Zärtlich drückte er sie an sein Herz.
"Reite voraus, Maxtla, nach Otoño und erzähle von mir, von ihr - ich komme mit dem Kinde nach."
Maxtla jagte bald darauf auf einem der Rosse des Llanero nach Cabuyaro, wo sein Pferd stand.
Nach eingehender Verständigung mit Juanas Pflegeeltern wurde beschlossen, daß die Sennora mit ihr und Alonzo nach Otoño reisen sollte, um das Kind hinzugeleiten und dort Vereinbarungen für die Zukunft zu treffen.
Am anderen Tage machten sie sich auf den Weg.
Mariquita küßte und streichelte die braunen Wangen des tiefbewegten Llanero: "Sei nur ruhig, Papa, wenn ich auch eine Sennorita werde, ich habe dich immer lieb - dich und Mama, sei nur ruhig - du sollst bald wieder bei mir sein."
Huatl folgte als Peon den Reisenden.
In Cabuyaro fanden sie eine aufgeregte Bevölkerung vor, die durch viele anwesende Landleute aus der Steppe vermehrt war.
Der Präsident des Landes, Don Manuel Obando, war gestorben, und es waren Wahlausschreiben erlassen worden, die große Junta des Landes zusammenzurufen, um einen Nachfolger für Don Manuel zu ernennen.
Alonzo traf in der Posada, in der er durch Maxtlas Verwendung Unterkunft fand, viele aufgeregte Landleute. Obgleich er seinen Namen nicht nannte und sich nur mit fast mütterlicher Zärtlichkeit der Schwester widmete, so drangen doch die behandelten Tagesfragen zu seinem Ohr.
Er hörte de Vallas Namen mit wilden Verwünschungen nennen, erkannte aber daneben auch, daß man selbst hier in der abgelegenen Stadt für seine Wahl als Präsident agitierte. Am meisten aber klang der Name des Generals Mosquera als der eines für den Präsidentenstuhl geeigneten Mannes an sein Ohr, ein Name, den er auch von beiden Sennores Vivanda mit großer Achtung hatte erwähnen hören.
Doch seine Seele war von dem Glücke, eine Schwester zu besitzen, so voll, daß die politischen Fragen für ihn bedeutungslos waren.
Am anderen Tage setzten sie die Reise nach Otoño, wo freudig erregte Menschen ihrer harrten, fort.
Zwanzigstes Kapitel.
Vergeltung
Bogotá konnte die Fremden nicht fassen, die herbeigeeilt waren, um während der Wahl des Staatsoberhauptes anwesend zu sein. Handelte es sich doch um die Zukunft des Vaterlandes.
Der Präsident hatte das Zeitliche gesegnet, der Vizepräsident lag schwer erkrankt auf seinem Landhause und de Valla hatte seit Wochen alle Macht allein in seinen Händen.
Die Erschütterung, die die Todesgefahr seines Lieblings und dessen Rettung durch den gefürchteten und gehaßten Sohn Don Pedro d'Alcantaras in ihm hervorgerufen, war gewichen. Die Nachricht von dem Verschwinden Don Alonzos, die ihm gleichbedeutend mit dessen Tode war, hatte ihn nicht nur gleichgültig gegen das Schicksal des Jünglings gelassen, sie war ihm, da die edlere Wallung seines Wesens längst verflogen war, sehr willkommen gewesen - er war eines Feindes ledig und sagte sich beruhigend, daß er das Seine getan habe, um ihn vor dem Verderben zu schützen.
Doch all dieses verschwand jetzt neben dem verzehrenden Wunsche des Mannes, die höchste Würde des Staates zu erlangen.
Er hatte die ganze Regierungsmaschinerie in der Hand, und er brauchte sie rücksichtslos, um die Wahlen zur großen Junta zu seinen Gunsten zu beeinflussen.
Sein Gegenkandidat, der General Mosquera, der ehemalige Gobernador von Santander, würde nur wenige Stimmen auf sich vereinen - wie de Valla mit Zuversicht annahm.
de Valla hatte den Pöbel der Hafenstädte, die Farbigen, für sich, und alle friedfertigen, ehrenwerten Leute waren eingeschüchtert. Daß die südlichen Gobernios, das heißt die Llaneros, Gegner seiner Wahl sein würden, hatte er vorhergesehen, aber sie mußten in der Minderheit bleiben.
Zu einer Präsidentenwahl vereinigten sich die Mitglieder des Staatsrates, von denen viele auf Lebenszeit, und einige als besondere Auszeichnung sogar erblich ernannt wurden, und die Junta des Staatsrates glaubte de Valla durchaus sicher zu sein, da er ihn größtenteils aus seinen Kreaturen zusammengesetzt hatte.
Bogotá wimmelte nicht nur von Fremden, ganz abgesehen von den Juntamitgliedern, auch von Soldaten. de Valla hatte zwei Regimenter des Staates, die zu neun Zehnteilen aus Farbigen bestanden, in die Hauptstadt beordert.
Sein Sohn Eugenio hatte sich die Nachricht von dem geheimnisvollen Ende seines Retters, dem er eine so innige Freundschaft entgegengebracht, die zu seinem Leidwesen nicht erwidert wurde, sehr zu Herzen genommen, und da ihm das Treiben, welches die Präsidentenwahl mit sich brachte, zuwider war, hatte er seinen Vater um Erlaubnis gebeten, nach Kuba reisen zu dürfen, was dieser umso lieber gestattet hatte, als er den dem Getriebe der Welt so fremden Jüngling nicht gern zum Zeugen der Vorgänge in Bogotá haben wollte.
Der Tag der Wahl kam.
Schon am frühen Morgen zeigten die Wege, welche auf Bogotá zuführten, sich sehr belebt.
Es war ein schöner heller Morgen, der den Tag eröffnete, an dem die Präsidentenwahl vor sich gehen sollte. In herrlicher Beleuchtung lagen die nahen Berge Guadalupe und Monserate da, und eine Flut von Licht ergoß sich über Straßen und Plätze und die bunten Häuser der Hauptstadt, des alten Santa Fé de Bogotá.
Auch die Bewohner der Stadt waren früh munter und lebhaft gestikulierende Gruppen standen auf den Straßen, aus denen man überall die Namen de Valla und Mosquera heraustönen hörte.
Die Plaza Bolivar, an der das Kapitol, das neue Parlamentsgebäude, sich erhob, war dicht gefüllt mit Menschen, so auch die benachbarten Straßen. Soldaten waren hier aufgestellt, um Ordnung zu erhalten. Unter der Menge sah man viele Leute aus den Gebirgen, das heißt Weiße; die Indianer Bogotás hielten sich fern von der Plaza. Hie und da sah man auch Llaneros zu Pferde, und vor dem Tore konnte man ein ganzes Lager der Steppenbewohner wahrnehmen, die über Nacht gekommen waren.
In der ganzen Stadt herrschte eine Stimmung, die etwas von der Schwüle an sich hatte, die einem Gewitter voranzugehen pflegt, und die Leute wagten nur in zurückhaltendem Tone miteinander zu reden.
Von zehn Uhr ab begannen die Juntamitglieder und die Staatsräte in der großen Sala des Parlamentshauses sich zu versammeln, unter ihnen die beiden Sennores Vivanda und der Mestize Antonio de Minas.
Gegen elf Uhr kam de Valla, er kam im Wagen. Schweigend empfing ihn die Menge, nur aus der Reihe der Soldaten begrüßten ihn einige Zurufe.
In der großen Sala hatten sich Staatsrat und Junta vereint, um unter dem Vorsitz des Präsidenten des Staatsrates die Wahlhandlung vorzunehmen.
Eben wollte man beginnen, als zu einer der großen Saaltüren ein hochgewachsener junger Mann eintrat, tadellos nach Pariser Mode gekleidet, dessen ganze Erscheinung großes Aufsehen erregte, vor allem das schöne, ungemein ernste Antlitz des Jünglings. In fester, fast hochmütiger Haltung schritt der so unerwartet Erscheinende zu dem Tische der Staatsräte, grüßte mit leichter Verbeugung die dort weilenden Sennores und ließ sich in einem Sessel nieder. Das Erstaunen war unter der Versammlung nicht gering.
"Darf ich fragen," nahm jetzt der Präsident das Wort, "mit welchem Rechte Sie hier erscheinen und Ihren Platz unter den Staatsräten nehmen?"
Bei der allgemeinen Stille, die in dem Saal herrschte, vernahm man überall deutlich die Antwort: "Mit dem Rechte, welches meinem Vater verliehen ward, als erblichem Mitgliede des Staatsrates. Ich bin Alonzo d'Alcantara, der Sohn Don Pedros."
Der Name zuckte wie ein Blitz durch die Versammlung.
de Valla starrte totenbleich auf das Gesicht Alonzos, das eine eherne Ruhe zeigte. Der Präsident unterbrach das Schweigen mit den unsicher gesprochenen Worten: "Das werden Sie uns beweisen müssen, Sennor."
Don Vincente erhob sich: "Ich bürge mit meiner Ehre für die Identität Don Alonzo d'Alcantaras."
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