Lange richtete er sein Glas in die Prairie hinaus, dann sagte er: "Es sind Weiße, die dort von einer Schar Wilder gejagt werden."
"Welche Richtung halten sie, Grizzly?"
"Sie kommen hierher", entgegnete er sehr ernst.
Er kam vom Baume herab, und jetzt konnten auch die andern unten bereits gewahren, daß Reiter in wilder Flucht durch die Steppe setzten. Bald erschienen sie für einen Augenblick auf dem Rücken einer Erdwelle, um dann wieder zu verschwinden. Die folgende Bodenanschwellung zeigte sie dem Blick dann in geringerer Entfernung. Bald erkannten die geübten Augen der Männer, daß fünf Reiter von einer großen Schar Indianer verfolgt wurden, und daß die Flüchtigen auf das Gehölz zujagten.
"Bei Gott", sagte leise der Trapper, "sie bringen uns den Feind hierher."
Immer näher kamen die Gejagten, die augenscheinlich Rettung unter den Bäumen suchten, welche den Trapper und seine Gefährten bargen.
Bald erkannte auch das unbewaffnete Auge, daß die Verfolgten Weiße waren.
Kaum mehr als tausend Schritte entfernt, nahmen sie zum Erstaunen der erregten Zuschauer eine Änderung in der Richtung vor, welche sie an dem Gehölz vorbeiführen mußte, statt in dessen Schatten.
Ein Blick nach rechts klärte die Männer über die Ursache dieser Bewegung auf, denn auch von der Seite stürmte, wie sie jetzt erst gewahrten, eine Schar Wilder auf eilenden Rossen heran und drohte den Verfolgten den Weg abzuschneiden. An ihr Entrinnen war unter diesen Umständen nicht zu denken.
"Gleich schießen, Oheim", sagte Puck.
"Nein, Junge, nein", entgegnete der Trapper traurig, "es darf nicht sein, wir können die nicht retten, und sind selbst mit ihnen verloren."
Paul, welcher sich einen Augenblick des Glases des Büchsenmachers bedient hatte, schrie laut auf: "Gott, Gott, Oheim - dort reitet mein alter Brown, der Freund meines Vaters, er sucht mich. Rette, Oheim, rette."
In fast ebenso großer Erregung, wie der Knabe, schrie der Trapper: "Feuert auf die Hunde!"
Vier Schüsse krachten, vier Sättel in der Schar der von der Seite kommenden Indianer wurden leer.
"Hierher!" schrieen der Trapper und Paul mit aller Kraft den Verfolgten zu, welche fast am Gehölz vorbei waren. Die Indianer stutzten und hielten an bei diesem überraschenden Feuer. Auch die Flüchtlinge zügelten ihre Pferde und lenkten sie dann um, nach dem Holze zu. Als die Indianer eine Bewegung machten, zu folgen, schossen Puck und der Alte den zweiten Lauf ihrer Doppelbüchsen ab, und wiederum stürzten zwei der Roten vom Pferde.
Da wandten die Indianer um und jagten zurück, um aus der Schußweite zu kommen. Auch der Haufe, welcher zuerst erblickt war, hielt angesichts des verderblichen Feuers in gemessener Entfernung an.
Die Verfolgten aber sprengten heran und waren bald dicht vor den Büschen, aus welchen die rettenden Schüsse fielen.
"Das war Rettung in der Not", sagte der erste, ein Cowboy, und sprang vom Pferde.
Paul aber stürzte hervor, auf den Mann mit dem weißen Haar, der sich vor Erschöpfung kaum noch auf dem Pferde halten konnte, zu: "Brown! Brown! Lieber, alter Brown!"
"O, Jesus Christ!" sagte der Greis und wurde bleich, "- o - o - das Kind, das Kind!"
Aber schon war Paul an seiner Seite und half ihm aus dem Sattel und umarmte und liebkoste ihn: "Brown, lieber, alter Brown!"
Der alte Mann konnte nicht sprechen, so sehr war er erschüttert von diesem unerwarteten Wiedersehen; er faltete die Hände, und seine Lippen bewegten sich. Dann aber nahm er Paul in die Arme: "Kind, Kind - Gott sei Dank, du lebst - lebst, o, Kind, Kind!"
Alle sahen trotz des furchtbaren Ernstes der Lage nicht ohne Bewegung diesem Wiedersehen zu, aber am tiefsten war der Trapper erregt.
Walker unterbrach die augenblickliche Stille mit den Worten: "Herein, Gentlemen, und die Büchsen fertig, sie werden gleich herankommen, die Roten."
Dies rief allen die Nähe der Gefahr zurück. Nathan Wild, der Cowboy, die drei Arkansasmänner aus Garfield, Brown, seinen Liebling im Arm, traten unter die Büsche und zogen die Pferde nach. Der Trapper, welcher seiner Erregung Meister geworden war, sagte: "Hinüber, Puck, auf die andre Seite, daß sie uns nicht überraschen; ich bleibe hier." Puck ging. "Bindet ihre Pferde an, Walker", fuhr der Alte fort, und der Büffeljäger that es. Die beiden Indianertrupps hatten sich während dessen in einen starken Haufen zusammengezogen, hielten ruhig in einiger Entfernung, und berieten wohl, wie sie angreifen sollten.
Der Cowboy, Nathan Wild, ging auf den Trapper zu und sagte: "Denke, kennt mich, Grizzly?"
"Gut genug, Nathan, freue mich, euch zu sehen."
"War hohe Zeit, daß ihr eure Büchse knallen ließt, wären jetzt bereits skalpiert. Sagt, was geht vor in der Steppe?"
"Indianerkrieg, Mann; sind die Roten am Werke. Waren die höllischen Sioux, welche die Stämme hier aufgehetzt haben."
"Gut, daß ich meine Herden nach Osten geschickt, würden den Herren willkommen sein." Nach einer Weile fuhr er fort: "Habt den jungen Osborne gefunden?"
"Ist so, fand das junge Blut in der Steppe."
"Hm."
"Und wie kommt ihr, Nathan, mit dem alten Brown hierher?"
"Suchten den Jungen, der Brown wollte ihn tot oder lebendig haben. Hatte mein Boy Paul reiten sehen mit zwei Banditen. Ist ein Wunder, Grizzly, daß wir ihn hier gefunden, sage euch, ist ein Wunder."
Der Trapper nickte ernsthaft: "Weiß seine Stunde zu wählen, der oben."
"Wollten schon umkehren, hatten die Banditen gejagt, na, Brown wird euch alles erzählen, als diese Bande Kaws uns in den Weg kam und uns nach Norden trieb, hierher zu dem Jungen. Sage, ist ein Wunder."
Der alte Hüne war sehr nachdenklich und sah vor sich hin.
"Habe da drei brave Arkansasmänner bei mir, schlossen sich uns in Garfield an, können froh sein, daß wir deren Büchsen haben, denke, wird ein hartes Stück Arbeit geben."
Wieder nickte der Trapper.
"Habe gesehen, habt ein Verhau gemacht, ist gut."
Während dies am Rande des Gehölzes vorging, hatte Paul dem alten Freunde in fliegender Eile seine Abenteuer erzählt, Brown dagegen ihm mitgeteilt, wie es ihm keine Ruhe gelassen, ihn tot oder lebendig aufzufinden.
"Und mein Oheim James, Brown?"
Der alte Mann wollte nicht Gift in den Becher der Freude gießen, das jugendliche Gemüt Pauls nicht ohne dringende Not verbittern, und entgegnete nur: "Er ist zurückgekommen und wohl."
"Nun, Gott sei Dank, ich fürchtete, ihm sei ein Unheil widerfahren. Aber was, was, Brown, konnte die Veranlassung sein, daß diese entsetzlichen Menschen mich in die Wüste führten und dem Tode preisgaben?"
"Wird alles sich aufklären, Kind, wenn wir erst wieder zu Hause sind." In der Freude dieses so unverhofften Wiedersehens hatte er der sie bedrohenden Gefahr vergessen, jetzt stand sie wieder vor seiner Seele, und mit einem tiefen Seufzer setzte er hinzu: "Wenn wir die Heimat überhaupt wiedersehen?"
Doch zuversichtlich sagte Paul: "Du hast die größten Krieger der Steppe um dich, Brown, sei unbesorgt."
"Ich muß nun deinem Retter die Hand drücken, Paul, führe mich zu ihm. Der Jüngling geleitete ihn durch die Büsche zu dem Trapper.
Als er vor ihm stand, sagte Brown: "Habt unser Kind gerettet, Sir, möchte euch die Hand schütteln."
Der Alte reichte sie ihm auch, schaute aber dabei in die Steppe hinaus: "Habe nicht viel gethan, Sir, war nur das Werkzeug seiner Rettung."
Brown hörte kaum, was er sagte, er sah mit auffallender Überraschung in sein Gesicht, der Trapper fuhr aber in etwas rauhem Tone fort: "Werden gleich kommen, die Kaws, ist Zeit, nach den Büchsen zu sehen", und trat in die Büsche zurück.
Brown sah ihm nach und fragte Paul leise: "Wie heißt der Mann?"
"Man nennt ihn den Grauen Bären, hier in der Prairie; seinen wirklichen Namen weiß ich nicht."
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