>> Ist er es?<< fragte mich plötzlich Dr. Lawrence, weswegen ich nickte und meine angehaltene Luft ausblies.
>> Danke.<< sagte ich zur Pathologin, woraufhin sie ihn wieder zurück in sein Fach schob und es verriegelte.
>> Er kann Ihnen nichts mehr anhaben. Nie wieder Dr. Chamberlain.<< versicherte mir Dr. Lawrence, als er mich an sich drückte und mir Halt gab, da ich meine Tränen nun nicht mehr zurückhalten konnte und eine starke Schulter bitter nötig hatte. Die Erinnerungen, die Gefühle und die Erlebnisse waren einfach zu viel für mich gewesen.
Wir blieben noch eine Zeit lang dort stehen, während uns die Pathologin allein ließ und ich die Reaktionen meines Körpers so langsam wieder unter Kontrolle bekam, bis ich mich nach einer gefühlten Ewigkeit wieder von ihm löste und tief durchatmete.
>> Wollen Sie doch noch hier bleiben und einen Psychologen sprechen?<< fragte er mich und sah mich besorgt an.
>> Nein, es geht schon... Es ist nur... Ich kann das noch nicht so ganz glauben, ebenso wenig, dass ich das überlebt habe.<< gestand ich ihm, während wir bereits zurück zu den Aufzügen gingen und er wieder einmal den Knopf drückte.
>> Es war ja auch mehr als knapp, immerhin mussten Sie wiederbelebt werden und wenn ich an ihre Würgemale denke...<<
>> Ich weiß.<< unterbrach ich ihn, da ich jetzt nicht daran denken wollte. Ich wollte und musste das alles unbedingt hinter mir lassen und neu anfangen. Jetzt war der perfekte Zeitpunkt dafür, allerdings wusste ich, dass es nicht so einfach werden würde.
Ich atmete noch einmal tief durch, bevor wir in den Aufzug einstiegen und nach oben fuhren, bis ich wieder vor der Drehtür stand und dieses Mal hindurch ging, wobei ich mich ziemlich fest an Dr. Lawrence klammerte. Zum Glück stand sein Wagen nicht weit weg, weswegen wir sofort einstiegen und er losfuhr. Ich war so in meine Gedanken vertieft, dass ich überhaupt nicht auf die Gegend um mich herum achtete.
Immer wieder versuchte ich zu begreifen, dass Adam gestorben war und ich nicht, so wie letztes Mal, Angst haben musste, nach draußen zu gehen. Es war wie eine endlos Platte, die sich immer wieder in meinem Kopf abspielte, in der Hoffnung, dass ich es irgendwann verstand.
>> Wir sind da Dr. Chamberlain.<< sagte Dr. Lawrence ruhig, weswegen ich aufblickte und mich richtig umsah.
>> Hier wohne ich aber nicht.<<
>> Ich weiß. Sie bleiben erst einmal bei mir.<< erklärte er mir, wobei er sich sofort erklärte, da ich schon protestieren wollte.
>> Sehen Sie Dr. Chamberlain. Sie leben allein und nach ihrer Reaktion eben im Krankenhaus, dass Sie erst nicht rausgehen wollten, panische Angst hatten und dann am ganzen Körper zitterten... Nein, Sie bleiben erst einmal bei mir und verarbeiten das und wenn Sie jemanden zum Reden brauchen, dann bin ich für Sie da.<<
Ohne auf eine Antwort von mir zu warten, stieg er aus, ging um das Auto herum und öffnete mir die Tür, woraufhin er mir heraushalf und mit meiner Tasche über der Schulter ins Haus trat. Es war ein großes, modernes Gebäude, das auch einen Fahrstuhl besaß auf den wir nun warteten.
Oben angekommen öffnete Dr. Lawrence die Tür zu seiner Wohnung, die sehr modern eingerichtet war. Als erstes trat ich ins Wohnzimmer, das eine Essecke mit einem Glastisch besaß, an dem ich vorbei ging und mich auf die große, rote Eckcouch setzte. Vor mir war ein riesiger Fernseher, der perfekt in die Schrankwand passte, die ebenfalls zu einem großen Teil aus Glas bestand.
Dr. Lawrence war währenddessen in die Küche gegangen, weswegen ich erst einmal alleine dort saß und inzwischen ziemlich erleichtert und froh darüber war, dass ich nicht allein in meiner viel zu großen Wohnung saß, wo mich auch noch alles an meine Geschwister und Blake erinnerte.
>> Hier ist eine heiße Schokolade für Sie. Die wird Ihnen gut tun.<<
>> Danke Dr. Lawrence.<<
>> Ich heiße Robert.<< klärte er mich auf und grinste, während er seine Tasse nahm und einen Schluck trank.
>> Evelyn.<< antwortete ich, woraufhin er nickte und sich neben mich setzte.
>> Gut Evelyn. Du kannst hier erst einmal bleiben. Ich habe ein Gästezimmer, wo du später deine Sachen auspacken und dich wie zu Hause fühlen kannst. Wenn du irgendetwas brauchst, dann frag mich einfach, ok?<<
>> Danke. Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll...<<
>> Das ist selbstverständlich.<<
>> Selbstverständlich?<< fragte ich ungläubig, da es meiner Meinung nach alles andere als selbstverständlich war, da wir uns bisher nur flüchtig als Kollegen kannten.
>> Ja, für mich schon. Wir sind Kollegen und dir ging es grade mehr als schlecht. Ich hätte keine ruhige Minute gehabt, wenn ich wüsste, dass du nach so einem Vorfall und so einer Panikattacke allein zu Hause wärst.<<
>> Danke Robert.<<
Ich zwang mich zu einem kleinen Grinsen, bevor ich mich weiter im Wohnzimmer umsah und einige Bilder entdeckte, die ihn zusammen mit seiner Tochter zeigten. Doch bevor ich sie näher betrachten konnte, räusperte Robert sich, weswegen ich wieder zu ihm blickte.
>> Hat es dir geholfen ihn zu sehen?<<
>> Ja, sehr sogar. Danke, wirklich, dass habe ich gebraucht, sonst hätte ich ihn weiterhin überall vermutet und gesehen.<<
>> Für andere wäre der Anblick erschreckend gewesen...<<
>> Für uns Ärzte aber nicht, immerhin wissen wir, wie Leichen aussehen und wenn ich nur auf die Worte von anderen hätte bauen müssen, wäre immer der Zweifel da gewesen, ob sie mich nicht einfach nur beruhigen und schützen wollten und er vielleicht doch noch lebte. So kann ich mir jetzt sicher sein, weil ich ihn selbst dort liegen gesehen habe.<<
Er nickte nur und sah auf die Uhr vor uns, die bereits acht Uhr abends anzeigte.
>> Ich bin sofort wieder bei dir, aber ich muss kurz bei meiner Tochter anrufen und ihr eine gute Nacht wünschen, sonst kann sie nicht einschlafen und dann reden wir weiter.<<
>> Natürlich.<<
Er stand direkt auf und ging auf den Balkon, während auch ich mein Telefon herauskramte und auf das Display sah. Ich überlegte lange hin und her, wägte das für und wider ab, bis ich schließlich Blakes Nummer wählte und sich alles in mir anspannte.
Blake
>> So ein großes Objekt, wie ihr es sucht, habe ich zur Zeit nicht im Angebot. Da müsstet ihr euch entweder bei den anderen Maklern umsehen, oder aber ihr wartet noch ein wenig.<< erklärte Hannah grade Lewis und Jen, die wohl so schnell wie möglich zusammenziehen wollten und sie deshalb mal darüber ausgefragt hatten.
Wir saßen gemütlich beisammen bei Dan, nachdem wir eben noch gemeinsam gekocht hatten. Ich hatte lange überlegt, ob ich herkommen sollte, da der Anblick von zwei verliebten Paaren eventuell zu viel für mich gewesen sein könnte, allerdings konnte ich mich nicht ewig davor drücken. Zudem waren es meine besten Freunde, die alles für mich machten und immer für mich da waren, weswegen ich solch einen Abend schon schaffen würde.
Vor allem Dan war es wichtig gewesen, da er mir seine neue Freundin vorstellen wollte und meine Meinung zu ihr hören wollte. Hannah war eine tolle, lebenslustige und lockere Frau, die Dan auf Trab hielt und ihm gut tat. Jedenfalls war es das, was ich bisher beobachten konnte. Äußerlich passten sie ebenfalls super zusammen, weswegen ich ihm sein neues Glück gönnte und nicht als Griesgram alles kaputt machen wollte.
>> So eilig haben wir es ja nicht. Wir werden einfach mal alles im Blick behalten und falls du irgendwas in der Richtung hereinbekommst, kannst du uns ja Bescheid sagen.<< schwindelte Lewis, da ich wusste, dass er am liebsten gestern schon mit Jen zusammengezogen wäre, als auch nur eine einzige weitere Minute warten zu müssen.
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