15.12.15/18:30
Es ist schon hart nach Hause zu kommen und festzustellen, dass alles noch da steht wo ich es verlassen habe. Ja, nach Hause kommen mit den Händen voll Tragtaschen, verteilt nach Gewicht damit ich sie bis zum 5. Stock tragen kann. Auch die Mädchen müssen etwas tragen. Ja, mit der Hoffnung dass auch sie etwas tragen können. Die Erwartungen sind aber meistens zu hoch, denn so tollpatschig wie sie sind, stolpern sie auf ihre eigenen Füsse und lassen die Taschen am Boden fallen. Ja, ganz ohne Unfall geht das meistens nicht, sodass ich mich entscheide, alles Mögliche selber hochzutragen. Verschwitzt und entnervt komme ich ans Ziel, in den 5. Stock, und lasse alles auf dem Boden fallen. Das befreit mich und tut meiner Wut gut.
Habt ihr auch schon einmal so schlecht auf eine Situation reagiert, dass ihr am liebsten möchtet in den Boden versinken? „Es darf einfach nicht wahr sein“ aber so etwas ist mir von einer halben Stunde gerade passiert, und ich kriege es einfach nicht aus dem Kopf. Ich kann nur weinen, schon wieder! Was bin ich für eine Mutter die so reagiert wie ein Kind! Ich konnte mich nicht entschuldigen, und ich frage mich warum. Es war meine ältere Tochter. Sie streitete mit ihrer jüngeren Schwester und ich konnte es nicht aushalten. Das ist doch normal, oder? Aber selbst diese Kleinigkeiten beschäftigen mich den ganzen Tag. Warum kann ich nicht die Ruhe bewahren wenn zwei Geschwistern sich streiten? Vielleicht weil ich das selber nicht kenne weil ich ein Einzelkind bin.
Meine Hand ist geflogen. Die Tatsache zu sehen, wie mein Kind Tränen in den Augen hat, macht mich fertig. Es ist jetzt zwar vorbei, vermutlich hat sie es vergessen, aber Ich kann es nicht vergessen. Und es tut mir so leid. Ich kann nur weinen.
17.12.15 (Brief)
Liebe Tante (Vorname kann ich nicht erwähnen)
Ich habe Heute einen Brief von Dir erhalten. Du schreibst immer sehr nette Briefe, vor allem zu Weihnachten.
Leider hat mir Dein Brief so sehr geärgert dass ich es sofort vernichten musste. Vielleicht bis Du jetzt beleidigt, aber ich habe gelernt auf meine Stimme zu hören. Ich handle gerade sehr emotional aber nur so respektiere ich meinen Willen.
Ich möchte Dir und Deinem Mann sagen dass ich sehr enttäuscht von euch bin. Mein Mann und ich haben sehr schwere Zeiten durchgemacht. Wir sind jetzt geschieden, aber noch nicht ans Ziel angekommen. Wir haben zwei gemeinsame Kinder, und diese Kinder verbinden uns. Werden es auch immer tun. Diese Kinder gehören auch zur gleichen Familie, und ich finde es nicht mehr als korrekt wenn wir uns trotzdem ab und zu sehen könnten.
Ich habe mein Leben noch nicht im Griff, in bin Ende September alleine mit den Mädchen umgezogen. Ich habe festgestellt, dass niemand, gar niemand, da ist wenn ich Hilfe brauche. Mein Mann wird nun jetzt seinen Weg machen. Ich war immer dabei und habe ihm beim Lernen sogut geholfen wie ich nur konnte. Jetzt bin ich alleine, alleinerziehend, krank und vor mir steht eine unsichere Zukunft bevor. Ich bin an zwei Kinder gebunden, bin stellenlos und kann für eine längere Zeit nicht mehr 100% ig arbeiten. Die Freunde, die ich hatte, haben mich verlassen. Alles was ich hatte ist weg. Gott ist aber bei mir, und hat erlaubt, dass ich in der Klinik neue Freunde kennenlernen durfte. Viele sind verloren gegangen, aber die ehrlichsten sind geblieben. Was ich dieses Jahr durchgemacht habe, möchte ich niemals mehr erleben.
Vielleicht wisst ihr ja schon dass ich im Februar Selbstmord begangen habe. Ich habe soviele Tabletten geschluckt dass meine Leber ausgestiegen ist. Ich wollte nicht mehr leben. Dass die Kinder da waren, war mir egal. Einige Leute wissen was ich gemacht habe, und es wird erzählt. Aber sie kennen nicht die Wahrheit, denn die Wahrheit ist dort versteckt wo es dunkel ist.
Ich stehe da in einem Leben dass ich nie wollte, ich wollte doch nicht zu „denen“ gehören die alleinerziehend sind? Ich wollte auch nicht zu „denen“ Müttern gehören deren „Batterien“ schon am Mittag leer sind? Und ich wollte auch nicht zu „denen“ gehören die ständig jede Münze umdrehen müssen?
Aber es ist so gekommen, und ich bin erleichtert. Wir hatten andere Vorstellungen was eine Beziehung ausmacht. Und dass eine Beziehung genährt werden muss, das wussten wir nicht genug.
Ich stehe jetzt hier und schreibe diesen Brief, in einer Nacht, damit ich meine Gedanken loswerden kann.
Ich gehe davon aus dass meine Worte bei euch gut ankommen. Ich gehe davon aus, dass ihr mehr wisst als ich denke. Und ich stehe zu meinen Worten, auch wenn sie hart sind. Ich weiss in der Zwischenzeit bei welchen Leuten die Ehrlichkeit zuviel ist. Aber euch schätze ich nicht so ein.
Ich wünsche Euch von ganzem Herzen Freude und Ehrlichkeit zueinander. Das was man unterdrückt frisst uns auf, besser wir lassen es raus.
Ich schreibe momentan ein Buch und dort sind alle meine Gedanken erwähnt.
Alles Gute und Schöne Weihnachten!
Angela
22.12.15
Ich muss eine lustige Geschichte erzählen, eine Geschichte, die mich sehr beschäftigt. Eine ehemalige Klinikkollegin registrierte mich ein einem Chat weil sie dachte, ich sollte wieder neue Bekanntschaften machen. In der Tat meldeten sich dutzende von Männern, einige machten Komplimente, andere schickten mir irgendwelche Anfragen. Nach zwei Wochen dieses Hin-und Her löschte ich meine Angaben. Ich fühlte mich aber dann schnell wieder einsam und diese Ungewissheit, dass vielleicht doch ein netter Mensch an mich interessiert wäre, wurde grösser und grösser. Somit registrierte ich mich erneut in das Chat. Ich wollte wieder in Mittelpunkt sein, und plötzlich andere Gedanken beschäftigten mich. Es wurde mich auch bewusst, dass es bei diesen Männern gar nicht wichtig war, ob eine Frau Kinder oder keine Kinder hat. Ich war verwirrt weil ich erzogen wurde, dass es doch eine grosse Rolle spielt wenn eine Frau Kinder hat oder nicht in einer Beziehung zu Männern. Ich war der Überzeugung, dass ich sowieso keine Change mehr auf eine neue Beziehung hatte. War sehr zurückhaltend und schüchtern bei den Anfragen. Sodass bald kein Mann mehr länger Geduld zeigte. Dann gab es plötzlich diesen Typ aus meiner Stadt, der immer wieder schrieb. Er behauptete, er müsse mich kennenlernen. Einmal meinte er ich soll zu ihm nach Hause gehen. Der Satz“ Ich muss Dich sehen“ tat mir gut, sodass wir einmal vereinbarten, uns an einem Sonntagnachmittag zu treffen. Ich freute mich irgendwie. Leider wurden beide Mädchen krank, sodass ich absagen musste.
Ich hatte den Eindruck, er sei sehr labil und empfindlich, jedoch so hartnäckig wie ein Kinn wenn er sein Spielzeug nicht bekommt. Mir wurde es mit der Zeit so intensiv dass ich den Kontakt mit ihm abbrach. Nach einer Woche kam seine Reaktion: „Warum hast Du das so gemacht?“.
Ich war überzeugt von meiner Entscheidung, gab ihm jedoch eine zweite Change. Heute muss ich gestehen, dass ich Mühe habe zu merken, wann genau ich Nein sagen soll.
Wir verabredeten uns zu einem Kaffee in der Nachbarsstadt. Vorher ging ich zum Friseur. Als ich fertig wurde, schrieb ich ihn, ich sei jetzt eben fertig. Da kam keine Antwort.
Später, als ich zuhause ankommen war, wütend und enttäuscht, kam seine Antwort, er hätte verschlafen.
Wie wichtig muss ich denn gewesen sein? Wenn ich eine Frau wirklich kennenlernen will, dann mache ich doch alles um sie zu treffen, oder nicht?
22.12.15
Gestern, bei meinem Psychiater, wusste ich nicht was erzählen. Ich weiss nicht ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen ist. Ich musste richtige meine Worte herausholen, wie sonst nie. Mein Psychiater ist auch ein gläubiger Mensch, das heisst am Schluss der Therapiestunde machen wir immer gemeinsam ein Gebet. Er weiss dass es mir schlecht geht, denke ich, jedoch seine Hoffnungen helfen mir nicht weiter.
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