>> Sie wollen die nicht mitnehmen?<< fragte sie mich ungläubig und sah mich mit großen Augen an. Zum einen wusste ich nicht, wie ich die mitnehmen sollte und zum anderen würden sie mich nur an Blake erinnern, weswegen mein Entschluss fest stand.
>> Nein, ich lasse sie hier. Blumen soll man doch nicht mitnehmen.<<
Sie nickte nur, bevor sie meinen Blutdruck und meinen Puls überprüfte und schließlich wieder den Raum verließ. Ungeduldig sah ich auf die Uhr, die erst drei Uhr nachmittags anzeigte, weswegen ich schon mal anfing meine Tasche zu packen. Anschließend sah ich noch ein wenig fern, bevor um halb sechs endlich Dr. Lawrence zu mir kam und mich sofort anlächelte.
>> Wie ich sehe, sind Sie schon bereit?<<
>> Ich hatte nichts zu tun.<< verteidigte ich mich und blickte zusammen mit ihm auf die Tasche auf meinem Bett.
>> War denn heute alles in Ordnung?<<
>> Alles perfekt. Keine Schmerzen, keine Schwindelanfälle, keine Panikattacken, nichts.<< versicherte ich ihm, woraufhin er nickte und wieder etwas in die Akte schrieb.
>> Also gut. Ich mache noch den Brief fertig und dann können Sie gehen. Warten Sie noch kurz hier.<< sagte er, bevor er den Raum verließ und ich in der Zwischenzeit meine Schuhe anzog. Zum Glück hatte Charly mir vor ein paar Tagen einige Sachen gebracht, da sonst niemand Zugang zu meiner Wohnung hatte, weswegen ich nicht in den kaputten Kleidern vom Überfall nach Hause gehen musste.
Als ich mir grade meinen Mantel überzog, kam Dr. Lawrence zurück, wobei er nun keine Arztkleidung mehr trug, sondern ebenfalls Alltagskleidung und einen Mantel. Nachdenklich sah ich ihn an, als er auch schon meine Tasche vom Bett nahm und damit zur Tür ging.
>> Dann wollen wir mal Dr. Chamberlain. Kommen Sie?<<
>> Wie...?<< fragte ich ihn irritiert, während er zu schmunzeln anfing und weiterhin auf mich wartete.
>> Ich bringe Sie nach Hause.<<
>> Das brauchen Sie nicht. Ich kann mir ein Taxi nehmen.<<
>> Entweder Sie kommen mit mir, oder Sie bleiben im Krankenhaus. Ihre Entscheidung.<<
Ich rollte genervt mit den Augen, da er mich selbstgefällig angrinste und wusste, dass ich keine Chance hatte, weswegen ich mich in Bewegung setzte und nachgab. Er saß nun mal am längeren Hebel und hatte die Macht darüber mich zu entlassen.
>> Geht doch.<<
>> Erpresser.<< grummelte ich, als ich an ihm vorbeiging und wir zusammen zu den Aufzügen gingen. Immerhin durfte ich selbst gehen, da ich es nicht akzeptiert hätte, wenn er mich im Rollstuhl nach draußen gefahren hätte. Angespannt sah ich auf die Anzeige vom Aufzug und spürte Dr. Lawrences Anwesenheit neben mir nur zu deutlich, da er meinen Arm zur Sicherheit festhielt und mich stützte.
Es dauerte nicht lange, als einer hielt und sich die Türen öffneten, wo ich Laura erblickte, die mich finster ansah. Es schien mir, als wollte sie etwas sagen, bevor sie es jedoch dabei beließ, da sie einem weiteren Streit und Zickenkrieg lieber aus dem Weg gehen wollte. Trotzdem spürte ich ihre Blicke und sah, wie sie immer wieder finster zwischen Dr. Lawrence und mir hin und her sah.
>> Haben Sie schon Feierabend Dr. Lawrence?<< fragte ihn plötzlich eine junge Schwester, die ihn mit ihren großen Augen anstrahlte und ihr schönstes Lächeln herausgekramt hatte, um ihn anzuhimmeln. Wieder einmal verdrehte ich die Augen, da ich solch ein Verhalten einfach nur peinlich fand.
>> Ja, ich muss heute früher gehen, weil ich mich um Dr. Chamberlain kümmern muss.<<
>> Sie müssen nicht...<< wandte ich flüsternd ein, wofür ich einen giftigen Blick und Kniff in den Arm von ihm erntete, als auch schon die Türen aufgingen und wir in die Eingangshalle traten.
Ohne noch einmal zu Laura zu sehen, ging ich mit ihm hindurch, da auch er auf der Flucht zu sein schien. Zwar nicht vor Laura, aber vor den Schwestern, die ihn sonst belagert hätten. Wir gingen durch die Eingangshalle, die um diese Uhrzeit ziemlich voll war, bis ich plötzlich vor der Drehtür stand.
Ein wenig ängstlich sah ich durch die Glasfassade nach draußen und bemerkte, wie sich mein Körper dagegen wehrte nach draußen zu gehen. Ich zitterte leicht, was immer stärker wurde, mein Puls beschleunigte sich, meine Atmung wurde flacher und mir wurde plötzlich flau im Magen. Alles in mir sträubte sich dagegen durch die Tür nach draußen zu gehen. Auch Dr. Lawrence schien es zu merken, da er mich auf einmal stirnrunzelnd ansah.
>> Alles in Ordnung?<<
Mein Blick war weiterhin nach draußen gerichtet, wo ich die Menschen beobachtete, die Autos und es mir vorkam, als wäre ich dort draußen nicht sicher. Als müsste ich hier drinnen bleiben, im sicheren Käfig, da ich draußen in der Natur, in einer Art Dschungel, auf mich allein gestellt wäre und ums Überleben kämpfen müsste.
>> Er... Er ist wirklich... gestorben?<< hakte ich noch einmal nach und sah ihm panisch in die Augen, da es für mich enorm wichtig war, dass er mir die Wahrheit sagte.
>> Ja, ist er. Warum?<<
>> Ich... Ich...<< stotterte ich und war nicht mehr in der Lage einen richtigen Satz zu formulieren, während mein Körper immer stärker zitterte. Sofort zog mich Dr. Lawrence an seine Seite und ging mit mir zurück zu den Aufzügen. Ich wollte schon protestieren, dass er mich nicht wieder zurückbringen solle und ich das schon schaffen würde, als ich sah, wie er auf die zweite Kelleretage drückte und sich daraufhin wieder die Türen schlossen.
Er sagte keinen Ton, auch nicht, als wir ausstiegen und wir zur Pathologie gingen. Ich kannte mich hier aus, wusste, was er vorhatte und schätzte ihn für diese einfühlsame Geste.
>> Guten Abend Cate.<< begrüßte er die Pathologin beim Vornamen, die sich sofort umdrehte und ihn angrinste.
>> Hi Robert. Was machst du denn hier?<<
>> Ihr habt hier glaube ich noch Adam Mitchell liegen und ich hatte gehofft, dass Dr. Chamberlain kurz einen Blick auf ihn werfen könnte.<< sagte er bittend und deutete dabei mit einem Nicken auf mich.
>> Das darf ich nicht machen Robert, dass weißt du doch.<<
>> Warten Sie kurz hier.<< bat er mich und ging mit ihr in einen anderen Raum, wo er ihr wahrscheinlich erklärte, weshalb ich Adam sehen wollte. Ich wartete einige Sekunden, die ich auf der laut tickenden Uhr über mir verfolgte, bis die beiden endlich zurückkamen und mich zu sich winkten.
>> Das ist aber wirklich eine Ausnahme.<< sagte sie streng, weshalb ich nickte und mit ihr zu dem Fach Nummer 27 ging, das sie daraufhin entriegelte.
>> Hier haben wir Adam Mitchell.<< verkündete sie und zog die Leiche heraus. Dr. Lawrence stützte mich immer noch, hielt mich so gut es ging fest, während ich auf Adam blickte und tief durchatmete.
Er war blass, was vollkommen normal war, hatte eine heftige Kopfverletzung, die von meinem Retter kommen musste, was sein Erscheinungsbild ein wenig verändert hatte, aber dennoch war er unverkennbar. Dieses Gesicht würde ich niemals vergessen. Ich starrte ihn an, dachte an unser erstes Aufeinandertreffen, daran, wie er mich vergewaltigt, geschlagen und mich gewürgt hatte und wie stark ich anschließend unter den Folgen gelitten hatte.
Wie viel Angst ich gehabt hatte, dass er mich wieder finden würde, was er letztlich ja auch getan hatte. All das hatte nun ein Ende, da er wirklich gestorben war und hier, genau vor mir, sah ich den Beweis. Wenn die anderen es mir nur versichert hätten, hätte ich immer den Zweifel gehabt, ob sie mich nicht einfach nur beruhigen wollten, doch jetzt konnte ich es glauben. Wie hypnotisiert brannte ich mir sein Bild, wie er da lag und gestorben war, in meinen Kopf ein, was unendlich gut tat.
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