Jens van Nimwegen
Der Konvent
Roman
Nimwegen 2013
Impressum
Copyright: © 2016 Jens van Nimwegen
Erste Auflage, Juni 2016
Webseite zum Buch: manimal.eu/konvent
Was zuvor geschah:
Die Abrichtung (Männerschwarm 2012)
Thomas will klare Verhältnisse: Er schließt mit dem älteren Jens einen Vertrag, um sich im Zeitraum von 18 Monaten zu einem Werkzeug ohne eigenen Willen abrichten zu lassen. Er akzeptiert Jens bedingungslos als seinen Herrn, der jederzeit über seine Person und seinen Körper verfügen kann.
Während eines Berlin-Besuchs lernen die beiden einen Punk kennen, der von der Kompromisslosigkeit ihrer Beziehung schwer beeindruckt ist und darum bittet, als "freier Mann" mit ihnen zusammenleben zu dürfen; später erweitert sich die Wohngemeinschaft um Ratte und Maik, zwei Studienfreunde von Thomas, die als Herr und Sklave bei Jens in die Lehre gehen.
manimal.eu/abrichtung
Bestandsaufnahme
Die Lehrzeit des Schweines ist schnell verflogen. Es hat viel gelernt und sich innerlich und äußerlich verändert. Das Schwein versucht immer wieder zu sagen, dass es für immer bei mir bleiben will, aber ich lasse nicht zu, dass darüber gesprochen wird. Achtzehn Monate sind achtzehn Monate. Am letzten Tag seines Dienstes soll es wieder vollkommen frei sein. Seine Zukunft soll dann ganz offenliegen. Bis dahin keine Pläne, keine Hirngespinste, keine Hoffnungen und Sicherheiten, nur harter Dienst. Und Liebe.
Das Schwein ist fast immer nackt oder halbnackt, braun, geschoren, beringt, männlich, und körperlich wie geistig sehr stark. Es trägt permanente Fesseln, ist Bauingenieur, beherrscht einen Kampfsport, hat Geld auf seinem Konto – und es hat mir fast anderthalb Jahre bedingungslos gehorcht und erhält täglich die Peitsche.
Das Schwein arbeitet bei einer Baufirma und wird dort von der Direktion wie von den Arbeitern respektiert. Es sieht anders aus als die meisten Ingenieure, und es arbeitet meist mit freiem Oberkörper oder offener Lederweste, aber das tut dem Respekt keinen Abbruch, denn es ist fachlich gut, kann mit anpacken und lässt sich von niemandem einschüchtern.
Wenn man sich darauf einlässt, ist das Leben dauernd in Bewegung.
Dieser Bubi aus der Gegend von Bad Kreuznach hat sich an der Berliner Löwenbrücke für ein Leben als Mann entschieden. Dass Punk uns zulief, war nicht vorgesehen, und dass er als erfolgreicher Goldschmied ohne jeglichen materiellen Besitz in unserem Hause lebt, schon ganz und gar nicht. Dank seiner Arbeit haben wir im Herbst und Winter immer diese Abendessen. Und dadurch kennen wir den Ölscheich, der mir das Schwein abkaufen will. Wenn er es ernst meint, könnte ich Millionär werden. Obwohl es da natürlich einige rechtliche Probleme zu lösen gäbe.
Das Schwein hatte dann Ratte und einen gewissen Maik zu einem Essen ins Haus gebracht, und alsbald begann für Ratte und seinen Sucker eine ganz neue Zeit. Alle werden wohl irgendwann ihre eigenen Wege gehen, nur müsste Sucker einige sehr unangenehme juristische Dinge in Gang setzen, wollte er seinen Herrn verlassen. Und auch Ratte und ich sind vertraglich und durch Ehrenwort miteinander verbunden. Ob sie in anderthalb Jahren noch bei mir wohnen? Es zieht sie ja nach England.
Auch für Werner Schwichtenberg begann eine neue Zeit. Aus einer dekadenten Tucke wurde ein Juwelier mit Rückgrat. Obwohl ich nicht glaube, dass Punk jemals zu ihm ziehen wird, auch wenn er sich regelmäßig „erkenntlich zeigt”. Punk ist und bleibt frei.
Und ich würde mich nicht wundern, wenn Kalle in Richtung Skinheads abdriftet. Wenn ich das Schwein abhole, werde ich die ja wohl kennenlernen. Wir müssen dann später noch mal nachschauen.
Schon morgen kann wieder eine neue Zeit beginnen. Oder nicht, und das Leben trottet monatelang vor sich hin. Jetzt erst mal nach Berlin, das Schwein freilassen.
JvN
Inhalt
Register
001das Schwein
002Punk
003Sucker
004 Anwalt (Dr. Schwarz-Wesseling)
005Anstreicher (Strolch)
006 Polier
007 Tätowierer
008 Skinhead, Bauarbeiter
009 Skinhead, Bauarbeiter
010 Skinhead, Bauarbeiter
011 Soldat
012 Soldat
013 Sniffer (bei Oberregierungsrat)
014Koch, Gastwirtssohn
015 Gärtnermeister
016 Schreiner, ehem. Neonazi
017 Maurermeister
018 ehem. Versicherungsvertreter
019 Krankenpfleger, eineiiger Zwilling
020 Krankenpfleger, eineiiger Zwilling
021 Friseur im Ruhestand
022 Sportlehrer
023 Jim
024 Vormann, Lederhandwerker (aus Bad Kreuznach)
026 Juwelier
031 Schüler
Wende
Manchmal geht alles ganz schnell.
Das Schwein, das ich anderthalb Jahre zum Leib- und Haussklaven abgerichtet habe, hat bei Kalle in Berlin seinen letzten Schliff erhalten. Ich will morgen hin, um es vertragsgemäß freizulassen. Wie es danach weitergehen soll, ist offen. Ich wollte keine Pläne, keine Absprachen über das Ende der Lehrzeit hinaus.
Da ruft Direktor Dr. Dr. Meyer an, der elegante, zurückhaltende Reeder und Privatbankier, von dem wir immer noch nicht wissen, ob er derselbe ist wie der alte Mann, der manchmal nackt im 'Boots' herumkriecht und Stiefel leckt.
Er will mich dringend sprechen. Dass ich ebenso dringend nach Berlin will, ist kein Problem. Im Gegenteil. Ob wir nicht zusammen reisen könnten. Er würde dann einen Hubschrauber mieten. Er habe zwar von seinem Vater gelernt, dass man sparsam sein müsse. Er nehme auch höchst selten ein Taxi. Er habe darum anders als seine Konkurrenten weder einen Privatjet noch einen eigenen Hubschrauber. Aber wenn es nötig sei, würde er einen chartern. Die Aussicht gerade auf dieser Route sei ja auch schön, nur müsse man leider diesen Lärm aushalten.
Arztbrief
Er ist der Welt abhanden gekommen.
Er hat sich konsequenter in seine Phantasiewelt zurückgezogen als ich es je bei einem psychiatrischen Patienten beobachtet habe. Er unterhält keinen wie auch immer geartete Kontakte zu seiner früheren Umgebung, in der er so viel bedeutete. Er vermisst die Menschen, die ihm früher wichtig waren, nicht und will nicht wissen, ob ihn jemand vermisst.
In seiner Phantasie ist er ein alter, zahnloser Hund, der in einer WG auf dem Lande gefüttert wird und herumstreunt, wo er will. Stundenlang durch Wald und Feld, aber auch durch alle Zimmer. Er fühlt sich von jedem geduldet, selten verscheucht. Oft sitzt oder liegt er stundenlang in der Sonne und schaut den anderen zu.
Er ist körperlich für sein Alter sehr fit. Ich kann keine psychische Störung und keine Demenz nachweisen.
Aus medizinischer Sicht besteht kein Handlungsbedarf. Eine Wiedereingliederung in die „normale“ Gesellschaft hätte wenig Chancen, weil er dort keine Kontakte mehr hat und höchstens Anstoß erregen würde. Man sollte ihn in Ruhe alt werden lassen.
Dr. med. Kaldenhoff, Facharzt für Allgemeinmedizin und Geriatrie
Wir sehen am Horizont schon Berlin aber landen irgendwo in Brandenburg auf einer Wiese. Und da liegt es: „Ein ehemaliges Zisterzienserkloster, das sich im neunzehnten Jahrhundert eine preußische Fabrikantenfamilie zum Landsitz umgebaut hat. Nach dem Krieg waren Russen, Entschuldigung, sowjetische Freunde unserer Brüder und Schwestern darin. Darum ist es auch so verwohnt.”
Mir hat es den Atem verschlagen. Der riesige Gebäudekomplex muss einmal wunderschön gewesen sein und ist nun völlig heruntergekommen. Es gibt ein paar Scheußlichkeiten aus Beton, die dringend abgetragen werden müssten. Das meiste ließe sich restaurieren. Aber mit welchem Aufwand? „Herr Direktor Dr. Dr., warum zeigen Sie mir dies?” – „Ich habe es gekauft. Ich weiß, was ich auf meine alten Tage will. Und ich meine zu wissen, was Sie wollen und können. Sie verfügen über drei vielversprechende Bauingenieure, Sie haben Geschmack, und Sie wissen was Qualität ist. Ich will, dass Sie hieraus etwas machen. Und nun gehen wir erst mal in Ruhe essen.”
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