Als ihm Michael Bishop aufhalf, brannte der Baum schon lichterloh. Der Sturm fegte heiß über den Hügel, ganze Wolken von Sand vor sich hertreibend. Der Regen hatte so plötzlich aufgehört, wie er begonnen hatte. Der Galgenbaum war nur noch eine einzige Fackel.
„Er ist spurlos verschwunden, Boss“ sagte Michael Bishop leise. Seine Augen flatterten vor Angst. „So wie der Teufel vorhin. Er hat Bennett geholt!“
„Verdammt!“, krächzte der Ethan Sawyer. „Er wird auch uns holen!“
„Mein Pferd, Liam!“, schrie Joseph Malone zu den Jungs herüber.
Liam, etwas klein geraten und dicklich, die rote Stirnlocke wie immer unter dem Hutrand hervorschauend, kam mit dem scheuen Gaul quer über den Hügel gerannt. Der Sturm trieb brennende Äste, die vom Galgenbaum brachen, wie Feuerräder vor sich her. Liam hatte alle Mühe, das aufsteigende Tier zu bändigen.
„Los, wir reiten“, knurrte Malone mürrisch. Er fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Dieser sonderbar gekleidete Mann vorhin, die spurlos verschwundene Leiche des Farmers...
„Verrücktes Zeug!“, murmelte er, als wollte er sich selbst zur Ordnung rufen.
Er stellte den linken Fuß in den Steigbügel. Im gleichen Moment begann die Glocke des kleinen Kirchleins am anderen Ende der Stadt wimmernd zu bimmeln. Malone presste einen Fluch hervor. Plötzlich merkte er, dass der Orkan verstummt war. Nicht das geringste Lüftchen regte sich. Durch die Stille drang das Glockengeläute überlaut an Malones Ohr. So laut, wie er die Glocke noch nie vernommen hatte.
Die Leute unten am Hügelrand hatten sich wie auf Kommando umgedreht. Alle starrten die Main-Street entlang zur kleinen Kirche hin.
„Verdammt!“, brüllte Malone. „Bringt die verfluchte Glocke zum Schweigen.“
Ohne sich um die anderen zu kümmern, galoppierte er den Hügel hinab. Die Leute wichen hastig und mit ängstlichen Gesichtern zur Seite. Malone raste die Straße entlang.
Der Platz vor der Kirche war menschenleer. Kein Wunder, wo ja alle am Galgenhügel waren, um dem Tod des Farmers beizuwohnen. Malone stieß ein klirrendes Gelächter aus. Dann holte er den Colt heraus und schoss auf die Glocke. Zu ihrem Bimmeln gesellte sich das helle Klirren des Bleis von Malones Kugeln.
Zum Teufel! dachte Malone. Wer zieht bloß an dem verdammten Seil. Coleman, der alte Küster konnte es nicht sein, den hatte er unter der Menge stehen gesehen. Jetzt waren auch die anderen angelangt. Stumm starrten sie alle zur Glocke empor.
Malone stieg vom Pferd und warf die Zügel Liam zu. Wütend stapfte er die knarrenden Holzstufen zum Portal der Kirche empor. Mit einem Fußtritt trat er die Türe auf, dass sie im Innern des Gebäudes hart gegen die Wand knallte.
„Feuer“, brüllte Malone und sah sich zu seinen Männern um. „Zündet das verdammte Ding an!“
Er drehte sich wieder um und erstarrte.
Logan Bennett stand auf dem Podium neben dem einfachen Altar!
Ein seltsames Licht umflutete sein ausgemergeltes Antlitz, das knöchern wie ein Totenkopf wirkte. Das Dämmerlicht hüllte seine Gestalt völlig ein. Nur der Kopf war da. Und dieser merkwürdige, überirdische Glanz, der ihn umgab.
„Sein Geist!“, stöhnte Ethan Sawyer. Mit beiden Händen klammerte sich der Vorarbeiter an Joseph Malone fest. Die anderen drängten sich dahinter. Mit aufgerissenen Augen, schreckensstarr blickten sie die Gestalt neben dem Altar an.
Malone war das Blut zu Eis erstarrt. Er fühlte sich unfähig zu bewegen. Etwas schnürte ihm die Kehle zu, dass er zu ersticken glaubte.
Liam hatte einen einzigen Blick in die Kirche hinein getan und den Geist des Erhängten erspäht. Die Kiefer klapperten ihm wie im Schüttelfrost. Von panischer Furcht gepackt, wandte sich der Junge um und rannte schreiend die Main-Street entlang.
Malone keuchte wie ein Ertrinkender. „Mich narrst du nicht, es gibt keine Geister, Bennett!“
Er riss sich von Sawyers klammernden Fäusten los und hob den Colt. Als er abdrückte, machte es nur klick, denn er hatte die ganze Trommel auf die Glocke leergeschossen. Und sie bimmelte immer noch. Das Seil hinter dem Altar bewegte sich auf und ab, aber niemand betätigte es.
Michael Bishop würgte eine Verwünschung hervor und zielte auf das wie in der Luft schwebende Haupt des gehängten Farmers. Als der Hammer nach dem sechsten Schuss leer anschlug, entfiel ihm die Waffe. Bishop wandte sich in wilder Flucht und stürmte über den menschenleeren Platz vor der Kirche. Er hörte das kalte, höhnische Gelächter nicht mehr.
Der Kopf, noch immer von unwirklichem Lichtschein umgeben, tanzte wie ein Irrlicht hin und her und – lachte – lachte...
Malone war der erste, der sich zur Flucht wandte. Er stieß die anderen zur Seite und rannte, wirres Zeug brüllend ins Freie.
Das dünne Bimmeln der Glocke schwoll an, bis ihnen das Schlagen des Klöppels das Trommelfell zerreißen wollte.
Malone und seine Meute aber rannten und rannten...
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