinlich unser zukünftiger Jurist. Frag Punk, ob es Zeit hat. Ab!” – „Ja, Herr.”
Dr. Schwarz-Wesseling hat das Schwein ziemlich unverhohlen angeschaut. Ich meine ein unterdrücktes freches Grinsen zu sehen. Und dann fragt er: „Herr! Sie denken an Mitarbeiter, die idealiter rechtlos sind?” Er hat nicht mehr „Herr, eh...” gesagt, sondern „Herr!”
„Ja, Mitarbeiter die, wenn sie einmal unterschrieben haben, nicht mehr weg können und arbeiten müssen, jedenfalls soweit das hierzulande geht, und die nur das einzige Recht haben, bis zum Lebensende zu fressen zu kriegen und gesundheitlich gut versorgt zu werden.” – Er grinst wieder, wobei seine Hände leicht zittern. „Ich würde das sehr gerne für Sie ausarbeiten, Herr! Solche Männer müssen auch, eh, diszipliniert werden können.”
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