„Herr, ich ...” – Hier schaltet sich das Schwein ein: „Ich denke, Punk, du bist frei?! Darauf legst du doch so großen Wert.” – „Eh, ja klar. Also, eh, Chef, ich habe doch neulich diesem Belgier goldene Ketten auf den Leib schmieden müssen. Dabei hat mich der Gedanke geil gemacht, vielleicht auch mal gröberes Schmiedewerk zu probieren. Auf den Leib geschmiedete Ketten soll man doch auch spüren. Sagten Sie nicht, dass da eine alte Schmiede ist?” – „Punk, überleg dir die nächsten Wochen in Ruhe, ob du nicht lieber bei deinem Schwichtenberg bleiben willst! Juwelier in gesicherten Verhältnissen mit Werkstatt für fleißigen Goldschmied.” – „Ich komme mit. Der Werner soll sich überlegen ob er auch mitkommt, wieso immer ich? Dem täte eine etwas herbere Umgebung gerade mal gut.” Punk hat schnell verstanden wie er Hase läuft.
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Also, ich fuhr da ja gerne immer mal ein paar Tage hin und schaute mir an, was Jens und die Seinen aufbauen, aber für mich war das nichts. Sicher nicht auf Dauer. Eine Mischung aus Disneyland, Kolchose, Altersheim und Edelpuff. Nett, um sich mal ein Wochenende lang zu entspannen, man gönnt sich ja sonst nichts. Aber sich da eine Wohnung kaufen? In dieser gottverlassenen Gegend? Und jeden Tag das Essen aus dieser Küche? Es ist ja gut, ohne Zweifel, aber jeden Tag? Dann doch lieber hier in den Ratskeller, wo man die richtigen Leute trifft. Kunden, Stadtverwaltung, Museumsleute und so weiter. Das echte, normale Leben, nicht eine Phantasiewelt wie ein Hirngespinst der Pornoindustrie.
Obwohl dieses große Fest ja gar nicht schlecht war. Da kamen auch die richtigen Leute zusammen. Bauunternehmer, Bürgermeister, Oberregierungsrat – was man so braucht. Und all diese Ledermänner aus Dahlem und Zehlendorf, sogar aus Hamburg, mit ihren Harleys, potentielle Kunden. Das Buffet war ausgezeichnet, vor allem gab es genug Austern. Aber ob es nun nötig war, als Dekoration Komparsen anzustellen, die Skinheads, Punker und Rocker spielen, damit man sich wie in einem Film fühlt? Sogar an Neonazis zum Gruseln hatte die Regie gedacht. Grauenhaft! Kitsch eben. Für jedes Vorurteil und jeden Fetisch ein paar Komparsen. Sowas brauche ich nicht. Die wirkliche Welt ist mir abgedreht genug.
Na ja, immerhin habe ich da einen netten Motorradfahrer kennengelernt. Sehr gutaussehend, sehr männlich, dabei aber total lieb! Der wollte mich gern mal mitnehmen, weil diese Edeltucke, die ihm dort alles bezahlt, bestimmt nicht eifersüchtig ist. Jens meinte, dass der Ritter, wie er ihn nannte, sehr sicher fährt und gut aufpasst, dass ihm nichts zustößt. Er hat mich schon beraten, welche Kombi ich am besten kaufe, und wir haben ein paar Probefahrten gemacht. Ich wollte ja erst kein Leder, sondern etwas Praktisches. Er hat mich aber überzeugt, dass Leder das Praktischste ist. Es riecht ja schon gut, das muss ich sagen.
Er hat mir auch schon geholfen, meine Wohnung neu einzurichten. Die war wirklich zu voll. Tuckig, meine er. Minimalismus passt aber besser zu mir.
Für Gold interessiert der Ritter sich auch. Wenn man es ihm auch nicht ansieht. Wir haben lange über Intimschmuck gesprochen. Schwer muss der sein, darum Gold. Er trägt fast ein Kilo davon in der Hose.
Begehung
Wir fahren zu fünft im Auto nach Brandenburg. Das Schwein, Sucker und Ratte in ihren Arbeitshosen, aber wegen der Kälte mit Lederjacken statt Westen, Punk in alten Jeans und Lederjacke.
Die Anlage liegt abseits der Landstraße, umgeben von Ackerland und einem kleinen Wald. Anscheinend hat Meyer unter gewissen Auflagen des Denkmalsschutzes die Gebäude sehr günstig bekommen, war aber schlau genug, selbst über die Nutzung und den Zugang bestimmen zu können. Er hat dann gleich den Bauern das Umland und den Wald abgekauft, billiges Landschaftsschutzgebiet, sie dürfen es weiter bestellen. Ratte grinst: „Der halbe Wald sollte diskret eingezäunt und zur Anlage geschlagen werden, einen Wald kann man immer gebrauchen.” Punk sagt: „Ja, ja, und hinter dem öffentlichen Teil ein Parkplatz, den kann man auch immer gebrauchen, und mitten im Wald ein Tor mit Wächtern und Pechnase.” – „Warum eigentlich nicht? Das behalten wir mal im Hinterkopf.” Das Kaff mit der S-Bahn ist eine Viertelstunde Fußweg entfernt, und das Land dazwischen gehört Meyer.
Von der Straße eine zweihundert Meter lange Einfahrt bis zum schmiedeeisernen Zaun mit Tor. „Hier muss ein Schild hin: Privatweg. Und Parkverbot auf der ganzen Einfahrt. Oder noch besser vorne ein Schlagbaum mit Fernbedienung. Hinter dem Tor ein kleiner Parkplatz.” Der Zaun ist so breit, dass man von der Straße das Hauptgebäude liegen sehen kann. Links und rechts davon geht er in eine Klostermauer über, die den ganzen Komplex umschließt. Ein Parkplatz kann dergestalt hinter der Mauer angelegt werden, dass die Autos den Blick von außen durch den Zaun nicht verstellen und von innen hinter Büschen verborgen sind.
Das schlossähnliche Hauptgebäude – „Herr, das war ein Schloss, und das wird wieder ein Schloss” – ist viel zu groß und zu verbaut um ohne gründliche Planung zu restauriert zu werden. Und wenn, dann muss man es als Ganzes machen. Also erst mal nicht. Immerhin ist kein Asbest drin, also kann man die ganzen russischen Wände ohne Spezialfirma herausbrechen. Wenn erst mal genug Knechte da sind.
Daneben und dahinter gibt es Stallungen und Scheunen, ein altes Klostergebäude mit Turm, eine völlig verfallene Kirche mit Kreuzgang, alles unter Efeu – „Wie bei Caspar David Friedrich. Das kann man erst mal so lassen statt sich zu überlegen was man um Gottes Willen mit einer Kirche anfängt.” – und ganz hinten, etwas erhöht, zwei kleine Häuser. In einem liegt anscheinend sogar Wasser und Strom, und es hat einen Keller. – „Das wird also unser Bauhaus.”
Die drei Ingenieure beginnen sofort zu messen und zu zeichnen.
Das Dach des Hauses ist nicht mehr historisch. Die dem Wald zugewandte Seite kann man von der Straße nicht sehen. – „Dann wird das ganze Dachgeschoss ein Raum, mit Panoramafenster zum Wald. Ist da Osten? Ja, also Blick auf Klosterwald in Abendsonne, geht doch.”
Wir entscheiden, dass aller Russenbeton – Garagen, Hallen, eine Art Badehaus oder Sauna – doch weg muss, weil die historischen Gebäude in ihrer Lage zueinander dann wieder ihren Sinn bekommen. Nur ein Bunker wird wohl bleiben, weil er einfach zu massiv ist. Da kriecht schon das erste Efeu hoch. Aus dem Keller einer Halle kann man ein Schwimmbad machen.
„Was meint ihr, wie viele Wohneinheiten auf Stand kriegt man in die Stallungen?” – „Zehn bis zwanzig, je nach Größe. Und hier bei dem langen Kutschhaus kann man ohne weiteres von einem Ende an anfangen und sich nach und nach durcharbeiten. Ach, und schau mal wie nett: hier ist die Schmiede. Dann fangen wir doch an diesem Ende an.” Punk sagt: „Ich brauch aber keine Wohnung neben der Schmiede, ich bleibe bei euch. Obwohl... Nee, der Werner will bestimmt seine Stadt nicht verlassen.”
Die Drei messen und zeichnen noch lange, denn sie wollen morgen die ersten Aufträge erteilen. Wir beschließen, im Gasthof weiterzumachen und den Bauunternehmer zu einem späten Abendessen einzuladen.
Brandenburg
So nahe bei Berlin, so ehemalig preußisch – und so anders. Im Gasthof ist der Anblick von drei Bauingenieuren und einem Punker mit offenen Lederjacken anscheinend mehr als man ertragen kann. Auch mich beäugt die Wirtin argwöhnisch, aber irgendwie scheint sie sich zu erinnern, dass ich hier mal zusammen mit einem wichtigen Herren gespeist hatte. Die paar Gäste glotzen. Einer probiert Punk blöde von der Seite anzuquatschen.
Die Wirtin ist sichtlich erleichtert, als wir um das Hinterzimmer bitten: wir wollen erst etwas trinken und dabei weiterarbeiten und dann essen, wobei wir noch einen Gast erwarten. Sie bringt Getränke und schaut ab und zu nach, ob wir nichts kaputt machen oder stehlen.
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