»Lachen ist die einzige Hoffnung«, flüstert er uns leise von hinten zu, während er uns umkreist.
»Lachen ist ein großer Zauber, eine wundersame Medizin. Lachen ist Magie hoch zwei. Es gibt so vieles auf dieser Welt, was nicht in Ordnung ist, und so wenig Grund, um mal so richtig von Herzen zu lachen. Man muss nur den Fernseher einschalten: Die Hälfte der Nahrungsmittel, die jedes Jahr auf diesem Planeten erzeugt werden, wird weggeworfen, und gleichzeitig verhungern jährlich zehn Millionen Menschen. Die Bewohner der reichen Industrieländer geben Milliarden aus, um ihren Kindern schöne Kleider zu kaufen, und gleichzeitig sorgt unser supermodernes System der Verstädterung dafür, dass sie so viel Umweltgifte einatmen, als würden sie pro Tag elf Zigaretten rauchen, was ihr Leben um mindestens sechs Jahre verkürzt. Wir könnten die vernichtende Macht von Terrorismus, organisierter Kriminalität, von Steuerhinterziehung und Finanzbetrug unglaublich eindämmen, wenn wir das Bankgeheimnis und die Steuerparadiese abschaffen würden, aber wir tun es nicht. Die menschliche Gemeinschaft ist nicht einmal in der Lage, in einer einstimmigen Erklärung Folter zu verdammen. Die Lage ist nicht gerade optimal. Wir haben also rein gar nichts zu lachen. Na, dann sorgen wir doch selbst für ein bisschen gesundes Gelächter. Seid ihr bereit?«
Als Erstes soll man durch Scherzfragen und Wortspiele die anderen zum Lachen bringen. Der Stallknecht soll zuerst raten.
»Also, du bist ganz allein auf einer einsamen Insel, und es gibt nichts zu essen oder zu trinken. Aber trotzdem hast du keine Angst vor der Zukunft. Du siehst weder Schiffe noch Helikopter noch etwas anderes am Horizont, der Akku deines Mobiltelefons ist leer. Auf dieser Insel gibt es weder Wasser noch essbare Pflanzen oder Tiere. Warum nur hast du keine Angst?«
»Hmm«, antwortet der Stallknecht.
»Aber das ist doch ganz einfach: Du bist auf einer Verkehrsinsel.«
Der Knecht braucht eine Weile, bis der Groschen fällt, aber dann lacht er laut und lange. Jetzt ist Jutta dran.
»Eines Tages willst du nach Cagliari, auf dem Weg dorthin begegnen dir sieben alte Frauen, jede Frau trägt sieben Säckchen und jedes von ihnen enthält sieben Katzen. Wie viele alte Frauen und wie viele Katzen erreichen Cagliari?«
»Sieben«, antwortet Jutta wie aus der Pistole geschossen.
»Oje, oje, Jutta. Keine von denen will nach Cagliari. Wenn du ihnen begegnest, kommen sie doch von dort!«
Jutta braucht auch ein wenig, aber das ist normal; schließlich muss man ihr die Geschichte ja übersetzen. Und jetzt ich.
»Wenn ein Mann in einer Stunde ein Loch gräbt, wie viele Löcher können dann zwei Männer in zwei Stunden graben? Und wie lange braucht ein Mann, um ein halbes Loch zu graben?«
»Das ist kinderleicht … Wenn zwei Männer in zwei Stunden vier Löcher graben, braucht einer allein dreißig Minuten, um ein halbes Loch zu graben.«
»Oje, mein lieber Bruno. Das geht überhaupt nicht. Versuch mal, irgendwo ein halbes Loch zu graben, und dann frag jemanden, was das ist. Er wird dir antworten: ›Ein Loch.‹«
Jetzt lache ich auch. Wie ein Idiot, aber ich lache. Es funktioniert wirklich! Geraldo hat recht. Alles kann zu einem Quell der Heiterkeit werden: im Wald spazieren gehen, Rock ’n’ Roll tanzen, sich an Gummibändern von Brücken stürzen, nachts vor einer Bäckerei stehen und Croissants essen … und sogar in einer Ape nach Gesturi fahren!
Da Geraldo uns seinen Jeep nicht leihen kann, holt er die kleine Ape aus der Garage. Die Vorstellung, dass ich gleich hinter dem Steuer dieses dreirädrigen Vehikels sitzen werde, gefällt mir, und es ist auch nicht so aufwendig. Geraldo wird sich die Ape dann heute Abend im Parco della Giara abholen, wo der Hochzeitsempfang stattfindet. Fil’e und Ferru stecken ihre Köpfe aus der Box nebenan. Jetzt könnte ich melancholisch werden, aber ich streichle sie nur lächelnd ein letztes Mal.
»Los, noch einen, noch einmal lachen, bevor wir aufbrechen«, meint Jutta.
»Okay! Der Nachtwächter einer großen Firma bittet um einen Termin beim Inhaber, dem großen Boss. ›Ja, was ist?‹ ›Herr Direktor, fliegen Sie morgen nicht, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist.‹ ›Warum?‹ ›Weil ich heute Nacht geträumt habe, dass dieses Flugzeug ins Meer stürzen wird und alle Passagiere ertrinken oder von den Haien gefressen werden.‹ Der große Boss ist sichtlich erschüttert und antwortet mit gewohntem Zynismus: ›Gut, ich fliege morgen nicht, aber wenn dein Traum nicht eintrifft, entlasse ich dich.‹ Doch der Traum bewahrheitet sich tatsächlich, eine schreckliche Katastrophe, die die ganze Welt bewegt. Der Chef bestellt den Nachtwächter zu sich, der diesen warnenden Traum hatte, und sagt zu ihm: ›Du bist entlassen.‹ Warum? Wer von euch dreien weiß eine Antwort darauf?«
Jutta meint nur schüchtern: »Keine Ahnung.« Ich bitte um ein wenig Bedenkzeit, und unser Knecht ist mit seinen Gedanken noch bei dem Mann auf der Insel.
»Also, seid ihr bereit? NACHTWÄCHTER DÜRFEN DOCH NACHTS NICHT SCHLAFEN, DA ARBEITEN SIE NÄMLICH!«
Doch nun wird es Zeit. Lachend quetschen wir uns in die Ape und knattern los.
Hochzeit auf Italienisch
Jutta
Der Kirchplatz ist voller Menschen in traditionellen Gewändern. Wie hübsch, denke ich mir. Wie bei uns auf dem Land. Da zieht die Frau ihr Festtagsdirndl an und der Mann seine beste Joppe und die Lederhose. Dazu schmückt man sich. Wir Frauen tragen im Ausschnitt unserer Tracht Rosen und grüne Blätter, legen schöne Hängeohrringe an und eine sogenannte Kropfkette um den Hals. Der Name entstand vor vielen Jahrhunderten, weil sehr viele Bayern, vornehmlich Frauen, an Schilddrüsenunterfunktion gelitten haben, wobei sich am Hals ein unschöner Knoten bildete. Um diesen zu verdecken, legten sie sich mehrreihige goldene Ketten mit einem edelsteinverzierten Emblem um den Hals – je nachdem, wie vermögend der Gatte war. Die Männer tragen Hüte mit einem Gamsbart und am Bund ein Charivari. Je größer und je wertvoller beides ist, desto mehr zeigt es, wie bedeutend der Mann ist und welchen Einfluss er in der Gemeinde hat. Auch kann man am Charivari erkennen, wie viele Kinder er gezeugt hat, denn jeder Anhänger steht für ein Kind. Hat er dann noch einen Wildschweinzahn dranhängen, heißt das, das er auch ordentlich potent ist. Klar, dass jedes bayerische Mannsbild mindestens einen solchen Zahn dranhängen hat. Auch der Gamsbart ist meist ein bisschen zu groß, bedeutet es doch, dass der Träger ein guter Schütze ist und schon mächtig viele Säue erlegt hat. Man beliebt ein wenig aufzutrumpfen, um sich Respekt zu verschaffen.
Ich glaube, das ist hier nicht viel anders. Grundsätzlich tragen alle dieselbe Tracht, aber sie unterscheidet sich im Detail. Die Farben sind ein bisschen unterschiedlich, und auch die Hauben der Damen sind mal mehr und mal weniger reich bestickt. Die alten Frauen tragen dunklere Gewänder und große Tücher um die Schultern.
Bruno bremst scharf, um nicht in eine Horde Kinder hineinzufahren, die gerade im Laufschritt auf die Kirche zulaufen. Er hält die Ape an der Friedhofsmauer an. Wir springen hinaus und rennen Richtung Hochzeitsgesellschaft. Außer Atem faselt er etwas von Ringen, Koffern, keine Zeit, und mir wird klar: DER GUTE HAT EIN PROBLEM.
»Ich hab die Ringe nicht, die sind bei Guilias Eltern, ich muss jemanden suchen, der sie mir besorgt, und wir haben auch keine Zeit, in die Wohnung von Maurizio zu gehen und uns umzuziehen, das machen wir nach der Zeremonie. Ich muss jetzt Maurizio finden, geh du schon mal in die Kirche.« Ich protestiere.
»Ich werde den Teufel tun und in diesem Aufzug bei der Trauung erscheinen«, antworte ich wütend. »Jetzt sind wir endlich am Ziel, und nun soll ich das nicht genießen können, weil ich mich in jeder Sekunde geniere? Nein, du wirst jetzt eine Lösung finden, ansonsten bleib ich draußen.« Bevor es zwischen uns zu einem handfesten Krach kommt, mischt sich ein Mann in unser Gespräch und fragt, ob er uns helfen kann. Bruno erklärt ihm kurz unser Problem, und er lacht, nimmt meinen Lebensgefährten in den Arm und sagt zu mir: »Keine Probleme, Signora, viene viene.« Die beiden laufen zu einem Auto, und wenig später halte ich ein Folkloregewand im Arm.
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